Bitte geben Sie dem Leierkastenmann kein Geld
von Trithemius - 4. Nov, 19:14
Die Innenstadt ist schwarz von Menschen. Pech für uns, jetzt geht es nur schleppend weiter, - wir kommen nicht einmal über den ersten Satz hinaus. Wieso heißt es „schwarz von Menschen“? Da weiß nicht einmal Lutz Röhrich in „Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten“ einen Rat. Etymologisch gesehen ist schwarz verwandt mit den Wörtern „Dunkelheit“, „Nebel“ und „schmutzig“. Unzweifelhaft tragen die bummelnden Herrschaften überwiegend schwarze oder dunkle Kleidung. Man hat sich telepathisch darauf geeinigt. Wie das funktioniert, ist noch nicht erforscht. Einen ähnlich geheimnisvollen Einklang kennt man von Vögeln, wenn sie sich zu Schwärmen ballen und in der Dämmerung hin- und herwogen, bis sie einen Schlafplatz gefunden haben.
An Schlaf ist noch nicht zu denken. Die Geschäfte haben an diesem trüben Sonntag geöffnet, und durch die dunkle Menge schiebt ein Leierkastenmann orgelnd seine Orgel heran. Warum müssen Leierkästen eigentlich Räder haben? Könnte man den Schaden nicht begrenzen? Es ist ja schon ein Kreuz, dass man stets versucht ist, sich die Melodie aus dem Durcheinander der Orgelpfeifen herauszufieseln, und hat man sie dann, ist’s aus mit der Gemütlichkeit. „Ich küsse Ihre Hand, Madam – und wollt’, es wär’ Ihr Hund …“
Aus der Sicht eines Hundes verdunkelt die Bummlerschar gewiss die Welt. Welches Durcheinander der Gerüche seine Sinne vernebelt, entzieht sich meiner Vorstellungskraft. Für mein Empfinden wirken eigentlich alle sauber und herausgeputzt, bis auf den einen oder anderen schmutzigen Mann. Leierkastenmusik ist so penetrant brutal wie auf Felder ausgefahrene Gülle. Wer in der Nähe ist, kann seine Sinne nicht taub dafür machen, sondern ist hoffnungslos ausgeliefert. Wie, bitteschön, soll man da über die Etymologie von „Schwarz von Menschen“ nachdenken? Der Leierkastenmann wechselt zu: „We Can Work It Out“. Das ist eigentlich ein schönes Lied. Lennon/McCartney haben es am 20. Oktober 1965 aufgenommen. Im Augenblick wäre mir lieber, die beiden wären am 20. Oktober 1965 einfach mal nur so in die Stadt gegangen.
Jetzt steht der Leierkastenmann genau vor mir. Brummen, Pfeifen, Tirili, und dann höre ich tatsächlich „Penny Lane“ heraus. Uff, diese beschwingte Melodie kann noch nicht einmal ein Leierkastenmann komplett verhunzen. Nein, es ist sogar ganz hübsch, wie die Leute plötzlich im Takt von Penny Lane an mir vorbeiziehen. Gut, ich sitze nicht im Swingin London der 60er, sondern 2007 am Aachener Münsterplatz, und vom Aachener hat einst Heinrich Heine gesagt, er gehe, als hätte er gerade den Stock verschluckt, mit dem man ihn vorher geprügelt hat. Das Heine-Zitat ist natürlich nicht Ernst gemeint, sondern sogar Spaß. Inzwischen haben sich die Aachener gemacht und gemischt, und unter den Passanten sind ausländische Mitbürger, sogar dunkelhäutige. Für diesen Augenblick am Nachmittag ist die Welt jedenfalls ziemlich bunt, obwohl auch die zum Markt ansteigende Krämerstraße schwarz von Menschen ist. Man könnte sogar sagen, sie verdunkeln den Himmel, was übrigens gegen die These spricht, im Himmel wäre viel Betrieb.
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An Schlaf ist noch nicht zu denken. Die Geschäfte haben an diesem trüben Sonntag geöffnet, und durch die dunkle Menge schiebt ein Leierkastenmann orgelnd seine Orgel heran. Warum müssen Leierkästen eigentlich Räder haben? Könnte man den Schaden nicht begrenzen? Es ist ja schon ein Kreuz, dass man stets versucht ist, sich die Melodie aus dem Durcheinander der Orgelpfeifen herauszufieseln, und hat man sie dann, ist’s aus mit der Gemütlichkeit. „Ich küsse Ihre Hand, Madam – und wollt’, es wär’ Ihr Hund …“
Aus der Sicht eines Hundes verdunkelt die Bummlerschar gewiss die Welt. Welches Durcheinander der Gerüche seine Sinne vernebelt, entzieht sich meiner Vorstellungskraft. Für mein Empfinden wirken eigentlich alle sauber und herausgeputzt, bis auf den einen oder anderen schmutzigen Mann. Leierkastenmusik ist so penetrant brutal wie auf Felder ausgefahrene Gülle. Wer in der Nähe ist, kann seine Sinne nicht taub dafür machen, sondern ist hoffnungslos ausgeliefert. Wie, bitteschön, soll man da über die Etymologie von „Schwarz von Menschen“ nachdenken? Der Leierkastenmann wechselt zu: „We Can Work It Out“. Das ist eigentlich ein schönes Lied. Lennon/McCartney haben es am 20. Oktober 1965 aufgenommen. Im Augenblick wäre mir lieber, die beiden wären am 20. Oktober 1965 einfach mal nur so in die Stadt gegangen.
Jetzt steht der Leierkastenmann genau vor mir. Brummen, Pfeifen, Tirili, und dann höre ich tatsächlich „Penny Lane“ heraus. Uff, diese beschwingte Melodie kann noch nicht einmal ein Leierkastenmann komplett verhunzen. Nein, es ist sogar ganz hübsch, wie die Leute plötzlich im Takt von Penny Lane an mir vorbeiziehen. Gut, ich sitze nicht im Swingin London der 60er, sondern 2007 am Aachener Münsterplatz, und vom Aachener hat einst Heinrich Heine gesagt, er gehe, als hätte er gerade den Stock verschluckt, mit dem man ihn vorher geprügelt hat. Das Heine-Zitat ist natürlich nicht Ernst gemeint, sondern sogar Spaß. Inzwischen haben sich die Aachener gemacht und gemischt, und unter den Passanten sind ausländische Mitbürger, sogar dunkelhäutige. Für diesen Augenblick am Nachmittag ist die Welt jedenfalls ziemlich bunt, obwohl auch die zum Markt ansteigende Krämerstraße schwarz von Menschen ist. Man könnte sogar sagen, sie verdunkeln den Himmel, was übrigens gegen die These spricht, im Himmel wäre viel Betrieb.
Heißt es eigentlich "schwarz vor Menschen" oder "schwarz von Menschen"? Die sprachliche Richtigkeit wird nicht vom Duden oder von selbsternannten Sprachpflegern festgelegt, sondern allein durch die Gemeinschaft der kompetenten Leser und Schreiber. Mit einem Test im Internet können wir feststellen, was von der Mehrheit als sprachlich richtig empfunden wird.