Des lieben Gottes blinder Fleck – über Alltagsmythen

Von Freitag auf Samstag besuchten mich meine Tochter mit Mann und meinen beiden Enkelkindern. Derweil meine 5-jährige Enkelin eine Banane aß und dazu Wasser trank, fragte ich, ob es nicht gefährlich fürs Kind wäre, zur Banane Wasser zu trinken. Weder meine Tochter noch ihr Mann teilten die Bedenken. Ich sagte, mich als Kind hätten die Erwachsenen immer davor gewarnt, Wasser auf Obst zu trinken, weil man davon Bauchschmerzen bekäme. Wir kamen überein, dass es sich um einen Alltagsmythos handeln muss. Meine Tochter erinnerte an das Ballspiel „Kirschen gegessen.“

Kinder stehen im Kreis und werfen sich einen Ball zu. Wer den Ball nicht fängt oder fallen lässt, verliert eine Lebensstufe und scheidet am Ende aus. Die Stufen heißen „Kirschen gegessen – Wasser getrunken – Bauchweh gekriegt – Fieber bekommen – ins Krankenhaus gekommen – scheintot – tot.“

Was hat es auf sich mit dem Mythos, der sich sogar zum Kinderspiel umgeformt hat und so nachhaltig ins kollektive Gedächtnis eindringen konnte?

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Prustlach, ein Witz und noch einer!

" Eozän, das: Erste der drei großen Perioden, in die Geologen das Alter der Welt unterteilt haben. Aus dem Eozän stammen die meisten bekannten Witze."
Ambrose Bierce (1842 – 1914), US-amerikanischer Journalist und Satiriker, aus: Bierce, Des Teufels Wörterbuch (The Cynic’s Word Book),

Mittwochabend habe ich mal wieder versucht, einen Witz zu erzählen, und zwar beim geselligen Limmern. Das Verb limmern ist gebildet nach der überaus lebendigen Limmerstraße im hannöverschen Szene-Stadtteil Linden-Nord. Dort trifft man sich an warmen Sommerabenden, hockt auf Fensterbänken und auf echten Bänken, guckt Leute, plaudert und trinkt Flaschenbier, immer umkreist von Flaschensammlern, die durch ihr höfliches, aber manchmal voreiliges Flaschenbetteln den Bierkonsum anheizen.

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Sonntagstour – Unterwegs in sozialen Brachen

An manchen Tagen, am liebsten sonntags, fahre ich mit dem Rad durch Gegenden inmitten der Stadt, die nur lose mit der Zivilisation verbunden sind. Da fahre ich beispielsweise durch eine Straße beim Lindener Hafen, die mal und mal abknickt, und nach jedem Knick ist man weiter eingedrungen in eine durch Verlassenheit und Videoüberwachung gezeichnete Welt, wo zwischen leeren Bürogebäuden, Lagerhallen, Schuppen und Drahtzaun bewehrten Brachgeländen, entlang von Reklametafeln, für die es kaum Betrachter gibt, am Straßenrand die Sattelzüge parken, manchmal nur die Zugmaschinen, deren Fenster mit reflektierenden Folien verhängt sind, um Sonne und Welt fernzuhalten von der Schlafkabine hinter den Sitzen.

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Kellerassel verstößt gegen intergalaktisches Recht

Es hat geregnet. Ein schwerer Landregen ist niedergegangen. Im Hof zwischen den feuchten Fliesen kriecht mit provozierender Langsamkeit eine Assel. Die Abmessungen einer Asselwelt zugrundegelegt, betrachte ich sie aus großer Höhe, derweil ich meinen Fahrradsattel trocken wische. Weil ich so wenig über Asseln weiß und weil sie sich so seltsam stoisch bewegt auf ihren kaum sichtbaren sieben Beinpaaren, stelle ich mir vor, die Assel wäre das Raumschiff einer außerirdischen Spezies, eher noch das Landungsschiff, mit dem sie unsere Welt erkunden.

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Ein Sommer auf der Insel Texel und ein seltsames Zusammentreffen von Ereignissen

Die Geschichte beginnt auf den Tag genau heute vor zehn Jahren. Der 25. Juni 2006 war ein Sonntag. An diesem Tag besuchte der „europaweit gefürchtete Kunst-Attentäter Hans-Joachim Bohlmann“ (der Spiegel) das Amsterdamer Rijksmuseum. Er spritzte Feuerzeugbenzin auf das 2,3 x 5,5 Meter große Gemälde „Schützenmahlzeit zur Feier des Friedens von Münster“ (1648) von Bartholomeus van der Helst und zündete das an. Der Anschlag wurde rasch entdeckt, der Brand gelöscht, so dass er nur geringe Schäden anrichtete. Dieses Attentat sollte mir ein besonderes Erlebnis bescheren.

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Man kann ja nie wissen“

Ich habe ein Plakat gerahmt und an die Wand gehängt. Dazu musste ich nur sechs Nägel in die Wand schlagen, das heißt zwei davon habe ich je zweimal eingeschlagen und wieder gezogen, weil sie sich als zu lang erwiesen haben. Ich hämmerte also zwei kurze Stahlnägel in die Wand, und zwar von den ersten Löchern um drei Zentimeter nach links versetzt, damit der linke Rand des rahmenlosen Halters mit dem darüber hängenden Bild bündig abschließt. Das Plakat im Format 420 mm x 594 mm (DIN-A2) zeigt das heitere Aquarell „Anna Blume und ich“ aus dem Jahr 1919 von Kurt Schwitters und wirbt für eine Veranstaltung am 24. Juni 2016 im Kultur-Café „Anna Blume.“ Dort bin ich gestern mit meiner Obernachbarin gewesen. Wir sind mit den Rädern hingefahren. Der kleine Stapel Plakate hat da auf einem Flügel gelegen. Meine Nachbarin hat auch eines mitgenommen und die beiden gerollt in ihrer geräumigen roten Handtasche transportiert.

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Schweinerei beim deutschen Fußball

Klar! Es war eindeutig Handspiel, als Bundestrainer Joachim Löw beim Europameisterschaftsspiel gegen die Ukraine sich ungeniert in die Hose fuhr, dort ausgiebig hantierte (!) und danach ganz erstaunt an seinen Fingern roch, was den Schluss nahegelegt, dass es zur Ballberührung gekommen war, wenn auch nur mit den Fingerspitzen: Hand ist Hand.
( #Schnüffelgate )

„Das ist nichts Besonderes. Ich glaube, 80 Prozent von euch haben sich auch schon mal die Eier gekrault.“

Twittert wer?

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Aus der Zeit gerutscht

Zounds! Ich habe verschlafen. Dabei muss ich aus der Zeit gerutscht sein, denn rundum ist es still. Zwar höre ich in der Ferne einige Autos fahren, auch zwitschern Vögel. Aber die Geräusche könnten eine Täuschung sein. Sie könnten vom Band kommen. Eigentlich müsste die akustische Illusion noch nicht mal vom Band kommen. Es reicht, mein Hörzentrum ein wenig zu stimulieren, so dass ich glaube, entfernte Autogeräusche, Vogelstimmen sowie das leise Lüftungsrauschen meines Klapprechners zu hören. Blicke ich über den Bildschirm hinweg, sehe ich drei Fenster, zwei Fenster frontal, eines schräg von der Seite. Das linke der frontalen Fenster hat zwei Flügel. Die weißen Gardinen sind völlig zur Seite geschoben, so dass besonders dieses Fenster den Blick auf dichtes Laub verschiedener Bäume gewährt, die in scheinbar unterschiedlicher Raumtiefe angeordnet sind. Geradeaus sehe ich einen Weißdornbusch, der sich ins Laub einer Eiche geschoben hat. Durch das seitliche Fester sehe ich nicht viel. Die Gardine ist nicht weit genug zur Seite geschoben. Immerhin erkenne ich schemenhaft eine hohe, hellrot verklinkerte Hausfront und einige Fenster darin. Sie sind weiß gestrichen und haben eine altweiße Laibung. An ihrer symmetrischen Anordnung leite ich ab, dass in der Haufront noch weitere Fenster sein müssen. Der größte Teil der Hausfront ist aber durch das Laub eines Baumes verdeckt.

augadoro (Augentor) nannten die Germanen ihre Fenster. Wie bei den akustischen Wahrnehmungen könnte alles, was die Augentore mir zeigen und was sich rundum im Raum befindet. Alles das könnte meinem Sehzentrum vorgespielt sein. Bliebe noch mein Bildschirm und was in Schrift darauf erscheint, wenn ich bestimmte Tasten in einer geordneten Reihenfolge anschlage. Angenommen auch das wäre Illusion wie auch die taktilen Wahrnehmungen des Rechners auf meinem Schoß, der Tasten unter meinen Fingern, wie mein linker Fuß auf dem Boden aufsteht, der rechte frei in der Luft schwebt, weil ich dieses Bein über das andere geschlagen habe und den Rechner auf dem Oberschenkel des rechten Beins halte, der Druck meines Körpers auf die Rückenlehne, wie ich auf dem Sitz laste, meine inneren Wahrnehmungen, der Nachgeschmack von Kaffee in meinem Mund und so weiter. Es gibt keinen Beweis, dass ich nicht aus der Welt gerutscht bin. Nichts beweist mir, dass ich noch bin. Und du werte Leserin, werter Leser, du hast noch weniger Anhaltspunkte. Du sagst: Ich lese ja deinen Text. Aber tust du das überhaupt? Ich habe keinen Beweis dafür, wie ich nicht weiß, ob auch dir alle Wahrnehmungen vorgespielt werden. Was ist, wenn ich den Text gar nicht geschrieben habe? Vielleicht ist er nur in deinem Kopf entstanden? Ganz gewiss entsteht er in diesem Augenblick in deinem Kopf.

Guten Tag!

Du kannst es dabei belassen. Wenn du aber das Bild in deinem Kopf erweitern willst, klicke auf weiter lesen!
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