Einiges über die Grenze des Sagbaren

„Die Stadt wird Zeitung“, schreibt die niederländische Punkdichterin Diana Ozon in einem Gedicht über Graffiti. Ihr Sprayer-Gedicht „Klick klick klick“ entstand in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts, als Graffiti noch Botschaften transportierten. Heute überwiegen die unleserlichen Tags, die in etwa die Funktion von Revier- oder „Ich-war-hier-Marken“ haben. Eine Zeitung mit redaktionellen Inhalten ist das Straßenbild einer Stadt heute nicht mehr, sondern ein einziges großes Anzeigenblatt. Die Plakatanschläge dieses Anzeigenblattes werben und informieren nicht nur, sie geben überdies Zeugnis von einer Qualität der materiell verbreiteten Grafik und Schrift, die bei digital verbreiteten Texten fehlt. Die Texte der Wandzeitung altern, wie auf dem Foto zu sehen.

Zuerst war da nur der neutrale Anstrich des Hauses. Dann wurde das unleserliche rote Tag aufgesprüht. Darüber klebt das Plakat eines Aachener Event-Veranstalters. Das jüngste Plakat wirbt für ein Rockpalast-Konzert. Auf dem Kasten darunter sind die Zeitstufen noch dichter gestaffelt. Was nicht mehr gilt, ist überklebt und trotzdem weiterhin präsent, bis alles von Sturm und Regen oder vom Kasteneigner heruntergeholt wird. Dann sind die Plakate weg, und mit ihnen sind ihre Botschaften verschwunden.
Bitte ein wenig Geduld, der Text geht gleich weiter.
Die-Stadt-wird-Zeitung02

Schriftwelt im Abendrot
1604 mal gelesen
graphodino (Gast) - 11. Mai, 00:57

...und ich frage mich jetzt...

... ob man ermitteln könnte, wie lange eine Fassade aufrecht erhalten wird nur durch durch die darauf angebrachten Medienträger; nicht völlig jedenfalls gebricht es mir am Spielerischem, meint

Der G.

Trithemius - 11. Mai, 12:38

Kleister und Papier

bilden zusammen so etwas wie Pappmaché und dieses Material hält recht gut. Man könnte also theoretisch ein Hausmodell mit Plakaten zukleistern und nach dem Trocknen und Lackieren die Wände von innen entfernen. Dann hätten wir ein Haus in Fertigbauweise. (Zeitungspapier wäre besser, weil es saugfähiger ist) Wie die Wärmedämmung ist, wäre noch zu testen.
Ein Amerikaner hat übrigens ein Segelboot aus Pappmaché gebaut, habe ich mal in einem Buch über Papierverwendung gelesen.
immekeppel (Gast) - 11. Mai, 12:54

das mit den affen gefällt mir, allerdings haben sie ein nicht so langes leben wie z. b. thomas mann, der ja auch sehr viel zeit damit verbrachte, literatur zu verfassen....

und ich kann nicht mehr so schnell lesen, habe ich gemerkt - man verlernt das handschriften-lesen, wenn man damit wenig zu tun hat (vielleicht sollte ich mal wieder vermehrt die hausaufgaben meiner kinder kontrollieren, hm...)

Trithemius - 11. Mai, 12:59

Dass du Thomas Mann und schreibende Affen in einem Atemzug nennst, finde ich lustig.

Leider habe ich zu spät gemerkt, dass die Texte etwas länger stehen bleiben müssten. Es liegt gewiss nicht an dir - und es ist ja auch nicht gut, wenn man sich beim Lesen gehetzt fühlt.

Werd's ändern, weil du es bist.

Schon passiert. Jetzt in Sekunden ...
Foto: 10, Texte: 25, 20, 20, 15, 15, 15, 15
Prinz Rupi - 11. Mai, 21:05

Worauf wartest Du denn noch, lieber Jules?

Schreib einen »Faust« auf einen Bierdeckel,
das liest sich schnell und hat enormen Gebrauchswert!

Einen lieben Abendgruß!
Rupi

Trithemius - 11. Mai, 22:05

Gute Idee!

Dann muss ich wohl morgen mal ins Last Exit gehen, mein Prinz, und mir einen Bierdeckel besorgen.

Lieben Gruß
Jules
Prinz Rupi - 11. Mai, 22:24

»Last Exit« klingt jedenfalls sympathischer als »Bierhimmel« und spornt den Meister bestimmt enorm an.

Irgendwie fühle ich mich übrigens bei Dir wie in der Sendung »Als die Bilder laufen lernten«, es fehlt nur noch die Piano-Untermalung. Vielleicht kann Herr Kurzweil assistieren?
Trithemius - 12. Mai, 12:45

Piano-Untermalung ...

bei einer Slapstick-Animation wäre schön. Doch grad bin ich ein bisschen lustlos, weil es zu still im Teppichhaus zugeht. Und martin kurzweil bloggt schon seit März nicht mehr.
Prinz Rupi - 12. Mai, 12:55

Stille im Teppichhaus

Die Bloggerszene verändert sich sehr schnell. Viele derjenigen, die wir gemeinsam als Freunde hatten, sind inzwischen wieder ausgestiegen oder pausieren. Wie ich bei Deinem Ausstieg bei blog.de schon vermutete, musst Du jetzt wieder bei Null beginnen, ein Blog-Provider-Wechsel bringt keinen einzigen neuen Leser, und viele alte haben die Lust verloren.
Trithemius - 12. Mai, 13:08

Verrückt ist, ich hatte bei Blog.de noch nie so viele Leser wie im April und auch jetzt im Mai. Allerdings kommentiert kaum je einer, und hierhin zu kommen, ist vielen offenbar zu lästig. Das ganze ist auch ein Zeitproblem, denn ich hab soviel anderes zu tun, und das wird sich in den nächsten Monaten kaum ändern. So komme ich nicht immer zum Schreiben und vor allem nicht dazu, nach interessanten Blogs Ausschau zu halten.
immekeppel - 12. Mai, 14:58

da freu ich mich

vielen dank und dann auch noch extra wegen mir eine änderung. fühle mich geehrt

Trithemius - 13. Mai, 23:55

Stets zu Diensten, Verehrteste.
la-mamma - 13. Mai, 22:39

digitale texte im internet

sterben aber einfach so dahin. fragen sie mich, ich lauschte erst letzte woche den klagen zweier archivare. als menge an information stelle man sich zweiundsiebzig bücherstapel von der erde bis zum mond vor. wahrscheinlich sind es heute aber schon mehr.vor allem zweiter archivar schien mir ein recht gequältes leben zu führen - er nannte sich medienarchivar ...

Trithemius - 13. Mai, 23:52

Ja, die Textmenge ist enorm, ...

... und ich kann mir vorstellen, dass als man Archivar man vor der Fülle glatt kapitulieren mag. "Der Unendlichkeit ist mit Systematik nicht beizukommen."
http://wiki.luftschiff.org/index.php?title=Die_unendliche_Bibliothek
Nanina (Gast) - 14. Mai, 11:25

Seit ich diesen Blog http://www.fubalu.ch/blog/ kenne bin ich eine grosse Anhängerin Zürcher Streetart! :)

Künstlerich interessante Montage, jedoch, das Wissen scheint mir auch aus dem Internet zu stammen... Die Bibliothek von Alexandria wurde kaum verbrannt (Propaganda) und das mit den 700'000 Rollen ist eine Phantasiezahl....

Digitale Texte sind gefährdeter als Texte auf Pergament oder noch besser Stein.

Und dass es nicht Neues unter der Sonne gibt, behauptet man auch schon lange. Es gibt Neues, aber alles Neue hat alte Wurzeln. Aber LordChandos hätte vielleicht nicht an Pilzvergiftung gelitten, wäre ihm Leibniz' Rechnung bekannt gewesen :)

Literarische Affen eignen sich nicht, um Thomas Mann auszulachen! Ich sage nur Rotpeter und Lolita.

Trithemius - 14. Mai, 18:56

Zürich hat ja mit Harald Naegeli ....

... einen wichtigen Vorläufer der Streetart. Ich freue mich stets, wenn ich solche Botschaften unter dem Wust von Tags finde.
Dass die Bibliothek von Alexandria NICHT abgebrannt ist, glaube ich erst, wenn du mir den Beweis lieferst, vielleicht per Zeitreise? Hab's nicht aus dem Internet, sondern bei Werner Ekschmitt gelesen und anderen älteren Quellen. Im Internet fand ich jedoch, dass "neuere Forschung" die Version vom Brand anzweifelt. Auch die Zahl der Schriftrollen ist nicht gesichert, und die Schätzungen gehen auseinander, da hast du Recht. Einigen wir uns, dass es eine große Bibliothek mit sehr vielen Schriftrollen war und dass es sie nicht mehr gibt?
Der einzelne digitale Text ist in der Tat gefährdet wegen der kurzen Lebensdauer der Speichermedien. Doch indem sich ein Text auf viele tausend Rechner-Festplatten verteilen und zudem auch ausgedruckt werden kann, ist er dann doch sicherer als ein Unikat auf Stein oder Pergament. Die Inschriften in Ogom-Runen sind z.B. auf die Steinkante geritzt. Da die Kanten der Steine meist zuerst bröckeln, sind nur wenige Inschriften komplett erhalten. Der Runenforscher Finn Magnusson soll gar Felsrisse als Runen gelesen haben. Und die unzähligen Palimpseste auf Pergament oder Papyros vermitteln oft nur noch eine Idee von den abgeschabten Texten.

Hätte die Rechnung von Leibnitz den armen Lord Chandos nicht noch mehr an der Sprache verzweifeln lassen?

Und meinst du, ein Affe kann wie Rotpeter zum Mensch werden, wenn man ihn das Schreiben lehrt? Die Zeichensprache kann man ihm ja beibringen.

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