Eskalierte Ordnung
von Trithemius - 25. Feb, 18:35
Welche Ordnung ein Ladenlokal haben sollte, hängt vom Warenangebot und davon ab, was man in die Auslage legen will. Auf dem Foto setzt sich die spezielle Ordnung des Schaufensters im Laden fort. Wer also ins Schaufenster hineinschaut, sieht genau, was er zu erwarten hat. Und sollte es ihn hineintreiben, weil die Ladenordnung der Ordnung seines Kopfes entspricht, wird er beim Betreten des Ladens nicht überrascht sein, obwohl sich freilich am hinteren Ende des Ladens die Tür zu einem exklusiven Einkaufparadies auftun könnte. Es ist nicht wahrscheinlich, doch andererseits auch nicht zu bestreiten, es sei denn, man würde sich durch den Laden wühlen und nachschauen.
Träfe man einen Menschen, der gerade noch Kunde des Ladens gewesen, dann würde man sich vielleicht wundern, wenn er ganz adrett gekleidet wäre, frisch frisiert und geputzt. Es ist nämlich so, dass die Auslagen eines Menschen nicht immer darauf schließen lassen, welche Ordnung in seinem Kopf herrscht. Darum hält sich der Mensch ja an bestimmte Bekleidungskonventionen. Diese Konvention anonymisiert ihn ein wenig und lässt nur geringe Rückschlüsse auf seine Persönlichkeit zu.
Wer zum Beispiel bei einem Formel-1-Rennen den exklusiven Paddock-Club im VIP-Bereich der Boxengasse besuchen will, braucht einfach nur eine Eintrittskarte zu etwa 3000 Euro und geputzte Schuhe, weshalb man an der Pforte auch einen Schuhputzer bereitstellt. Es geht dort wie in vielen Bereichen des Lebens nur um die Auslagen eines Menschen. Es kann einer ein reicher Steuerhinterzieher sein oder der russischen Mafia angehören, stimmt das Outfit, sind die Schuhe geputzt, ist er gesellschaftsfähig.
Nur Narren spiegeln ihr Inneres nach außen, denn ein jeder würde seine Gesellschaftsfähigkeit verlieren, wenn er so närrisch wäre. Allerdings wächst die Neigung zum Exhibitionismus und gleichsam wächst die Lust, die Vergehen der Mitmenschen an die Öffentlichkeit zu bringen, sich und andere quasi in ein Schaufenster zu stellen. In diesem Zusammenhang ist ein neues Wort in der Sprache aufgetaucht, ein Homonym zu eskalieren. „Eskalieren" ist ursprünglich ein rückbezügliches Verb, man kann sich eskalieren, was soviel heißt wie „sich stufenweise steigern“. Auch eine Situation kann eskalieren. Das neue Wort „eskalieren“ ist eine direkte Übersetzung aus dem Englischen; to escalate bedeutet, ein Problem mit dem Verantwortlichen zu besprechen. Dieser Anglizismus „eskalieren“ wird also zielend verwendet. Man kann etwas eskalieren, was soviel bedeutet, dass man einem Vorgesetzten eine Information zukommen lässt, eventuell um Kollegen anzuschwärzen. Eskalieren kann man auch mit Hilfe einer E-Mail, indem man einen CC-Anhang macht und den Adressaten unter den Druck einer Öffentlichkeit der anderen Adressaten setzen.
Im wüsten Schaufenster unserer Gesellschaft liegt neuerdings auch das Wort eskalieren. Ich will’s ehrlich gesagt nicht haben.
Guten Abend
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Träfe man einen Menschen, der gerade noch Kunde des Ladens gewesen, dann würde man sich vielleicht wundern, wenn er ganz adrett gekleidet wäre, frisch frisiert und geputzt. Es ist nämlich so, dass die Auslagen eines Menschen nicht immer darauf schließen lassen, welche Ordnung in seinem Kopf herrscht. Darum hält sich der Mensch ja an bestimmte Bekleidungskonventionen. Diese Konvention anonymisiert ihn ein wenig und lässt nur geringe Rückschlüsse auf seine Persönlichkeit zu.
Wer zum Beispiel bei einem Formel-1-Rennen den exklusiven Paddock-Club im VIP-Bereich der Boxengasse besuchen will, braucht einfach nur eine Eintrittskarte zu etwa 3000 Euro und geputzte Schuhe, weshalb man an der Pforte auch einen Schuhputzer bereitstellt. Es geht dort wie in vielen Bereichen des Lebens nur um die Auslagen eines Menschen. Es kann einer ein reicher Steuerhinterzieher sein oder der russischen Mafia angehören, stimmt das Outfit, sind die Schuhe geputzt, ist er gesellschaftsfähig.
Nur Narren spiegeln ihr Inneres nach außen, denn ein jeder würde seine Gesellschaftsfähigkeit verlieren, wenn er so närrisch wäre. Allerdings wächst die Neigung zum Exhibitionismus und gleichsam wächst die Lust, die Vergehen der Mitmenschen an die Öffentlichkeit zu bringen, sich und andere quasi in ein Schaufenster zu stellen. In diesem Zusammenhang ist ein neues Wort in der Sprache aufgetaucht, ein Homonym zu eskalieren. „Eskalieren" ist ursprünglich ein rückbezügliches Verb, man kann sich eskalieren, was soviel heißt wie „sich stufenweise steigern“. Auch eine Situation kann eskalieren. Das neue Wort „eskalieren“ ist eine direkte Übersetzung aus dem Englischen; to escalate bedeutet, ein Problem mit dem Verantwortlichen zu besprechen. Dieser Anglizismus „eskalieren“ wird also zielend verwendet. Man kann etwas eskalieren, was soviel bedeutet, dass man einem Vorgesetzten eine Information zukommen lässt, eventuell um Kollegen anzuschwärzen. Eskalieren kann man auch mit Hilfe einer E-Mail, indem man einen CC-Anhang macht und den Adressaten unter den Druck einer Öffentlichkeit der anderen Adressaten setzen.
Im wüsten Schaufenster unserer Gesellschaft liegt neuerdings auch das Wort eskalieren. Ich will’s ehrlich gesagt nicht haben.
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