Breilöffel, Rotzfänger und der Rest

Breilöffel-und-RotzfängerHab mal geguckt, ob die Stadt noch steht, nachdem ich ein paar Tage aushäusig gewesen. Obschon ich noch nichts Böses dachte, drohte mir der Koch Horst Lichter von zwei gegenüberliegenden Plakaten mit dem Breilöffel. Schon war’s aus mit der Gemütlichkeit, denn das mediale Tuten und Blasen ums Kochen geht mir gar schrecklich auf den Geist. Das ist einfach schräg, außerordentlich befremdlich und kennzeichnet ein scheinbares Paradoxon unserer Tage, das aber bei näherer Betrachtung gar nicht paradox ist, sondern absolut plausibel. Einerseits geht es um Geschmacksverfeinerung, was ja, für sich genommen, nicht verwerflich ist, angesichts einer um sich greifenden Verelendung unterer Schichten aber etwas erstaunlich Abgeschmacktes hat; erstaunlich wegen der Dreistigkeit, mit der die pure Fressgier propagiert wird. Da wird mir ganz flau in der Magengrube.

Wer es sich leisten kann, soll lecker essen. Meinetwegen können gutsituierte Geschmäckler den ganzen Erdball nach exquisiten Genüssen abgrasen, solange sie nicht mit vollem Maul herumtönen, was sie sich alles wo und wie in die Fressluke geschoben haben. Für meinen Geschmack ist da zuviel Speichel im Spiel. Wenn Alfred Biolek mit vorfreudig wässrigen Lippen über seinen Kochtöpfen schwafelt, dann wundere ich mich, dass der Sprühnebel aus herumfliegenden Spucktropfen noch niemals die Optik der Kamera getroffen hat. Sie steht vermutlich im sicheren Abstand, anders als der leckere Salat.

Um die kulinarische Geschmacksverfeinerung stets bestens. Es gibt bald mehr TV-Köche als Hausärzte im Osten, und gewiss reihen sich die Kochbücher mindestens einmal um den Erdball. Die Welt hat Hunger, und der HErr gibt Kochbücher. Und natürlich schmeckt den seinen alles noch mal so gut, wenn ringsum hohläugige Zaungäste stehen, die mit Rezeptbüchern nichts anfangen können, weil reiche Gierhälse ihnen die Zutaten geraubt haben.

Das scheinbar Paradoxe ging mir auf, als ich die heutige Bildschlagzeile las: Lothar Matthäus: Neuer Busen für seine Schülerin. Es besteht offenbar ein krasses Missverhältnis zwischen Verfeinerung von Esskultur oder Schülerinnenbusen und dem ganzen Rest, der sich weiter oberhalb abspielt. Der menschliche Geist kriegt jeden Dreck zu fressen. Er ist zum medialen Müllschlucker verkommen, weshalb er auch neuerdings nur noch Hirn genannt wird. Dem menschlichen Gehirn widmen sich nicht Köche, sondern Hirnforscher. Sie gucken sich an, was passiert, wenn im Kopf mediale Jauche verklappt wird und welche Konsistenz die Jauche haben muss, damit sie sich besonders gut verbreitet. Siehste, und das ist überhaupt nicht paradox. Denn es geht beim medialen Getöse um Bruzzeln und Busenschnibbeln nicht um Verfeinerung der menschlichen Sinne, sondern schlicht darum, eine verrottete Gesinnung in alle Köpfe zu spülen - im Zirkus des schlechten Geschmacks.
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