Die Choräle der Meißel - Deutschland südost (5)
von Trithemius - 13. Feb, 17:22
1) Mal hören, wie die reden
2) Häuser zum Fürchten
3) "Wir wussten ja nichts!"
4) Guter Ort, abseits der Welt
Kaum ist die Sonne aufgegangen, sind die Mauerspechte bei der Arbeit. Drinnen wie draußen wird der Putz von den Wänden geklopft. Vermutlich hat man im inneren Kloster angefangen und arbeitet sich von Gebäude zu Gebäude nach außen. Wie hoch das Wasser überall gestanden hat, da braucht es vorerst keine Hochwassermarke. Es lässt sich ablesen am sauber frei gelegten Mauerwerk. Aus dem Erdgeschoss des Gästehauses St. Franziskus dringt das Scharren der Schaufeln. Am Abend ist der Boden vom Schutt befreit, bis zu den Schlauchleitungen der Fußbodenheizung.
Im Erdgeschoss der weiträumigen Propstei treffe ich den Hausmeister. Hier rauscht eine Kompanie fahrbarer Luftentfeuchter. Wie lange die schon laufen, frage ich. „Seit September.“ Ich wundere mich, dass auch im rundum geschlossenen Kloster das Wasser gestanden hat, wie auf den Luftbildern vom Hochwasser zu sehen ist. Er sagt, da sei ein Brunnen im Innenhof. Durch den sei das Wasser hochgekommen. „Solange die Pumpen liefen, hatten wir das im Griff, aber als das Wasser ringsum immer höher stieg, musste der Strom abgeschaltet werden.“ Man darf als gewöhnlicher Sterblicher diesen Innenhof nicht betreten, aber kann sich vorstellen, wie der Brunnen zum Entsetzen der Nonnen übergelaufen ist, wie es heraussprudelte und nicht zu deckeln, nicht aufzuhalten war. Da half auch kein Beten.
Die Nöte des Hausmeisters waren auch nicht klein. Er wohnt in Ostritz, wo ihm die Neiße durch Türen und Fenster kam. „Ich bin hin- und hergefahren, habe zu Hause alles Wichtige hochgestellt, aber als ich zurückkam, schwammen die Sachen unter der Decke. Er ist ein freundlicher Mann und lächelt bei seinem Bericht. „Sie können ja wieder lachen“, sage ich. Was bleibt ihm auch anderes übrig. Man kann ein solches Desaster vermutlich nur mit Humor überstehen. Überhaupt sind die Angestellten des Klosters von einer herzlichen Fröhlichkeit. Das Internationale Begegnungszentrum wird von den Nonnen gemanagt, und offenbar sind sie gute Arbeitgeber. Die Klostermauern verlassen sie nur selten. Nur einmal sehe ich im Morgenlicht zwei Nonnen vom Klostermarkt kommen. Eine junge Nonne in hellblauer Tracht stützt eine ältere Schwester, ein fast geisterhafter Anblick. Weniger heidnisch ausgedrückt: Die beiden strahlen eine durchgeistigte Ruhe aus, wie ich sie selten bei Menschen gesehen habe, dass muss ich abgefallener Katholik zugeben.
Im Gästeempfang, der noch auf die erste Etage verlagert ist, bitte ich um Nähzeug, die freundlichen Damen beratschlagen, eine telefoniert, und zur Mittagspause finde ich Nadel, Schere und zwei schwarze Garnröllchen auf dem Schreibtisch meines Zimmers vor, so dass ich meinen Knopf wieder an den Mantel nähen kann. Natürlich habe ich auch noch etwas anderes getan an diesem Tag, aber ich bin nicht hergekommen, um darüber zu berichten. Bei einem Rundgang in der Mittagspause finde ich entlang der Neiße Hochwasserschutzwände aus Neuwied am Rhein. Das ist nicht nur ein Gruß aus meiner Heimat, dem Rheinland, sondern zeigt mehr als Sonntagsreden, auch dieser Ort im entlegendsten Winkel gehört zu Deutschland und hat Anspruch auf unsere Solidarität.
Fortsetzung folgt
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2) Häuser zum Fürchten
3) "Wir wussten ja nichts!"
4) Guter Ort, abseits der Welt
Kaum ist die Sonne aufgegangen, sind die Mauerspechte bei der Arbeit. Drinnen wie draußen wird der Putz von den Wänden geklopft. Vermutlich hat man im inneren Kloster angefangen und arbeitet sich von Gebäude zu Gebäude nach außen. Wie hoch das Wasser überall gestanden hat, da braucht es vorerst keine Hochwassermarke. Es lässt sich ablesen am sauber frei gelegten Mauerwerk. Aus dem Erdgeschoss des Gästehauses St. Franziskus dringt das Scharren der Schaufeln. Am Abend ist der Boden vom Schutt befreit, bis zu den Schlauchleitungen der Fußbodenheizung.
Im Erdgeschoss der weiträumigen Propstei treffe ich den Hausmeister. Hier rauscht eine Kompanie fahrbarer Luftentfeuchter. Wie lange die schon laufen, frage ich. „Seit September.“ Ich wundere mich, dass auch im rundum geschlossenen Kloster das Wasser gestanden hat, wie auf den Luftbildern vom Hochwasser zu sehen ist. Er sagt, da sei ein Brunnen im Innenhof. Durch den sei das Wasser hochgekommen. „Solange die Pumpen liefen, hatten wir das im Griff, aber als das Wasser ringsum immer höher stieg, musste der Strom abgeschaltet werden.“ Man darf als gewöhnlicher Sterblicher diesen Innenhof nicht betreten, aber kann sich vorstellen, wie der Brunnen zum Entsetzen der Nonnen übergelaufen ist, wie es heraussprudelte und nicht zu deckeln, nicht aufzuhalten war. Da half auch kein Beten.
Die Nöte des Hausmeisters waren auch nicht klein. Er wohnt in Ostritz, wo ihm die Neiße durch Türen und Fenster kam. „Ich bin hin- und hergefahren, habe zu Hause alles Wichtige hochgestellt, aber als ich zurückkam, schwammen die Sachen unter der Decke. Er ist ein freundlicher Mann und lächelt bei seinem Bericht. „Sie können ja wieder lachen“, sage ich. Was bleibt ihm auch anderes übrig. Man kann ein solches Desaster vermutlich nur mit Humor überstehen. Überhaupt sind die Angestellten des Klosters von einer herzlichen Fröhlichkeit. Das Internationale Begegnungszentrum wird von den Nonnen gemanagt, und offenbar sind sie gute Arbeitgeber. Die Klostermauern verlassen sie nur selten. Nur einmal sehe ich im Morgenlicht zwei Nonnen vom Klostermarkt kommen. Eine junge Nonne in hellblauer Tracht stützt eine ältere Schwester, ein fast geisterhafter Anblick. Weniger heidnisch ausgedrückt: Die beiden strahlen eine durchgeistigte Ruhe aus, wie ich sie selten bei Menschen gesehen habe, dass muss ich abgefallener Katholik zugeben.
Im Gästeempfang, der noch auf die erste Etage verlagert ist, bitte ich um Nähzeug, die freundlichen Damen beratschlagen, eine telefoniert, und zur Mittagspause finde ich Nadel, Schere und zwei schwarze Garnröllchen auf dem Schreibtisch meines Zimmers vor, so dass ich meinen Knopf wieder an den Mantel nähen kann. Natürlich habe ich auch noch etwas anderes getan an diesem Tag, aber ich bin nicht hergekommen, um darüber zu berichten. Bei einem Rundgang in der Mittagspause finde ich entlang der Neiße Hochwasserschutzwände aus Neuwied am Rhein. Das ist nicht nur ein Gruß aus meiner Heimat, dem Rheinland, sondern zeigt mehr als Sonntagsreden, auch dieser Ort im entlegendsten Winkel gehört zu Deutschland und hat Anspruch auf unsere Solidarität.
Fortsetzung folgt