Unwörter, Untiere & schwer zu kriegende Teilchen
von Trithemius - 20. Jan, 19:31
Was ist eigentlich Sprachwissenschaft und wozu ist sie gut? Wozu sie nicht gut ist, das kann man hier schon nachlesen. Derweil kann ich eine private Angelegenheit klären:
Böse Zungen haben nämlich behauptet, ich hätte die Teppichhaus-Cafeteria geschlossen, weil sie betriebsratsverseucht war. Darüber kann ich nur lachen. Das Wort kenne ich nicht mal. Und wer etwas anderes verlauten lässt von den Teppichhausmitarbeitern, fliegt raus, hundertprozentig. Das mir völlig unbekannte Wort war sowieso nur in Baumärkten zu haben. Da lag es nicht etwa im Regal, nicht mal unter der Ladentheke, sondern man musste mit einem Abgesandten der Baumarkt-Konzernzentrale in ein Kabuff gehen, und da, Aug in Aug, da hat er es eventuell mitgeteilt, dir ins Ohr geraunt, wenn du zufällig ein Baumarkt-Filialleiter bist. Denn „betriebsratsverseucht“ ist ein böses Wort, geradezu ein Unwort, viel schlimmer als „Arsch“, „Scheißdreck“ oder „Kopfwichser“. "Betriebsratverseucht" ist quasi ein hundsgemeines Baumarkt-Kabuff-Geheimwort.
Ja, verflucht, ich hatte immer gedacht, so ein Abgesandter einer Konzernzentrale geht mit dem Filialleiter in sein Kabuff, zieht die Tür zu und sagt: „Was? Hier gibt es einen Scheißbetriebsrat? Schmeiß die Rädelsführer raus, aber pronto!“ Das war aber total falsch. Der Abgesandte im feinen Zwirn sagt: „Was? Der Scheißladen hier ist betriebsratverseucht? Schmeiß die Rädelsführer raus, aber pronto!“
Diese schlimme Wahrheit verdanken wir den Damen und Herren Sprachwissenschaftlern Horst Schlosser, Margot Heinemann, Nina Janich und Martin Wengeler. Sie haben das Wort „betriebsratsverseucht“ ans Licht gezerrt und stracks zum Unwort des Jahres 2009 gekürt. Wie jedes Kind weiß, ist es die Aufgabe der Sprachwissenschaft, die Wörter des Sprachgebrauchs in gut und böse einzuteilen, und einmal im Jahr nehmen sie eines vor und machen es zur Sau. Die deutsche Sprache braucht eben harte Zucht, und wenn sie sich erfrecht, eine dreckige Geisteshaltung genau zu bezeichnen, dann gibt’s was um die Ohren. Nur dann lernt die Sprache, sich feiner auszudrücken.
So geht echte Wissenschaft. Wieso haben uns eigentlich die Mathematiker noch nicht die verflixte "Unzahl des Jahres" ausgerechnet? Auch die Biologen sollen sich nicht länger zieren und das "Untier des Jahres" platthauen. Und wenn Ranga Yogeshwar im gewagten Selbstversuch das "Scheiße-schwer-zu-kriegende-Teilchen des Jahres" einfängt, ja, das wär doch mal Teilchenphysik, wie sie im Buche steht.
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Böse Zungen haben nämlich behauptet, ich hätte die Teppichhaus-Cafeteria geschlossen, weil sie betriebsratsverseucht war. Darüber kann ich nur lachen. Das Wort kenne ich nicht mal. Und wer etwas anderes verlauten lässt von den Teppichhausmitarbeitern, fliegt raus, hundertprozentig. Das mir völlig unbekannte Wort war sowieso nur in Baumärkten zu haben. Da lag es nicht etwa im Regal, nicht mal unter der Ladentheke, sondern man musste mit einem Abgesandten der Baumarkt-Konzernzentrale in ein Kabuff gehen, und da, Aug in Aug, da hat er es eventuell mitgeteilt, dir ins Ohr geraunt, wenn du zufällig ein Baumarkt-Filialleiter bist. Denn „betriebsratsverseucht“ ist ein böses Wort, geradezu ein Unwort, viel schlimmer als „Arsch“, „Scheißdreck“ oder „Kopfwichser“. "Betriebsratverseucht" ist quasi ein hundsgemeines Baumarkt-Kabuff-Geheimwort.
Ja, verflucht, ich hatte immer gedacht, so ein Abgesandter einer Konzernzentrale geht mit dem Filialleiter in sein Kabuff, zieht die Tür zu und sagt: „Was? Hier gibt es einen Scheißbetriebsrat? Schmeiß die Rädelsführer raus, aber pronto!“ Das war aber total falsch. Der Abgesandte im feinen Zwirn sagt: „Was? Der Scheißladen hier ist betriebsratverseucht? Schmeiß die Rädelsführer raus, aber pronto!“
Diese schlimme Wahrheit verdanken wir den Damen und Herren Sprachwissenschaftlern Horst Schlosser, Margot Heinemann, Nina Janich und Martin Wengeler. Sie haben das Wort „betriebsratsverseucht“ ans Licht gezerrt und stracks zum Unwort des Jahres 2009 gekürt. Wie jedes Kind weiß, ist es die Aufgabe der Sprachwissenschaft, die Wörter des Sprachgebrauchs in gut und böse einzuteilen, und einmal im Jahr nehmen sie eines vor und machen es zur Sau. Die deutsche Sprache braucht eben harte Zucht, und wenn sie sich erfrecht, eine dreckige Geisteshaltung genau zu bezeichnen, dann gibt’s was um die Ohren. Nur dann lernt die Sprache, sich feiner auszudrücken.
So geht echte Wissenschaft. Wieso haben uns eigentlich die Mathematiker noch nicht die verflixte "Unzahl des Jahres" ausgerechnet? Auch die Biologen sollen sich nicht länger zieren und das "Untier des Jahres" platthauen. Und wenn Ranga Yogeshwar im gewagten Selbstversuch das "Scheiße-schwer-zu-kriegende-Teilchen des Jahres" einfängt, ja, das wär doch mal Teilchenphysik, wie sie im Buche steht.