Zwei Abzockmaschen - Ethnologie des Alltags

1. Die Ambulanz

Ein junger Mann in roter Jacke und einem Namensschild am Revers klingelt zweimal an meiner Wohnungstür. Nassforsches Auftreten. Er spricht mit Ostelbischer Zunge.

Er: „Einen wunderschönen guten Tag!“
Schon verschissen. Mir reicht ein guter Tag allemal.
„Ich bin von der Ambulanz.“
Wie ist der überhaupt ins Haus gekommen? Und welche Ambulanz?
„Keine Sorge, ich komme nicht, um Sie abzuholen!“
Das ist das Letzte, woran ich gedacht hätte.
„Ich besuche heute alle, die in dieser Straße wohnen zwischen 17 und 87 Jahren. Sind Sie doch noch dazwischen, oder?“
Ich: „Hören Sie, für dumme Sprüche habe ich wirklich keine Zeit. Guten Tag!“ Tür zu.

Ein Drücker. In unserem Haus wird er niemanden finden, der auf seine Sprüche reinfällt. Sie wirken dumm, aber sind wohl kalkuliert. Bei alten Leuten könnte er damit Erfolg haben. Zuerst jagt er ihnen einen leichten Schrecken ein mit dem Hinweis auf die Ambulanz. Dann die Erleichterung, man wird nicht abgeholt. Jetzt der Hinweis auf die gesamte Straße und alle zwischen 17 und 87 Jahren. Besonders einsame Menschen freuen sich vermutlich, dass sie zur Straßengemeinschaft gezählt werden, wenn’s auch sonst keinen interessiert. Die Frage, ob man nicht etwa jünger oder älter ist, stellt eine günstige Stimmung für die Abzocke her.

2. Der Goldring

Diese Masche ist mir in Aachen und in Hannover je einmal begegnet: Auf dem Bürgersteig kommt mir ein Mann entgegen, und just, wie wir auf einer Höhe sind, ruft er etwas aus, bückt sich und hebt einen dicken goldenen Ring auf. Dann vertritt er mir den Weg. Er spricht nur gebrochen Deutsch, steckt sich vor meinen Augen den Ring an den Finger und stellt fest, dass er nicht passt. Jetzt drängt er mich mit aller Liebenswürdigkeit, den Ring anzuprobieren. Ich lehne ab und sage, „den müssen Sie zum Fundbüro bringen!“ Er wird unwillig, versucht mir den Ring in die Hand zu drücken und will plötzlich Geld dafür. Da wende ich mich ab, und er zieht davon.

Er hat den Ring natürlich selbst auf dem Bürgersteig abgelegt, als er sich bückte. Dieser Betrugsversuch ist schon fast beleidigend, denn er unterstellt Unehrlichkeit und Goldgier, könnte aber bei Leuten in materieller Not verfangen, wenn sie ein bisschen naiv sind und an Wunder glauben.

Mehr: Ethnologie des Alltags
2626 mal gelesen

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Teppichhaus Trithemius / Teestübchen Trithemius

Aktuelle Beiträge

Die Papiere des PentAgrion...
<img alt="Papiere des PentAgrion bd 2" style="margin:5px;"...
Trithemius - 23. Apr, 13:18
Die Papiere des PentAgrion...
Folge 2.1 Die Macht der Jacke - Folge 2.2 Von den Socken...
Trithemius - 3. Feb, 09:49
Papiere des PentAgrion...
Folge 2.1 Die Macht der Jacke - Folge 2.2 Von den...
Trithemius - 3. Feb, 00:20
Die volle Wahrheit über...
Dienstagmorgen kurz vor der Teestübchen-Redaktionskonf ernenz....
Trithemius - 25. Apr, 19:16
Besser aufrecht sterben,...
Besser aufrecht sterben, als mit kalten Knien leben! Nach...
Lo - 25. Feb, 17:03
An einem Sonntagmorgen...
Allmorgendlich klappe ich den Tagesschau-Feadreader...
Trithemius - 25. Feb, 10:45
Teestübchen Humorkritik...
Morgens werde ich wach, ist mein Humor weg, die heitere...
Trithemius - 13. Feb, 17:30
Hallo Melanie,
welch eine Überraschung. Du bist mir offenbar nicht...
Trithemius - 3. Jan, 17:02

RSS Box

Links

Suche

 

Kalender

Dezember 2010
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 4 
 5 
 9 
11
12
14
16
17
18
19
22
26
 
 
 

Web Counter-Modul

Status

Online seit 6479 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:09

Credits


Abendbummel online
Bild & Text
Ethnologie des Alltags
Frau Nettesheim
freitagsgespräch
Gastautoren
Hannover
Internetregistratur
Kopfkino
Pataphysisches Seminar
Pentagrion
Schriftwelt im Abendrot
surrealer Alltag
Teppichhaus Intern
Teppichhaus Textberatung
Textregistratur
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren