Landunter für Landratten

Seit viereinhalb Jahren bin ich in Hannover und hatte bisher nur Alkoholpegel steigen sehen. Jetzt aber sind die Pegel von Leine und Ihme in Hannover und seinem Umland deutlich gestiegen und können bei erneut drohenden Regenfällen noch weiter ansteigen. Daher war ich an dem einzigen schönen Tag der Woche als Katastrophentourist unterwegs und habe das Hochwasser in Hannover und den Leineauen dokumentiert. Dabei durchquerte ich leichtsinnig eine überflutetet Stelle des Wegs, stand aber machtlos vor einer gänzlich abgetauchten Brücke an einem kleinen Nebenarm der Leine, weshalb ich erneut durch die Furt musste, wobei meine Füße beim Radeln ins Wasser eintauchten.

Lies mehr ...
1703 mal gelesen

Schurz am Arsch

Gestern war Poschürzentag in Hannover. Wer morgens aus dem Haus gegangen war und eingedenk des Wetters der letzten Tage eine Jacke übergezogen hatte, dem war sie unter der Nachmittagssonne zu warm geworden. Modisch ganz Verwegene binden eine derart lästig gewordene Jacke als Poschürze um. Die Poschürze ist der Lendenschurz des Spießers. Mancher Spießerarsch verdient es durchaus, verhüllt zu werden. Allerdings ist dann die flappende Poschürze kaum schöner anzusehen als der Arsch darunter. So ein Fummel um die Beine scheint männliche Poschürzenträger an archaische Gewandungen zu erinnern, und sie stolzieren daher wie die alten Germanen, die höchstpersönlich an der Schlacht im Teutoburger Land teilgenommen haben.

Lies mehr ...
1063 mal gelesen

Oberhalb von Land unter – Die Wohnzimmerlesung

Von Hannover-Lindens Limmerstraße geht die Grotestraße ab, stößt vielmehr im rechten Winkel leicht bergan. Dieser Anstieg ist nicht etwa das Flusstal der Leine, sondern ein ferner Ausläufer des Lindener Bergs. Auf halber Höhe der Grotestraße liegt das Wohnzimmer und somit ganz sicher geschützt vor den Fluten, die derzeit Niedersachsen unter Wasser setzen. Der fabelhafte Filipe d’Accord und ich werden jedenfalls singen (er) und lesen (ich), dass kein Auge trocken bleibt. Wir danken dem Wohnzimmer-Verein, dass er uns ein gemütliches, trockenes Plätzchen zur Verfügung stellt, und laden herzlich ein.

Lies mehr ...
1031 mal gelesen

Wu wei und die Weisheit meiner Jacke

Als ich heute Morgen ein Ohr zum Fenster rausgehalten und ein Auge hinterher geworfen habe, da wusste ich schon, der autofreie Sonntag fällt ins Wasser. Leider war ich zur Fahrradsternfahrt mit einem flüchtigen Bekannten verabredet, dem ich jetzt absagen musste. Er hatte mir vor einigen Tagen seine Adresse auf ein Zettelchen gekritzelt und darum gebeten, dass ich ihn abhole. Das Zettelchen hatte ich in mein Notizbuch gesteckt. Das Notizbuch war in meinem Rucksack. Den hatte ich nach einer Feier bei Familie Shhhhh aber vergessen, wie ich überhaupt immer etwas vergesse, wenn ich ein bisschen zuviel getrunken habe, und in der vergangenen Nacht habe ich noch ein bisschen mehr als ein bisschen zuviel getrunken. Das hätte gereicht, mindestens zwei Rucksäcke zu vergessen, weshalb ich ersatzweise noch mein Mobiltelefon vergessen hatte. Ich musste also am heiligen Sonntagmorgen bei Familie Shhhhh an der Haustür klingeln, konnte mich aber nicht mal telefonisch anmelden, weil die Telefonnummer ja auf meinem Mobiltelefon gespeichert war, das bei ihnen lag.

