Die Religion von der Anbetung der goldenen Kalbsleberwurst


Heute brauchen wir
feste Schuhe und einen Regenschirm, denn was da von Himmel kommt, ist ergiebiger Landregen. Der Einkauf muss erledigt werden, doch wir haben es nicht weit. In dem hübschen Altbau schräg gegenüber wohnt Mike.
„Hallo Mike, das ist ..., sach ma, wie heißt du eigentlich? Na, egal. Wir gehen eh direkt in die Küche. Mach doch mal den Kühlschrank auf! Hm, was haben wir denn da? Die zwei Flaschen Bier gehen mit, … ich hoffe, du machst mir einen guten Preis, Mike. Was wir an deinem Kühlschrank zu suchen haben? Na, was schon: Wir kaufen ein bei Freunden!“
Beste FreundeBei Freunden einkaufen kann man auch im HIT-Markt und muss dafür nur ein Lächeln schenken. So geht es zu im Land der Freunde, das im letzten Jahr sogar die Welt zu Besuch hatte. „Die Welt zu Gast bei Freunden“, hat die FIFA gesagt, darum ist das Freunde-Prädikat quasi amtlich.

Bald werden wir uns vor
Freunden nicht retten können. Die Konjunktur zieht an. Die Werbebeilagen in den Zeitungen nehmen zu. Der Freund hat wieder mehr Geld und will es nicht immer nur „saubillig“.

Manche sagen ja, der Konsum sei eine Religion. Ihre Adepten lieben nicht mehr Gott und Mitmensch, sondern Produkte, also Dinge. Diese Religion hat in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts als Sekte angefangen. Im Jahr 1957 warb Mondial Aperitif: „Liebe auf den ersten Schluck.“ Campari konterte 1969: „Die Liebe kommt beim zweiten Schluck.“ Erst 2003 klärt Andreas Pils apodiktisch: „Liebe auf den ersten Schluck.“ Irgendwie rund und weniger barsch klingt es im gleichen Jahr bei Dab: „Aus Liebe zum Bier.“ Da kann man nur zustimmen: Ich liebe es!

Das wiederum könnte mich eine Abmahnung kosten, denn „Ich liebe es“ gehört seit 2003 McDonald's. Diesen schlichten deutschen Satz haben sich Heye & Partner gewiss teuer bezahlen lassen, denn Liebe auf Hamburger zu reimen, das ist schon hohe Werbekunst. Trotzdem ist die Idee weder abwegig noch neu, denn Liebe geht durch den Magen, und so versprach 1999 die österreichische Firma Groissböck: „Liebe auf den ersten Biss.“ Genauso fluppt die Liebe bei „Käse aus Frankreich“: „Liebe auf den ersten Biss.“, ein Slogan von der Agentur Fröhling im Jahre 2003. Wenn man sich bei der Firma Groissböck über den dreisten Wortdiebstahl geärgert hat, warum nicht eine gute alte „Eckstein“ rauchen? Denn Eckstein ist seit 1953: „Liebe ohne Worte.“ „Gold ist Liebe.“, behauptet der Schmuckhandel 1973. Das ist Quatsch, Gold kann man nicht essen. Wer trotzdem auf Gold herumkauen will, braucht eventuell das Arzneimittel „Silberne Boxberger“: „Gold wert bei träger Verdauung.“ (1978).

Über das emotionale Gefühlsleben seiner Hände und Füße weiß der Mensch nur wenig, so dass man der Behauptung von Adidas: „Zehen lieben diesen Schuh.“ (2005) einfach glauben schenken muss. Für die Hände gilt das schon seit 1963: „Alle Hände lieben Atrix, denn es macht sie schön.“

Die Religion von der Anbetung der Goldenen Kalbsleberwurst wird immer strenger. Seit 2007 fordert sie vom Fernsehzuschauer, dass er seine verliebten Hände faltet, wenn „Magnum Java“ gezeigt wird. Und er soll sagen: „Ich bete es an.“
„Darauf trinken wir einen. Ach, hör mal, Mike, dass wir dir Geld für das Bier geben wollen, war nur Spaß!“

Prost und guten Abend


Zirkus des schlechten Geschmacks
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