Teestunde (2) - Heute mit Gebäck
von Trithemius - 9. Dez, 14:28
Früh sinkt am Nachmittag die Dunkelheit herab, Zeit zu lesen. In der Reihe „Teestunde im Teppichhaus“ erscheinen unterschiedlich lange Beiträge zu den Bedingungen von Lesen und Schreiben, - ein Bummel durch die Jahrtausende der Schriftkultur, ausgehend von Phänomenen des Alltags. Der heutige Beitrag ist die erste Folge zum Thema Buchstabenmagie - Essen von Schrift.
"Woher die russischen Buchstaben stammen, die man bis 1914 als schmackhaftes Gebäck zu essen bekam, weiß ich leider nicht", bekennt der Altphilologe Franz Dornseiff (1888-1960) in seinem grundlegenden Werk: "Das Alphabet in Mystik und Magie" (Leipzig, Berlin 1925). Das Essen von Schrift sei jedenfalls uralter magischer Brauch.
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wurde Russisch Brot von zwei Firmen hergestellt, von der Dresdener Waffelfabrik Gebrüder Hörmann (Ende 19. Jahrhundert) und der Hannoverschen Cakes-Fabrik H. Bahlsen (seit 1906), zunächst als „Leibniz-ABC“. Die Dresdener Spezialitätenbäckerei Dr. Quendt produziert Russisch Brot seit 1959. Derzeit vertreibt sie ihr Produkt über die Handelskette EDEKA. Die Packung enthält nur die Buchstaben EDKA, weshalb sich kaum was damit schreiben lässt außer: DA, EDE, DEAD, DEKADE - und EDK.
Auf der Dr.-Quendt-Packung ist folgende Herkunfts-Geschichte abgedruckt:
Auf der Homepage der Firma findet sich eine zweite Version:
Plausibler erscheint, was mir am 24. Mai 1989 die Gebäckfirma Bahlsen brieflich mitteilte: Der Name Russisch Brot habe gar nichts Geheimnisvolles. Er leite sich von "Rösches Brot" her (rösch = knusprig). Die Bezeichnung "Russisch Brot" beruhe auf einer volksetymologischen Umdeutung. Man bedankte sich für mein Interesse an dem "knackigen und knusprigen Gebäck, das im wesentlichen aus Eiweiß, Zucker und Kakaopulver besteht" mit einer "Tüte ABC". Die Entmystifizierung von Russisch Brot schien gelungen. Allerdings ging am selben Tag mein Auto kaputt.
Russisch Brot als Schrifttype wird übrigens von Linotype und Data Becker angeboten. Die im Schriftzug verwendete Variante Russianbread von Data Becker hat nur Versalien und Kapitälchen, die Linotype-Version hat Groß- und Kleinbuchstaben ...
... und könnte deshalb in den kleinen Schriftgraden theoretisch als Brotschrift eingesetzt werden, was jedoch unerfreulich für die Augen wäre. Wie erfreulich Russisch Brot von Covo, Hausmarke der Handelskette Penny, für Gaumen und Zunge ist, dazu werden hier Erfahrungsberichte ausgetauscht. Vielleicht haben das aber auch Marketingfachleute im Auftrag von Penny geschrieben.
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"Woher die russischen Buchstaben stammen, die man bis 1914 als schmackhaftes Gebäck zu essen bekam, weiß ich leider nicht", bekennt der Altphilologe Franz Dornseiff (1888-1960) in seinem grundlegenden Werk: "Das Alphabet in Mystik und Magie" (Leipzig, Berlin 1925). Das Essen von Schrift sei jedenfalls uralter magischer Brauch.
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wurde Russisch Brot von zwei Firmen hergestellt, von der Dresdener Waffelfabrik Gebrüder Hörmann (Ende 19. Jahrhundert) und der Hannoverschen Cakes-Fabrik H. Bahlsen (seit 1906), zunächst als „Leibniz-ABC“. Die Dresdener Spezialitätenbäckerei Dr. Quendt produziert Russisch Brot seit 1959. Derzeit vertreibt sie ihr Produkt über die Handelskette EDEKA. Die Packung enthält nur die Buchstaben EDKA, weshalb sich kaum was damit schreiben lässt außer: DA, EDE, DEAD, DEKADE - und EDK.
Auf der Dr.-Quendt-Packung ist folgende Herkunfts-Geschichte abgedruckt:
Auf der Homepage der Firma findet sich eine zweite Version:
Eine andere Geschichte erzählt von einem Empfang russischer Gesandter am Wiener Hof im 19. Jahrhundert. Dort hat der Hofbäcker anlässlich des hohen Besuches beim Wiener Kongress 1814/1815 ein Gebäck entwickelt, welches die russischen Gepflogenheiten - zur Begrüßung eines Gastes wird ein Stück Brot serviert - und dem feinen Geschmack der Wiener, verbinden sollte. So fand man ein nach Karamell schmeckendes Eiweißgebäck und nannte es Russisch Brot.Beide Fassungen wirken wie Ätiologische Sagen (Erklärungssagen).
Plausibler erscheint, was mir am 24. Mai 1989 die Gebäckfirma Bahlsen brieflich mitteilte: Der Name Russisch Brot habe gar nichts Geheimnisvolles. Er leite sich von "Rösches Brot" her (rösch = knusprig). Die Bezeichnung "Russisch Brot" beruhe auf einer volksetymologischen Umdeutung. Man bedankte sich für mein Interesse an dem "knackigen und knusprigen Gebäck, das im wesentlichen aus Eiweiß, Zucker und Kakaopulver besteht" mit einer "Tüte ABC". Die Entmystifizierung von Russisch Brot schien gelungen. Allerdings ging am selben Tag mein Auto kaputt.
Russisch Brot als Schrifttype wird übrigens von Linotype und Data Becker angeboten. Die im Schriftzug verwendete Variante Russianbread von Data Becker hat nur Versalien und Kapitälchen, die Linotype-Version hat Groß- und Kleinbuchstaben ...
... und könnte deshalb in den kleinen Schriftgraden theoretisch als Brotschrift eingesetzt werden, was jedoch unerfreulich für die Augen wäre. Wie erfreulich Russisch Brot von Covo, Hausmarke der Handelskette Penny, für Gaumen und Zunge ist, dazu werden hier Erfahrungsberichte ausgetauscht. Vielleicht haben das aber auch Marketingfachleute im Auftrag von Penny geschrieben.
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