KaterMurr (Gast) - 11. Dez, 10:11

# 1.
Die Ambulancenumma hat ooch schon eener bei mir versucht, sojar jleich zweema':
- primo: et klingelt, ick öffne die Düre. Steht'n Fatzke da mitt' app'n Arm dran, in die Uniform vonne Malteser. Quatschtma voll von wejen neue Ambulanz wird jetze janz dringend benöticht hier etc.pp. Icke janz verdutzt fasel wat vonn keene Kohle, keene Zeit und laß ma ma'; und wieda zu die Düre.
Nacher fühltickma irjendwie blümerant...

-secundo (Jahr[e] späta): et klingelt, ick öffne die Düre. Steht'n Fatzke da mitt' app'n Arm dran, in die Uniform vonne Malteser. Quatschtma voll von wejen neue Ambulanz wird jetze janz dringend benöticht hier etc.pp. Icke diesma etwas jejen den Strich jebürstet: "Nee, hörn'se ma uff mitti janzen Ambulanzen. Morjens, mittachs, abends und inne Nacht rasense durch unser sonst so kuschlijet Moabit, und die Sirenen wer'n ooch imma lauter. Im Bierjarten wird eenem sojar die Molle schal von. Ehrlich jesaacht sind ma det jetze schont viel zu ville!"
Wackelt die Flitzpiepe mit'm vabliem'n Arm, looft janz rot an inn't Jesichte - und is sowatt von eschoffiert, detta det Zuschlajn vonne Düre meinerseits janichma' hört...
Det nennick ma' nen schön' Erfolch!

# 2.
- (ca. 1994) Als Telegrammzusteller fahre über den Mierendorffplatz, als ein junger schmächtiger Herr mein Dienstfahrzeug anhält. Er sei, so eröffnet er mir mit starkem italienischen Akzent, ein Textilvertreter aus Mailand, sei gerade auf einer Messe hier in der Stadt gewesen, habe dann aber ein wenig über die Maßen dem Dolce Vita zugesprochen des Abends und habe auf diese Weise den Stand seiner Barschaft auf Null gebracht. Jetzt jedenfalls habe er kein (er wies auf seinen schmucken Alfa-Romeo am Straßenrand) Benzingeld mehr, um in seine Heimat zurückzukehren. Daher sehe er sich gezwungen, seine von der Messe übriggebliebenen zu verkaufen, siehe diese Lederjacke hier, Ladenpreis BlaBla €, in seiner Notsituation könne ich sie geschenkt haben, wenn ich ihm nur mit BlaBlub € Spritgeld aushelfen könne. Ich erwiderte kurz, daß die Lederjacken mein Ding nicht seien, und sein Lamento wurde vom Aufheulen meines Dienstdiesels übertönt, und im Rückspiegel konnte ich ihn noch lange wild gestkulieren sehen...
- (ca. 2002) Mit meinem Taxi fahre ich über den Mierendorffplatz. Junger Mann... Textilvertreter... Messe Berlin... Dolce Vita... nichts Bares... muß nach Hause... Benzingeld... Lederjacke... geschenkt... dröhnender Diesel... Choreographie im Rückspiegel...

conclusio
Neben dem Zauber der Wiederholungsschleifen im Alltag ist ja dann doch ein kleiner Unterschied in der Kriminellen Intention dieser kleinen liebenswürdigen Schufte zu bemerken:
#1 appeliert an unser Mitleid und benutzt dabei die Insignien einer als für das Allgemeinwohl tätigen Organisation. Weh' solchem Gelichter!
#2 sucht uns bei unserer Habgier zu packen. Solche Tendenzen des Alltagslebens haben mich schon des öfteren dazu verleitet, darüber zu reflektieren, ob nicht eine Reform des StGB anzuregen sei dahingehend, daß der Betrugsparagraph aus besagtem Gesetzeswerk gestrichen werden sollte. Hier werden doch im Vollzugsfalle beide Akteure zu Complicen, und im Ahndungsfalle gehörten eigentlich beide bestraft.
Allein wegen der Hundsföttigkeit der unter Masche #1 fallenden Kreaturen sollte der entsprechende § wohl besser doch beibehalten bleiben.
Ach, schlecht ist die Welt!

Trithemius - 11. Dez, 11:07

Herrlich,

werter Kater Murr. Vielen Dank für die erheiternde Darstellung. Mit O-Ton klingt natürlich alles viel besser. Hilfbereitschaft und Habgier sind wohl beides starke menschliche Motive. Auf Seiten der Betrüger ist auch viel Kreativität im Spiel. Seltsam finde ich jedoch, dass die Leute bei der Wahl ihrer Opfer so wenig Gespür haben, denn einen Kater, der mit allen menschlichen Tücken vertraut ist, den fragt man doch erst gar nicht.
KaterMurr (Gast) - 11. Dez, 13:09

Ja, wohl wahr, aber es wird dennoch immer wieder versucht.

Wie Mimiotschka schon andeutet, sind da ja noch die gesellschaftlichen Folgen zu beachten, und hier scheint eine weitere Masche, gewissermaßen als Weiterentwicklung von #2 in der letzten Zeit immer weiter um sich zu greifen:

#3
Es geht dabei um die Werbung als Spiegel unserer gesellschaftlichen Realität.

Ales begann in meiner Wahrnehmung irgendwann in den 1980er Jahren, als für ein fragwürdiges Kaffeeprodukt Fernsehwerbungspots geschaltet wurden, deren Albernheiten in dem Slogan kulminierten: "Frech kommt weiter, sagt Hubert!"

Letztens erst beging eine der übelbeleumundetsten Firmen (- eine mit sehr viel "Kleingedrucktem" -), die je im Gültigkeitsbereich des BGB und StGB tätig waren, ihr zehnjähriges Jubiläum in Deutschland. Deshalb spendierte uns der Mobilfunkanbieter eine Fernsehcampagne, in der "Geschenke" angeboten wurden in Form von Geräten etc. Es wurden junge Menschen abgefilmt, die rücksichtslos alle möglichen üblen Tricks anwandten, um an die vermeindlichen Gratisgaben heranzukommen (-die sich dann wohl bei Licht betrachtet als die allgemeine Betrugspraxis im "Tarifdschungel erwiesen haben dürften-).
Interessant war, daß man in der Firma wohl (zu Recht?) davon ausging, daß ihr fragwürdiges Geschäftsgebaren nicht nur sich allgemeiner Billigung erfreue, sondern daß ihre (potentielle) Kundschaft selbst schon vollkommen an Lügen und Betrügen ausgerichtet sei.
Betrug als gesellschaftlicher Konsens - so trifft es immer die Richtigen.

Was Wunder, daß man sich immer mehr über die um sich greifende Korruption in diesem Lande aufzuregen hat...
Trithemius - 11. Dez, 15:01

Hab gerade mal geguckt, weil ich den Slogan nicht kannte. Er stammt von 1980, und wirbt für Jacobs Swing. "Frech kommt weiter, sagt Hubert!", passt wohl in die Frühzeit der von Kohl angekündigten "geistig-moralischen Wende". Dann betrieb die CDU die Einführung des Privatfernsehens wegen der Meinungsvielfalt. Nach 30 Jahren sehen wir, wohin das geführt hat. Ich finde in diesem Zusamenhang den absolut dümmlichen Spot bezeichnend, in dem Boris Becker jemanden mit dem Golfschläger umhaut und statt Hilfe zu leisten seine Rechtschutz-Versicherung anruft: „Ich hab da mal ne Frage“
Bei solchen Vorbildern muss man sich über gar nichts mehr wundern.

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