DAM - Nichts ist leichter zu finden als ein Plagiat

Der nachfolgende Text ist ein Plagiat. Alle vier Originaltexte müssten im Internet zu finden sein. Testen Sie Ihre Fähigkeiten als Plagiatsforscher. Viel Erfolg!


Ob die Eichhörnchen tatsächlich die Nüsse nicht wiederfinden, die sie im Herbst vergraben haben, weiß ich nicht. Vielleicht ist es nur ein Märchen und soll davon ablenken, dass der Mensch viel besser ist im Verlegen der Dinge. Einen Teil seiner Lebenszeit verbringt man mit Suchen. Es hat mit der Fülle der Dinge zu tun, die einen umgeben. Besonders flüchtig sind die flachen Dinge.

Objekte jeder Art habe ich schon weggelegt und auf lange Zeit nicht wieder gefunden. Dabei ist die Anzahl der Möbelstücke in meiner Wohnung überschaubar. Manchmal glaube ich, dass sich Dinge vor mir verbergen. Irgendwann nach ihrem eigenen Gutdünken tauchen sie wieder auf, entlocken mir ein „Ach-da-bist-du-ja!“ und geben meinem Leben einen unerwarteten Drall. Wie oft habe ich das Haus nicht verlassen können, weil ich meinen Schlüssel nicht fand. Wer weiß, was zum Beispiel gestern mit mir passiert wäre, wenn mein Schlüsselbund mich nicht zehnmal hätte hin- und herlaufen lassen, bevor es sich bequemte, Kuckuck zu rufen.

Hätte jeder Gegenstand in meinem Besitz ein eigenes Ich, würde also sich und mich wahrnehmen, dann würden die Gegenstände mir berichten, dass es ihnen ganz gleichgültig ist, wo sie gerade liegen, wenn’s nur bequem ist. Mein grobzähniger Kamm etwa könnte sagen, dass er genauso gut in meinem Jackett stecken wollte wie auch im Regal oder unter dem Tisch liegen. Selbst auf der Badablage unterm Spiegel hätte er schon gut gelegen. Wenn ich ihn also suchte, denn sei es mein, nicht sein Problem. Was ich nämlich als Ordnung empfinden würde, sei ein Wunschbild.

Wir reden von verlegten Dingen. Das gibt es auch in digitaler Form, als E-Mails mit Telefonnummern oder Passwort-Benachrichtigungen, die man vergessen hat aufzuschreiben; Bilder, Dokumente, die sich unauffindbar in Unterordnern von Unterordnern verstecken. Hier muss man zum Glück nicht mehr den Hl. Antonius anrufen, den Schutzpatron derer, die etwas verloren haben. Der digitale Schutzpatron ist entpersonalisiert, ein Befehlsverb, und heißt schlicht: "Such" oder als Befehlssatz: "Such, du Hund!"

Bald wird es diese Suchfunktion auch für Dinge geben. Einige von uns werden eine Dingwelt erleben, die sich mit einer Suchfunktion durchstöbern lässt. Schon heute haben moderne Produkte einen RFID-Chip. Er sitzt in Etiketten von Kleidungsstücken, unter Parfum- und Rasierwasserflaschen, Haustiere tragen ihn unter der Haut. RFID-Chips dienten ursprünglich der Warenverfolgung im Handel, und ich sage voraus, sie sind bald in so vielen Dingen verborgen, dass man sie über den privaten Computer suchen und auffinden kann. Du gibst in die Suchmaske: „Schnubbel“ ein, und schon sagt dir der Rechner, wo der „Schnubbel“ liegt. Da braucht man sich keine Gedanken mehr zu machen, wo man z.B. die ungeöffneten Briefe der G.E.Z. hingelegt hat. Sie rufen plötzlich aus mehreren Schubladen, hier bin ich!

Die Sache wird kein Segen sein. Denn der von der Erinnerung an sein Weglegen entlastete Mensch verliert eine weitere Notwendigkeit zu denken. Ja, Denken wird überhaupt bald gänzlich aus der Mode kommen. Wozu ist es eigentlich gut? Wir werden die Maschinen zunehmend für uns denken lassen. Dieser Prozess hat längst begonnen.

Was tritt an die Stelle des Denkens? Das Denken wird ersetzt durch Verzweifeln. Wir sitzen verzweifelt vor dem Rechner, weil ein Programm nicht funktioniert, verzweifelt versuchen wir die Hot-Line einer Telefongesellschaft zu erreichen, verzweifelt warten wir auf einen Techniker und gänzlich verzweifelt schauen wir auf die Anzeigentafel, wenn ein Zug mit 50 Minuten Verspätung angegeben wird. Das GPS-System im Auto versagt. Was geschieht? Der Fahrer verzweifelt. Und mühsam ächzend greift er nach der Karte, die so unhandlich aufzuschlagen ist, wo ein Weg mit den Augen herausgepiddelt werden muss, ach, man kann es schon gar nicht mehr, das ist ja wie zu Fuß gehen auf der Autobahn.

Die Dauerverzweiflung wird sich mit den Generationen in den Physiognomien niederschlagen. Die Augen rücken zusammen und die Augenbrauen hängen – es tritt auf: der DAM, das ist: der Dämlichste Anzunehmende Mensch, dem es noch nicht mal vergönnt ist, einen Schnubbel zu verlegen. Er hat jederzeit alles an der Backe. In ihrer höchsten Perfektion werden die Dinge den entmündigten Menschen herbeizitieren und ihn zu Handhabungen und Aktionen auffordern, weil es gut für ihn ist.
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