Abendbummel online - Lasst wohlbeleibte Männer um mich sein, die nachts gut schlafen

Dicke sind in Wahrheit gluecklicherWissenschaftler untersuchen vieles und kommen oft zu erstaunlichen Ergebnissen. Ob sich ein Weihnachtsbaum länger hält, wenn man ihn in Wasser stellt? (Ja, und jeder hat’s vorher schon gewusst.) Oder ob Dicke glücklicher sind als Dünne? (Auch ja, was besonders die Hungernden der Welt gerne glauben werden).

Eine interessantere Behauptung stellt der RTL-Unterhaltungschef Tom Sänger heute in der Süddeutschen Zeitung auf. Er sagt, die Masse sei klüger als der Einzelne. Der Publikumsjoker bei „Wer wird Millionär“ sei zum Beispiel erfolgreicher als der Telefonjoker. Vielleicht liegt es daran, dass das Publikum bei den eher einfachen Fragen zu Rate gezogen wird. Hier ist die Mehrheitsmeinung die beste. Das bestätigt auch ein Test des WDR-Moderators Ranga Yogeshwar. In seiner Sendung „Quarks & Co.“ ließ er die Zuschauer die Anzahl von Liebesperlen in einem Glas schätzen, und die durchschnittliche Schätzung lag ziemlich dicht bei der richtigen Lösung.

Je komplexer eine
Sache, desto dümmer stellt sich die Masse an. So ist Volkes Stimme nicht unbedingt mit politischer Klugheit gesegnet. „Vox populi – vox Rindvieh“, hat Franz-Josef Strauß über sein Wahlvolk gesagt. Die Tatsache, dass er über viele Jahre unumschränkt in Bayern herrschen konnte und sein Ziehsohn Edmund Stoiber ebenso, scheint seinen Befund zu bestätigen.

Komplexere Fragen erfordern
Wissen, oft sogar Expertenwissen. Wer nicht darüber verfügt, entscheidet notgedrungen aus dem Bauch. Und der Bauch ist nicht sonderlich an komplizierten Weltfragen interessiert, sondern will in erster Linie gefüllt sein. Doch auch wo Sachverhalte eigentlich überschaubar sind, verhält sie sich die Mehrheit oft irrational. Ein Jahr ist’s her, da wurden in Deutschland viele Millionen Tiere vorsorglich gekeult, um die angebliche Gefahr durch die Vogelgrippe abzuwehren, derweil in Deutschland 15.000 Menschen an der Humangrippe verstarben, keiner jedoch an der Vogelgrippe. Es hat wegen der sinnlosen Keulerei keinen massenhaften Aufschrei des Abscheus gegeben, wohl aber, nachdem in Bayern ein Bär abgeschossen wurde. In diesem Jahr trieb man Wiedergutmachung für des Baren unwürdigen Tod und entdeckte die Liebe für einen Eisbären.

Aus der Psychologie ist bekannt, dass Bären, besonders kleine Bären, dem Kindchenschema entsprechen, also an unseren Fürsorge- und Kümmerungsinstinkt appellieren. Der inzwischen abgeflaute Hype um den Berliner Eisbären hatte also humangenetische Ursachen. Die Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit wurde zusätzlich geweckt, weil beide Bären einen Namen hatten. Namen machen die Welt für den Menschen leichtfasslich. Das wiederum entlastet sein Gehirn, und das ist bekanntlich der größte Energieverbraucher und somit eine ständige Last für den Bauch.

In der Vergangenheit haben die Bauern ihren Kühen ebenfalls Namen gegeben. Es machte sie zu Individuen. Die moderne Massentierhaltung gestattet diesen Aufwand nicht. Heutzutage haben die Rinderviecher Ohrclips mit Nummern oder gar einen RFID-Chip unter der Haut, der jede äußere Kennzeichnung überflüssig macht. Das erlaubt den entfremdeten Umgang mit dem Tier.

Nicht zu ändern. Fleischproduktion muss sein, denn zum Wohlstand gehören noch immer Fleisch und Wurst. Es ist eine Idee der Kriegsgenerationen, die den Hunger erfahren haben. Unsere Vorfahren glaubten auch, dass dicke Menschen glücklicher sind. Sie nannten es nur anders. Ein dicker Mensch war „stattlich“.

Stellt sich die Frage wirklich, ob man mager und unglücklich sein will oder stattlich und froh? Dieser Gegensatz ist konstruiert, denn der „wissenschaftliche" Befund, dass Dicke "in Wahrheit" glücklicher sind als Dünne, ist keine Nachricht, nach der man sich richten kann. Eine Gesellschaft, in der nur glückliche Dicke herumlaufen, wäre irgendwie surreal. Die "Wahrheit" ist: Der Bauch allein kann nicht dauerhaft glücklich machen. Egal, was man ihm reinpfeift - nach einer Weile knurrt er wieder.

Guten Abend


Zitat in der Überschrift: Julius Caesar bei Shakespeare
Foto: Trithemius
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