Herr Ober, der Kaffee hat Kork
von Trithemius - 24. Apr, 18:36
Kinder im Vorschulalter orientieren sich beim Zeichnen an der Grundlinie, und das ist der untere Papierrand. Doch da heute die Sonne so freundlich schien und für morgen ein Spaziergang durch den Wald geplant ist, hat das Kind die vertraute Grundlinie mit einem Bein verlassen und lässt sein Männlein fröhlich tanzen. Das Männlein hat allen Grund zu lachen, zumal sein grünes Wams von der Sonne beschienen wird.
Die Zeichnung ist ein hübscher Aufbruch in die große weite Welt. Sie lag Am Hof, einem beliebten Platz in der Aachener Altstadt, wo ich einen Milchkaffee trank, nachdem ich die beiden Zettel vom Kopfsteinpflaster aufgesammelt hatte. Derweil holten gutsituierte Mütter ihre Kinder vom anliegenden Kindergarten ab und zogen plaudernd an mir vorbei, und da war von Eis die Rede, das man beim Café Mohren zu kaufen gedenke und von derlei harmlosen Sachen.
Zwischendrin gab es auch eine erkennbar sorgenvolle Mutter. Das Kinder an ihrer Hand trug einen großen Schulranzen und war offenbar in der Nachmittagsbetreuung des Kindergartens gewesen. Beide waren ein wenig übergewichtig. Zwischen Mutter und Kind wurde nicht gesprochen, und man zog eilig davon, ohne dem Eisverkauf des Cafes einen Blick zu gönnen. Trotzdem sind sie mir nicht aus dem Kopf gegangen, weil sie in so krassem Gegensatz standen zu den gutgelaunten Müßiggängern an den besonnten Cafétischen und den anderen Mutter-Kind-Paaren.
Schon oft habe ich darüber nachgedacht, wieso man in Aachens Innenstadt eher selten solche Kontraste sieht. Vermutlich hängt es damit zusammen, dass sich unsere Gesellschaft sortiert. Wo es schön ist, sind die Plätze gut besetzt von Menschen, denen die Gesellschaft Chancen bietet. Die Armen müssen sich bescheiden, und schon aus Schutz vor dem Gefühl der Erniedrigung, bleiben sie meist in ihrem Umfeld. Diese schädliche Sortierung unseres Gemeinwesens beginnt für ein Kind bereits vor dem Kindergarten. Arme Kinder lernen bald, dass sie wenig Grund haben, die Männlein auf ihrem Blatt Papier hüpfen zu lassen.
Guten Abend
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Die Zeichnung ist ein hübscher Aufbruch in die große weite Welt. Sie lag Am Hof, einem beliebten Platz in der Aachener Altstadt, wo ich einen Milchkaffee trank, nachdem ich die beiden Zettel vom Kopfsteinpflaster aufgesammelt hatte. Derweil holten gutsituierte Mütter ihre Kinder vom anliegenden Kindergarten ab und zogen plaudernd an mir vorbei, und da war von Eis die Rede, das man beim Café Mohren zu kaufen gedenke und von derlei harmlosen Sachen.
Zwischendrin gab es auch eine erkennbar sorgenvolle Mutter. Das Kinder an ihrer Hand trug einen großen Schulranzen und war offenbar in der Nachmittagsbetreuung des Kindergartens gewesen. Beide waren ein wenig übergewichtig. Zwischen Mutter und Kind wurde nicht gesprochen, und man zog eilig davon, ohne dem Eisverkauf des Cafes einen Blick zu gönnen. Trotzdem sind sie mir nicht aus dem Kopf gegangen, weil sie in so krassem Gegensatz standen zu den gutgelaunten Müßiggängern an den besonnten Cafétischen und den anderen Mutter-Kind-Paaren.
Schon oft habe ich darüber nachgedacht, wieso man in Aachens Innenstadt eher selten solche Kontraste sieht. Vermutlich hängt es damit zusammen, dass sich unsere Gesellschaft sortiert. Wo es schön ist, sind die Plätze gut besetzt von Menschen, denen die Gesellschaft Chancen bietet. Die Armen müssen sich bescheiden, und schon aus Schutz vor dem Gefühl der Erniedrigung, bleiben sie meist in ihrem Umfeld. Diese schädliche Sortierung unseres Gemeinwesens beginnt für ein Kind bereits vor dem Kindergarten. Arme Kinder lernen bald, dass sie wenig Grund haben, die Männlein auf ihrem Blatt Papier hüpfen zu lassen.
Guten Abend