-chap- - 25. Okt, 13:34

Nur mal so

Hallo Trithemius,
an irgendeiner Stelle deiner letzten Einträge und Kommentare, die ich jetzt aber leider nicht wieder finde, hattest du die Einführung des Privatfernsehens für verantwortlich für den Verfall von Kultur erklärt ... so ähnlich.
Ich habe mir unterschwellig darüber noch weiter Gedanken gemacht und heute fiel mir dazu die Scheidungsreform aus den Siebzigern ein. Die Eheleute konnten sich fortan nach dem sogenannten Zerrüttungsprinzip scheiden lassen, was bedeutete, hatte einer von beiden keine Lust mehr auf Ehe und Ehepartner, konnte er sich recht bald scheiden lassen.
In der Folge kam die u.a. die Patchwork-Familie in Mode, viele scheidungsgeschädigte Kinder waren die Folge.
Heutzutage liest man, die neuen Generationen würden Ehe und Familie wieder ernsthafter nehmen.

Worauf ich hinaus will: ich meine, die Allgemeinheit der Menschen kann mit den ihnen gewährten Freiheiten oftmals nicht umgehen. (Das mag jetzt eine simple Erkenntnis sein, aber ich finde sie dennoch von Bedeutung.)
Ob dies Kalkulation derjenigen war und ist, die für diese Freiheiten verantwortlich sind, wäre die weitere Frage.

Grundsätzlich bin ich ja auch eine Anhängerin des bedingungslosen Grundeinkommens, nur kommt mir heute dazu auch der Zweifel in den Sinn, ob die Allgemeinheit der Menschen dafür auch die Reife hat und nicht auch diese Freiheit ins Verderben führt.

Viele Grüße

Trithemius - 25. Okt, 15:33

Hallo -chap-,

Das Zitat findest du weiter oben: "Der gesellschaftliche Konsens darüber, was man tut und was man besser lässt, der ist uns tatsächlich abhanden gekommen. Das lässt sich gewiss nicht monokausal erklären, aber nach meinem Empfinden begann der Niedergang mit der Zulassung des Privatfernsehens."

Ich habe meine Empfindung eingeschränkt ("nicht monokausal"), weil Entwicklungen innerhalb einer Gesellschaft natürlich auf ein komplexes Zusammenwirken verschiedener Faktoren zurückgehen und sich oft nicht entscheiden lässt, was ist Ursache, was ist Wirkung. Das veränderte Verhalten von Ehepartnern hat ja auch etwas mit dem sinkenden Einfluss der Kirche zu tun, woran die Kirche nicht unschuldig ist. Zudem hat sich in den 70ern ein Wandel bei den Geschlechterrollen vollzogen. Über Jahrhunderte waren Frauen wirtschaftlich abhängig von ihren Männern, konnten sich also auch nicht trennen, selbst wenn es notwendig war. Es ist gewiss nicht zu wünschen, dass Frauen nur deshalb mit einem Haustyrannen zusammen bleiben, weil sie wirtschaftlich abhängig von ihm sind. Die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Frau durch ein eigenes Einkommen aus beruflicher Tätigkeit brachte auch ein neues Selbstverständnis der Frau mit sich. Die daraus entstehende Emanzipationsbewegung war ja berechtigt, denn es wurde endlich ansatzweise verwirklicht, was schon im Grundgesetz steht, dass nämlich niemand wegen seines Geschlechts usf. benachteiligt werden darf. Und eine Ehe, in der beide Partner eigene berufliche Wege gehen, ist naturgemäß größeren Anfechtungen ausgesetzt. Die Patchworkfamilien sind demgemäß keine Mode, sondern die Folge gesellschaftlicher Entwicklungen.
Zustimmen kann ich dir bei dem Satz:" ... die Allgemeinheit der Menschen kann mit den ihnen gewährten Freiheiten oftmals nicht umgehen." Freiheit erfordert die Fähigkeit zu verantwortlichem Handeln, und die muss erst einmal trainiert werden. Es bedeutet, auf sich selbst zu achten und auf den anderen zu achten. In der neoliberalen Ellenbogengesellschaft sind diese Werte aber verkommen. Selbstachtung wird fälschlich als Egoismus propagiert, und Fremdachtung heißt heute Misstrauen oder Verachtung. Sich verächtlich über Schwächere zu äußern, gilt nicht als unfein, sondern wird von vielen Vertretern der Eliten vorgelebt.
Freiheit erfordert vor allem die Fähigkeit, sich selber Grenzen zu setzen. Die lässt sich aber nicht erzwingen durch Zucht und Kontrolle, sondern entwickelt sich nur langsam durch gute Vorbilder. Die Leitfiguren unserer Gesellschaft, die man als gute Vorbilder bezeichnen könnte, sind leider rar.

Viele Grüße
Trithemius
-chap- - 25. Okt, 18:00

Danke

für deine ausführliche Antwort, Trithemius.

Ich vertrete auch die Meinung, dass eine Ehe geschieden werden können sollte, wenn sie unzumutbar geworden ist und keine Absicht und Aussicht zu erkennen ist, daran etwas zu ändern.
Scheidungen gehörten nur nach der Reform nicht zu den Ausnahmen, sondern wurden recht beliebt, bei den Männern wie bei den Frauen. (Im Übrigen denke ich, es gibt genauso Haustyranninnen wie es Haustyrannen gibt.)
Denn ich habe die Einstellung, dass man auch schwierige und schwere Zeiten miteinander und in der Familie tragen sollte und sich nicht daraus entfernen und die Betroffenen, die als Last und lästig empfunden werden, anderen oder sich überlassen sollte.
Das ist doch auch das Phänomen der Gegenwart: Belastungen werden abgeschoben, wo das möglich ist. Wenn es nicht möglich ist, wird es irgendwie möglich gemacht. Probleme werden nicht dort angegangen, wo sie entstanden sind.
chap ...

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