Lies mehr ...
985 mal gelesen

Papiere des PentAgrion - 2.8 Ein Netz wird zerfetzt

Papiere des PentAgrion bd 2
Schalt dein Radio ein:
TT-Musik von: The Bear That Wasn't - Your Huckleberry Friend

Folge 2.1 Die Macht der Jacke - Folge 2.2 Von den Socken - Folge 2.3 Realer Ruch des Blutes - Folge 2.4 Der Autor ist verwirrt - Folge 2.5 Planet der Postboten - Folge 2.6 Forschungsreise durch den Kopf und andere Netze - Folge 2.7 Große Welt ist kleine Welt

Draußen hebt ein Sturm an, schüttelt und rüttelt alles durch, was sich nicht halten kann, erfasst auf dem Bahnhofsvorplatz Metalltische und Stühle und schleudert sie umher. Eine Weile setze ich mich auf eine Bank und lasse mich zausen, lasse mir vom Sturm den Kopf zu Recht rücken, bis der von Coster vorhergesagte Regen aufkommt. Da flüchte ich in den Bahnhof und gehe auf den Bahnsteig.

Bald sitze ich im Taxi nach Stolberg. Wir machen eine hübsche Erinnerungstour durch die Stadt. Es ist nicht so, dass ich mit dem Taxi habe nach Stolberg fahren wollen. Die Deutsche Bahn hat mich dazu genötigt. Einst muss die Bahn ein Muster an Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit gewesen sein. Da warb sie mit dem Slogan: „Alle reden vom Wetter. Wir nicht.“ Dieses robuste, ja, stoische Image hat sie längst verspielt. Die Bahn ist heute ein filigranes Netzwerk von höchst fragiler Natur. Das Gebilde Bahn gerät aus den winzigsten Anlässen sofort aus dem Takt, beispielsweise wenn Wetter ist, also Kälte, Hitze, Sturm oder Gewitter. Ja, selbst wenn ein Verantwortlicher an den Schaltstellen nur ein Fürzchen quer sitzen hat, pflanzt sich diese kleine Unpässlichkeit über das filigrane Netzwerk fort, richtet hier und da erste Schäden an, die im weiteren Verlauf kulminieren, sich zu wahren Unwettern aufblähen und in der Folge als Tornado den gesamten Bahnverkehr zum Erliegen bringen.

Dem stofflichen Netzwerk der Bahn fehlt Redundanz, es fehlen alternative Verbindungen, auf der sich eine Störung umgehen lässt. „Früher“, sagt ein hilf- und ratloser Lokführer aus der Tür seiner Lok heraus, „früher wären sofort zwölf Mann ausgerückt, um die Schäden an der Strecke zu beseitigen. Aber heute müssen die erst zusammengerufen werden.“ Seine Lok steht still auf dem Bahnhof von Stolberg, wohin die Reisenden mit dem Taxi gekommen sind. Ab Stolberg werde ein Zug fahren, hatte man uns gesagt. Aber diese Information gilt nicht mehr. Der Furz aus dem Bahnvorstandssessel war leider verheerend. „Wann es weiter geht, weiß ich auch nicht“, sagt der Lokführer. „Die Strecke ist nicht frei.“ Nie zuvor hätte ich gedacht, dass die gewaltigen Lokomotiven, die so eine immense Kraft und Geschwindigkeit entfalten können, von Männern gesteuert werden, die nichts wissen. Die Unwissenheit aber ist eine Begleiterscheinung fragiler Netzwerke. Solche Netzwerke sind streng hierarchisch organisiert. Das Wissen verdünnt sich von oben nach unten, denn es ist per Definition Herrschaftswissen und festigt die Macht der Entscheidungsträger. Es heißt, schlanke Netze seien kostengünstiger und effektiver. Verschlankung bedeutet aber Ausdünnung. Was nicht oft gebraucht wird, kommt weg. Weg kommt auch, was mehr Kosten verursacht als es beim Normalbetrieb einbringen könnte. Da nun aber der Normalbetrieb von unzähligen Faktoren gestört werden kann, sind wir also auf dem Stolberger Bahnsteig gestrandet. Mich erwartet niemand, aber um mich herum wird heftig diskutiert und geflucht, weil man Termine hat.

