Coster übern Tisch weg

Ich fand Coster im Last Exit, wie er murrend und knurrend über einer Zeitung saß. Als ich an seinen Tisch trat, stieß er mehrmals die Wörter „Schmocks“ und „Pack“ hervor. Dann besann er sich, fasste unerwartet begütigend meinen Mantelärmel und sagte: „Dich meinte ich nicht, kannst dich ruhig setzen.“
„Ach ne", sagte ich, „ich setz mich lieber eins weiter. Da ist mir zuviel negative Energie in Ihrem Dunstkreis, Herr Doktor.“ So mussten wir uns in der Folge über die Tische hinweg unterhalten, und da von der Theke her die laute Musik dudelte, wenn nicht sogar die Espressomaschine jaulte, habe ich so gut wie nix verstanden und kann nur hoffen, Coster hat mich auch nicht verstanden. Das wäre wenigstens ausgleichende Gerechtigkeit.

Kauft-Ohrstöpsel

Außerdem kann ich mir schon denken, warum Coster grantelte und es ungefähr wiedergeben. Medienschelte wird’s gewesen sein. Schimpf auf die Eliten, die sich vom Rest der Gesellschaft längst abgeschottet haben und nur am Machterhalt und an der Befriedigung ihrer niederen Instinkte interessiert sind. Und die Medien seien ihre willfährigen Schmarotzer, würden ihnen den Pelz sauber halten. Öffentlich schelten würden sie nur jene, die sich ungeschickter Weise erwischen lassen und ein törichtes Beispiel der Raffgier aus ihren Kreisen nach außen trügen. Man scheue nämlich den publizistischen Aufwand, die Sache wieder grade zu biegen. Jedesmal wenn wieder so eine himmelschreiende Sauerei aus den einvernehmlichen Kreisen der Elite nach draußen gedrungen wäre, müsste eine ganze Kompanie von Leuteverdummern aufgeboten werden zur neuerlichen Hirnwäsche der Massen, Propagandisten des Egoismus wie Olaf Henkel oder ein gewisser Herr Sinn, der sich Professor der Ökonomie schimpfe, und professorale Kollegen, die sich vom Steuerzahler für ihre hirnrissigen neoliberalen Thesen bezahlen lassen.

Überhaupt könne er, Coster, seine Professorenzunft nicht ausnehmen. Schließlich würden sie doch ihren BWL-Studenten all die miesen Tricks der wirtschaftlichen Eliten beibringen, damit sie sich später auskennen im Dreck von zum Beispiel Steuervermeidung oder gar Steuerhinterziehung. Steuern zahlen nur die Dummen, das gemeine Pack, das nicht auskommen kann trotz Onkel Konzens 1000 ganz legalen Steuertricks. Denn die Herrschaften in den Eliten wollten zwar eine exzellente Ausbildung für ihre eigene Brut, doch sie seien zu schön, dafür zu bezahlen. Man geruhe, sich durch die kleinen Leute aushalten zu lassen, um sich hübsch fürstlich vorzukommen. Natürlich dürften die nicht hochkommen. Es ist viel besser, wenn sie grad mal ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Dann haben sie nämlich nicht die Kraft, sich selber schlau zu machen. Und damit sie in ihren elenden Mußestunden nicht auf eigene Gedanken kommen, flößt man ihnen über alle denkbaren medialen Kanäle den widerlichsten Informationsmüll in die Köpfe. Und die Printmedien erst, was sei man doch eine tumbe und eitle Zunft.

Plötzlich schwieg die Espressomaschine. Coster sagte: "Die Medienhuren rechnen sich viel lieber den Eliten zu. Deshalb vertreten sie auch ihre Sache, denn zu scharfe Kritik an ihnen rechnet sich nicht. Dann bleiben die großen Anzeigenkunden weg. - Was?!“, rief er, „das ist übertrieben!?“ Er rutschte an meinen Tisch. „Dann pass mal auf: Vor etwa 10 Jahren hat mir der Verlagsleiter der Frankfurter Rundschau gesagt, man habe enormen wirtschaftlichen Druck. Die großen Anzeigenkunden würden sich verweigern und sagen: „Was wollen Sie, Ihre Zeitung wird doch nur von linken Oberstudienräten gelesen, und die kaufen unsere Produkte nicht.“ „Und“, fuhr Coster fort, „schau dir an, was aus der Frankfurter Rundschau geworden ist!“

Das also hörte ich heute sinngemäß oder auch wörtlich von Coster.

Guten Abend
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