Abendbummel online - Die hohen Schuhe wären nicht nötig gewesen
von Trithemius - 14. Mai, 21:10
Heute bin ich zweimal beim Radfahren von einer Frau überholt worden. Die erste habe ich ziehen lassen. Sie war in Sportkleidung. Später jedoch rauschte eine Mutter mit leerem Kindersitz auf dem Gepäckständer an mir vorbei und lächelte überlegen, als sie auf meiner Höhe war. Sie trug auch noch hohe Schuhe. Da wunderte ich mich, denn ich war zügig gefahren. An einer Wegkreuzung habe ich sie wieder überholt, weil sie einen kleinen Umweg machte. Um die Schmach nicht noch einmal zu erleben, bin ich schneller gefahren und habe sie abgehängt. Jedenfalls wähnte ich mich bald allein auf der windigen Vennbahntrasse. Und da ich nicht verschwitzt im Institut ankommen wollte, fiel ich wieder in meinen alten Trott, zumal ich noch ein wenig die Landschaft genießen wollte, das Wechselspiel des Lichts unter den jagenden Wolken.
Diesen Teil der Vennbahntrasse fahre ich besonders gern. Er ist ein bisschen wellig und geht leicht bergauf. Doch zunächst taucht man in einen schnurgeraden Abschnitt, der links und rechts von halbhohen Bruchsteinmauern begrenzt ist. Darüber wölbt sich ein dichtes Blätterdach. Hier ist es stets ein wenig feucht und deutlich kühler als unter dem Himmel. Man fährt über nasse Blätter und kleine Zweige, die vom Sturmwind der letzten Tage herabgerissen wurden.
Weit hinten lockt hell der Ausgang aus dem grünen Dämmer des Kanals. Es geht hinaus auf einen Viadukt, der in beachtlichen Bögen aus Bruchstein das Tal eines kleinen Flusses überspannt. Das schwarzbunte Vieh unten auf den Wiesen trampelt manchmal hindurch, und so sind die Ränder des Flüsschens schlammig ausgefranst.
Drei Fugenrinnen hat die betonierte Fahrbahn der Brücke. Dort rumpelt es ordentlich, weil sie mit den Jahren etwas abgesackt sind. Links öffnet sich der Blick auf ein zweites Tal. Da gehen die Wiesen steil hinab, und für die Pferde dort wäre es bequemer, wenn sie zur Bergseite hin kürzere Beine hätten. Auf der anderen Talseite ragen aus dem Gebüsch die rötlichen Klippen eines Steinbruchs auf. Auch dieses Tal ist von einem Viadukt überspannt, denn von Osten schwingt eine weitere Bahnlinie heran. Anders als auf der Vennbahntrasse liegen dort noch Gleise. Der Nachtschwärmer ist vor gut einem Jahr darüber gerollt, von Walheim zur gallo-romanischen Kultstätte Varnenum.
Hinter einer Biegung taucht man erneut unter ein Blätterdach, und dann kommt von links aus einer Schneise das alte Gleis heran und begleitet die Vennbahntrasse. Und grad als ich am Gleiskörper entlang fuhr, die Schwellen und den Schotter kaum noch sah und dachte, „bald ist alles vom Gras überwuchert, dann könnte auch die Nachtschwärmer-Draisine nicht mehr rollen“, in diesem Moment strampelte die Frau mit dem Kindersitz hinten drauf an mir vorbei, lachte mich an und rief: „Da bin ich wieder!“
Ich hab mich erschreckt und aus tiefem Herzen gesagt: „Heute sind die Frauen stark.“
„Der Wind ist stark!“ rief sie zurück. Und als sie schon ein ganzes Stück enteilt war, verstand sie erst und rief: „Ach so, die Frauen sind stark!“
Über einer kleinen Straßenbrücke kreuzt die Vennbahntrasse das Gleis und hat auch eine steil gewundene Abfahrt zur Straße hinunter. Da musste ich abbiegen. Als ich unter dem Brückengewölbe hinab in den Ort sauste, da wurmte mich vor allem, dass die Frau kein bisschen verschwitzt ausgesehen hatte oder, um es feiner auszudrücken: Das bisschen, was sie transpirierte, wurde vom Wind verblasen.
Frauen sind eindeutig von der Natur begünstigt. Das hat ja schon Frau Nettesheims Vorfahr Agrippa gesagt.
Guten Abend
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Diesen Teil der Vennbahntrasse fahre ich besonders gern. Er ist ein bisschen wellig und geht leicht bergauf. Doch zunächst taucht man in einen schnurgeraden Abschnitt, der links und rechts von halbhohen Bruchsteinmauern begrenzt ist. Darüber wölbt sich ein dichtes Blätterdach. Hier ist es stets ein wenig feucht und deutlich kühler als unter dem Himmel. Man fährt über nasse Blätter und kleine Zweige, die vom Sturmwind der letzten Tage herabgerissen wurden.
Weit hinten lockt hell der Ausgang aus dem grünen Dämmer des Kanals. Es geht hinaus auf einen Viadukt, der in beachtlichen Bögen aus Bruchstein das Tal eines kleinen Flusses überspannt. Das schwarzbunte Vieh unten auf den Wiesen trampelt manchmal hindurch, und so sind die Ränder des Flüsschens schlammig ausgefranst.
Drei Fugenrinnen hat die betonierte Fahrbahn der Brücke. Dort rumpelt es ordentlich, weil sie mit den Jahren etwas abgesackt sind. Links öffnet sich der Blick auf ein zweites Tal. Da gehen die Wiesen steil hinab, und für die Pferde dort wäre es bequemer, wenn sie zur Bergseite hin kürzere Beine hätten. Auf der anderen Talseite ragen aus dem Gebüsch die rötlichen Klippen eines Steinbruchs auf. Auch dieses Tal ist von einem Viadukt überspannt, denn von Osten schwingt eine weitere Bahnlinie heran. Anders als auf der Vennbahntrasse liegen dort noch Gleise. Der Nachtschwärmer ist vor gut einem Jahr darüber gerollt, von Walheim zur gallo-romanischen Kultstätte Varnenum.
Hinter einer Biegung taucht man erneut unter ein Blätterdach, und dann kommt von links aus einer Schneise das alte Gleis heran und begleitet die Vennbahntrasse. Und grad als ich am Gleiskörper entlang fuhr, die Schwellen und den Schotter kaum noch sah und dachte, „bald ist alles vom Gras überwuchert, dann könnte auch die Nachtschwärmer-Draisine nicht mehr rollen“, in diesem Moment strampelte die Frau mit dem Kindersitz hinten drauf an mir vorbei, lachte mich an und rief: „Da bin ich wieder!“
Ich hab mich erschreckt und aus tiefem Herzen gesagt: „Heute sind die Frauen stark.“
„Der Wind ist stark!“ rief sie zurück. Und als sie schon ein ganzes Stück enteilt war, verstand sie erst und rief: „Ach so, die Frauen sind stark!“
Über einer kleinen Straßenbrücke kreuzt die Vennbahntrasse das Gleis und hat auch eine steil gewundene Abfahrt zur Straße hinunter. Da musste ich abbiegen. Als ich unter dem Brückengewölbe hinab in den Ort sauste, da wurmte mich vor allem, dass die Frau kein bisschen verschwitzt ausgesehen hatte oder, um es feiner auszudrücken: Das bisschen, was sie transpirierte, wurde vom Wind verblasen.
Frauen sind eindeutig von der Natur begünstigt. Das hat ja schon Frau Nettesheims Vorfahr Agrippa gesagt.
Guten Abend