Bahnreisende sind üblicherweise eine Zwangsgemeinschaft, und das Kennzeichen solcher Strukturen ist die gegenseitige Abschottung. Daher fließt im Netzwerk der Bahnkunden selten eine Information, die über das Gucken, Schubsen und Anrempeln hinausgeht. Im Netz der Bahn werden Informationsträger befördert, die zu anderen Netzwerken gehören. Ein Menschentransportmedium kann natürlich auch gesellig sein, zumindest einst ist es so gewesen, als die Menschen noch in den unbequemen Rollwagen saßen, dessen Wände hochgeflochten waren, so dass man nicht hinaussehen konnte. In Jörg Wigrams Rollwagenbüchlein aus dem Jahr 1555 sind die Schwänke versammelt, die man sich zur Reiseunterhaltung erzählte. Offenbar hat die Kommunikationsbereitschaft des postmodernen Menschen enorm unter der Verstädterung und der Ausweitung seines privaten und beruflichen Netzwerkes gelitten, hat sich dadurch verdünnt und ist eigentlich zum Stillstand gekommen unter Fremden. So geht es auch jetzt auf dem Bahnsteig von Stolberg. Zuerst müssen alle in ihr Mobiltelefon sprechen und die aktuellen Wasserstände melden, wo sie sind, was passiert ist, dass niemand was weiß. Und Rückrufe kommen.

„Nein, niemand weiß, wann es weitergeht!“

Das ist zweifellos eine wichtige Information, die über die diversen Funknetze verbreitet werden muss. Sie zieht in den Äther hinaus, einmal um den Mond und zurück, wird von diversen Satelliten weitergeleitet, zurückgestrahlt in Parabolantennen, umgewandelt und wieder in die Funknetze eingespeist, um hier und da in Köpfe zu flutschen: "Keiner weiß was, ich weiß auch nichts." Es ist klar, dass sich Informationen verdünnen, je größer und dichter ein Netzwerk ist, in dem sie herumschwirren. Wie Autobahnen Verkehr erzeugen, so erzeugt jede Datenautobahn Informationen, die es nur gibt, weil die Datenautobahn da ist. Und je höher die Nachrichtendichte, desto redundanter werden Informationen. Auf einen Großteil könnte man verzichten, ohne den Informationsgehalt zu senken. Zusätzliche Fernkommunikationsnetze wie Internet und Festnetzanschluss, sie alle in Kombination bewirken nicht nur ein Absinken des Informationsgehalts der digitalen Nachrichten, die Nachrichten können sich auch gegenseitig stören, überholen, den zeitlichen Ablauf durcheinander bringen.

Anders ist das bei stofflichen Netzen wie bei der Bahn oder einer Solidargemeinschaft, die sich aus Gründen höherer Gewalt zu einem losen Netz zusammenschließt. Denn nachdem auch der letzte dreimal herumtelefoniert hat, dass niemand was weiß, besinnt man sich auf die Leute in der Umgebung. Das Niederliegen des Beförderungsnetzes lässt ein unmittelbares, menschliches Netz entstehen. Horror vacui, die Angst der Natur vor dem leeren Raum. Dieses neue soziale Netz ist nur eine Augenblicksbildung, aber sie lässt ahnen, wie die Welt anders und besser sein könnte, wenn die Menschen mehr miteinander reden würden, Aug in Aug und nicht per Fernkommunikation. Im Laufe der holprigen Reise sollte ich jedenfalls eine Reihe Leute kennen lernen und die kurzweiligste Bahnreise meines Lebens haben, die ich je alleine unternommen habe.

Fortsetzung: In Vorbereitung

Registratur_Gif-twoday
E I N H A R D S _ I N D E X
Das systematische Verzeichnis zu den Papieren des PentAgrion - erhellende Zitate, Hintergrundinformationen, Spekulationen, interne & externe Verknüpfungen, PentAgrion in anderen Blogs


Schlüssel zu den Papieren des PentAgrion,
weitere Handlungsstränge und diverse Verknüpfungen
1968 mal gelesen

Deutschland braucht den Kochwaschgang

Jeden Morgen sieht Deutschland frisch gewaschen aus, doch richtig trocknen darf es nicht, denn spätestens mittags kommt die nächste Vorwäsche und am Abend dann der Hauptwaschgang mit heftigem Landregen. So geht das tagein, tagaus, und man fragt sich, ist Deutschland das beliebteste Land der Welt, weil es so oft gewaschen wird? Aber wer macht es immer wieder dreckig? Man muss nicht lange nach unappetitlichen, schmierigen Erscheinungen suchen, findet rasch solche wie FDP-Chef Philipp Rösler, wie er sich mit dem reichlich verkommen wirkenden Bild-Chefredakteur Kai Diekmann in den Armen liegt.

Lies mehr ...
1019 mal gelesen

Mein Lieblingswitz trägt Bart

„Wenn ich meine Frau küssen will“, sagt der Japaner, „muss ich in die Knie gehen. Aber nicht, weil ich so groß bin, sondern weil unsere Frauen so zierlich sind.“

„Wenn ich meine Frau umarmen will“, sagt der Araber, „muss ich meine Arme ganz weit ausbreiten. Aber nicht etwa, weil ich so kurze Arme hätte, sondern weil unsere Frauen so wunderbar drall sind.“

„Wenn ich“, sagt der Deutsche, „meiner Frau einen Klaps auf den Hintern gebe, bevor ich zu Arbeit gehe, dann wackelt der noch, wenn ich zurückkomme. Aber nicht etwa, weil meine Frau so einen dicken Hintern hätte, sondern weil wir in Deutschland so kurze Arbeitszeiten haben.“

Lies mehr ...
1249 mal gelesen

Zwischen Sechs und Zehn und ein lachender Mund

Die Uhr zeigte mir einen Lachmund, als ich heute Morgen zum zweiten Mal aufwachte. Das erste Mal wars grad sechs Uhr gewesen, ich hatte mich noch mal hingelegt, war wieder eingeschlafen, und wie ich aufwache, lacht meine Uhr mich an. Ich hätte gedacht, die Zeigerstellung zehn nach zehn, die den Lachmund markiert, wäre längst privatisiert und in den Dienst der Juweliere und Uhrenverkäufer gestellt. Es muss bereits am Anfang des Irrenparadieses geschehen sein, das wir Konsum- und Warenwelt nennen, dass man eine an sich nicht übel beleumundete Zeigerstellung ergriffen und pervertiert hat.

Lies mehr ...
1071 mal gelesen

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Teppichhaus Trithemius / Teestübchen Trithemius

Aktuelle Beiträge

Die Papiere des PentAgrion...
<img alt="Papiere des PentAgrion bd 2" style="margin:5px;"...
Trithemius - 23. Apr, 13:18
Die Papiere des PentAgrion...
Folge 2.1 Die Macht der Jacke - Folge 2.2 Von den Socken...
Trithemius - 3. Feb, 09:49
Papiere des PentAgrion...
Folge 2.1 Die Macht der Jacke - Folge 2.2 Von den...
Trithemius - 3. Feb, 00:20
Die volle Wahrheit über...
Dienstagmorgen kurz vor der Teestübchen-Redaktionskonf ernenz....
Trithemius - 25. Apr, 19:16
Besser aufrecht sterben,...
Besser aufrecht sterben, als mit kalten Knien leben! Nach...
Lo - 25. Feb, 17:03
An einem Sonntagmorgen...
Allmorgendlich klappe ich den Tagesschau-Feadreader...
Trithemius - 25. Feb, 10:45
Teestübchen Humorkritik...
Morgens werde ich wach, ist mein Humor weg, die heitere...
Trithemius - 13. Feb, 17:30
Hallo Melanie,
welch eine Überraschung. Du bist mir offenbar nicht...
Trithemius - 3. Jan, 17:02

RSS Box

Links

Suche

 

Kalender

Mai 2025
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
 
 
 
 

Web Counter-Modul

Status

Online seit 6644 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:09

Credits


Abendbummel online
Bild & Text
Ethnologie des Alltags
Frau Nettesheim
freitagsgespräch
Gastautoren
Hannover
Internetregistratur
Kopfkino
Pataphysisches Seminar
Pentagrion
Schriftwelt im Abendrot
surrealer Alltag
Teppichhaus Intern
Teppichhaus Textberatung
Textregistratur
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren