Abendbummel online - kleine Stilkunde

Wie ich so durch den Regen bummle, warte ich an der roten Ampel, obwohl kein Auto kommt. Man weiß ja nie, ob Kinder zugucken, und denen darf man kein schlechtes Beispiel geben. Und da mache ich mir meine Gedanken über den gestrigen Abendbummel. „Wenn nun Kinder mitlesen, und ich habe gesagt, dass ich die armen Frauen in die Luft sprengen will.“ Da kriege ich ein schlechtes Gewissen, denn man darf natürlich keine Leute in die Luft sprengen. Man sagt schon mal, den oder die könnte ich erwürgen, zum Mond schießen oder so. Das ist nicht ernst gemeint, sondern eine Übertreibung. Die Übertreibung, fachsprachlich Hyperbel, ist ein satirisches Stilmittel.

Leute in die Luft sprengen dürfen nur Präsidenten, die eine Armee befehligen. Und dann heißt das auch nicht in die Luft sprengen, sondern Kollateralschaden. Also stell dir vor, du sitzt mit Mama und Papa und Oma und Opa beim Essen, plötzlich macht es Bumm, und wo Papa und Mama saßen, ist nur noch ein tiefes Loch. Das ist jetzt blöd, doch es war nicht so gemeint, es war ein Versehen und geschah eigentlich zu eurem Schutz gegen Terrorismus. So ein Versehen nennt man Kollateralschaden. Das Wort ist ein Euphemismus, zu Deutsch, ein Hüllwort. Es verhüllt die Tatsache, dass du nur noch ein Bein hast und Mama und Papa zerfetzt wurden.

Politiker benutzen beide
Stilmittel, wie es gerade nützlich ist. Wenn ein Präsident zum Beispiel einen Krieg anzetteln will, dann sagt er, da, wo du wohnst, ist das „Reich des Bösen“. Das ist eine Übertreibung, zumindest hast du bis dahin vielleicht nichts davon gewusst. Ein Politiker kann auch eine Mauer an der Grenze errichten lassen und ihn „antifaschistischen Schutzwall“ nennen. Das ist dann wiederum ein Euphemismus, denn das Wort verhüllt, dass der Schutzwall die Untertanen des Politikers an der Flucht hindern soll. Und damit sie die Mauer nicht kaputt machen, befiehlt er, dass man allen, die sich nicht schützen lassen wollen, in den Rücken schießt.
Brille Fielmann
So, das war schon unsere kleine Stilkunde. Und mach dir nix draus, ja? Übrigens, eines ist tröstlich, auch solche menschenverachtenden Politiker sind irgendwann am Ende. Und dann kann sich jeder über sie lustig machen. Also lach mal, du da mit einem Bein.

Guten Abend

(Foto: Trithemius)
1414 mal gelesen

Der Beruf des Satirikers

Michael-Sostschenko

aus: Michael Sostschenko; Das Himmelblaubuch
2838 mal gelesen

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Teppichhaus Trithemius / Teestübchen Trithemius

Aktuelle Beiträge

Die Papiere des PentAgrion...
<img alt="Papiere des PentAgrion bd 2" style="margin:5px;"...
Trithemius - 23. Apr, 13:18
Die Papiere des PentAgrion...
Folge 2.1 Die Macht der Jacke - Folge 2.2 Von den Socken...
Trithemius - 3. Feb, 09:49
Papiere des PentAgrion...
Folge 2.1 Die Macht der Jacke - Folge 2.2 Von den...
Trithemius - 3. Feb, 00:20
Die volle Wahrheit über...
Dienstagmorgen kurz vor der Teestübchen-Redaktionskonf ernenz....
Trithemius - 25. Apr, 19:16
Besser aufrecht sterben,...
Besser aufrecht sterben, als mit kalten Knien leben! Nach...
Lo - 25. Feb, 17:03
An einem Sonntagmorgen...
Allmorgendlich klappe ich den Tagesschau-Feadreader...
Trithemius - 25. Feb, 10:45
Teestübchen Humorkritik...
Morgens werde ich wach, ist mein Humor weg, die heitere...
Trithemius - 13. Feb, 17:30
Hallo Melanie,
welch eine Überraschung. Du bist mir offenbar nicht...
Trithemius - 3. Jan, 17:02

RSS Box

Links

Suche

 

Kalender

Mai 2007
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 3 
 4 
11
17
20
26
 
 
 
 

Web Counter-Modul

Status

Online seit 6467 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:09

Credits


Abendbummel online
Bild & Text
Ethnologie des Alltags
Frau Nettesheim
freitagsgespräch
Gastautoren
Hannover
Internetregistratur
Kopfkino
Pataphysisches Seminar
Pentagrion
Schriftwelt im Abendrot
surrealer Alltag
Teppichhaus Intern
Teppichhaus Textberatung
Textregistratur
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren