Herr Ober, der Kaffee hat Kork

frühlingsbotschaftKinder im Vorschulalter orientieren sich beim Zeichnen an der Grundlinie, und das ist der untere Papierrand. Doch da heute die Sonne so freundlich schien und für morgen ein Spaziergang durch den Wald geplant ist, hat das Kind die vertraute Grundlinie mit einem Bein verlassen und lässt sein Männlein fröhlich tanzen. Das Männlein hat allen Grund zu lachen, zumal sein grünes Wams von der Sonne beschienen wird.

Die Zeichnung ist ein hübscher Aufbruch in die große weite Welt. Sie lag Am Hof, einem beliebten Platz in der Aachener Altstadt, wo ich einen Milchkaffee trank, nachdem ich die beiden Zettel vom Kopfsteinpflaster aufgesammelt hatte. Derweil holten gutsituierte Mütter ihre Kinder vom anliegenden Kindergarten ab und zogen plaudernd an mir vorbei, und da war von Eis die Rede, das man beim Café Mohren zu kaufen gedenke und von derlei harmlosen Sachen.

Zwischendrin gab es auch eine erkennbar sorgenvolle Mutter. Das Kinder an ihrer Hand trug einen großen Schulranzen und war offenbar in der Nachmittagsbetreuung des Kindergartens gewesen. Beide waren ein wenig übergewichtig. Zwischen Mutter und Kind wurde nicht gesprochen, und man zog eilig davon, ohne dem Eisverkauf des Cafes einen Blick zu gönnen. Trotzdem sind sie mir nicht aus dem Kopf gegangen, weil sie in so krassem Gegensatz standen zu den gutgelaunten Müßiggängern an den besonnten Cafétischen und den anderen Mutter-Kind-Paaren.

Schon oft habe ich darüber nachgedacht, wieso man in Aachens Innenstadt eher selten solche Kontraste sieht. Vermutlich hängt es damit zusammen, dass sich unsere Gesellschaft sortiert. Wo es schön ist, sind die Plätze gut besetzt von Menschen, denen die Gesellschaft Chancen bietet. Die Armen müssen sich bescheiden, und schon aus Schutz vor dem Gefühl der Erniedrigung, bleiben sie meist in ihrem Umfeld. Diese schädliche Sortierung unseres Gemeinwesens beginnt für ein Kind bereits vor dem Kindergarten. Arme Kinder lernen bald, dass sie wenig Grund haben, die Männlein auf ihrem Blatt Papier hüpfen zu lassen.

Guten Abend
1809 mal gelesen

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Teppichhaus Trithemius / Teestübchen Trithemius

Aktuelle Beiträge

Die Papiere des PentAgrion...
<img alt="Papiere des PentAgrion bd 2" style="margin:5px;"...
Trithemius - 23. Apr, 13:18
Die Papiere des PentAgrion...
Folge 2.1 Die Macht der Jacke - Folge 2.2 Von den Socken...
Trithemius - 3. Feb, 09:49
Papiere des PentAgrion...
Folge 2.1 Die Macht der Jacke - Folge 2.2 Von den...
Trithemius - 3. Feb, 00:20
Die volle Wahrheit über...
Dienstagmorgen kurz vor der Teestübchen-Redaktionskonf ernenz....
Trithemius - 25. Apr, 19:16
Besser aufrecht sterben,...
Besser aufrecht sterben, als mit kalten Knien leben! Nach...
Lo - 25. Feb, 17:03
An einem Sonntagmorgen...
Allmorgendlich klappe ich den Tagesschau-Feadreader...
Trithemius - 25. Feb, 10:45
Teestübchen Humorkritik...
Morgens werde ich wach, ist mein Humor weg, die heitere...
Trithemius - 13. Feb, 17:30
Hallo Melanie,
welch eine Überraschung. Du bist mir offenbar nicht...
Trithemius - 3. Jan, 17:02

RSS Box

Links

Suche

 

Kalender

April 2008
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 1 
 4 
 5 
 6 
 7 
 9 
12
13
14
15
17
18
19
20
21
23
25
26
27
28
29
30
 
 
 
 
 

Web Counter-Modul

Status

Online seit 6467 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:09

Credits


Abendbummel online
Bild & Text
Ethnologie des Alltags
Frau Nettesheim
freitagsgespräch
Gastautoren
Hannover
Internetregistratur
Kopfkino
Pataphysisches Seminar
Pentagrion
Schriftwelt im Abendrot
surrealer Alltag
Teppichhaus Intern
Teppichhaus Textberatung
Textregistratur
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren