Und heimlich lacht die Peitschenlady

Der folgende Text ist spekulativ, denn die wahren Hintergründe und Abläufe entziehen sich der Überprüfung. Derzeit rauscht der FDP/CSU-Spendenskandal durch den Blätterwald. Den Herbst über hatte die Presse keinen Sinn darin zu sehen vermocht, warum die FDP bei den Koalitionsverhandlungen eine Senkung der Mehrwertsteuer für Hotels von 19 auf sieben Prozent verlangt hatte, inzwischen festgeschrieben im Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Am 1. Januar 2010 trat das Gesetz in Kraft, und quasi über Nacht hat der SPIEGEL nun den Grund dafür gefunden: die Millionenspende des Milliardärs August Baron von Finck an die FDP. Spätestens heute sind beinah alle Zeitungen auf den Zug aufgesprungen, denn ja, man schreibt am liebsten voneinander ab.

Am vergangenen
Sonntag las ich die Vorabmeldung auf der Homepage der ARD-Tagesschau. Darauf informierte ich mich bei Wikipedia über den spendablen Baron. Zu meinem Erstaunen verwies man dort auf einen Artikel im Stern vom 17. Juni 2009: „Milliardär Finck spült viel Geld in die Kassen der FDP“. Fincks Parteispenden an FDP und CSU waren also schon im Juni 2009 offenbar, und ebenso war bekannt, dass von Finck Miteigentümer der Mövenpickgruppe ist, der unter anderem 14 Hotels gehören.

Warum hat sich keine Redaktion an den Stern-Artikel erinnert, als die FDP ihr Wachstumsbeschleunigungsgesetz präsentierte? Waren sämtliche Zeitungsschreiber den Herbst über von einem kollektiven Gedächtnisschwund befallen, so dass sie nichts weiter zu präsentieren wussten als ratloses Kopfkratzen? Es kam wohl auf den richtigen Zeitpunkt an, und der war gekommen, nachdem das absurde Gesetz in Kraft getreten war. Das wirft ein schlechtes Licht auf die angebliche Wächterfunktion unserer Medien. Was hilft’s, die offene Stalltür anzuprangern, wenn die Kuh bereits entflohen ist? Etwa eine Milliarde Euro jährlich kostet das Gesetz den Steuerzahler. Jetzt empört sich Antje Sirleschtov im TAGESSPIEGEL: „Chapeau, Ihr Lobbyisten: effiziente Arbeit. FDP-Politiker hingegen sollten beim Thema Politikverdrossenheit in nächster Zeit tunlichst den Mund halten.“ Auch die Opposition ist inzwischen wach geworden:

„Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Joachim Poß, erklärte: „Jetzt wird transparent, was man erwarten konnte. CSU und FDP sind in den vergangenen Jahren offensichtlich zu reinen Lobbyvereinen degeneriert.“ Die FDP mache sich den Staat zur Beute, kritisierte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast: „Jetzt ist offenbar Zahltag: Auf der einen Seite wird die Mehrwertsteuer für Hotels reduziert, auf der anderen Seite erhält die FDP eine Millionenspende aus der Branche.“ (dpa)

Mich überkommt nicht nur die große Politikverdrossenheit angesichts einer schamlos agierenden FDP, sondern auch wegen einer verschnarchten Opposition, die erst aus der Zeitung erfährt, was die FDP so treibt. Und vor allem frage ich mich, wer denn Presse und Opposition genau jetzt aus dem Winterschlaf geschreckt hat. Qui bono? Wem nutzt es? In jedem Fall hat Bundeskanzlerin Angela Merkel Grund zur Freude. FDP und CSU hatten ihr in den letzten Wochen auf der Nase herumgetanzt mit nicht finanzierbaren Steuersenkungsplänen. Und da ist plötzlich „schwarz-gelber Winterfriede“ eingekehrt. Winterfriede, das heißt: Westerwelle und Seehofer kuschen, denn Frau Merkel hat ihnen mit Hilfe der willfährigen Presse die neunschwänzige Katze gezeigt. Er hier weiß sogar, wie die schmeckt.

Abgelegt unter: Zirkus des schlechten Geschmacks
2335 mal gelesen
DasEv (Gast) - 19. Jan, 23:35

Amnesie? Pah!

Ich bin stinksauer. Sommer 2009? Das ist keine Amnesie, sondern grenzenlose Feigheit und Korrumpierbarkeit!

Trithemius - 20. Jan, 18:01

Hat alles eine innere Logik, auch das Verhalten der Presse. Die Halbwertzeit von Nachrichten nimmt beständig ab. Im Sommer 2010 erinnert sich kaum noch jemand an den derzeitigen Aufreger. Aber ich finde es ermunternd, dass du dich wenigstens noch richtig aufregen kannst, liebe Eva.
Careca - 24. Jan, 07:55

Die Liste der Spenden
http://www.parteispenden.unklarheiten.de/?seite=datenbank
Und da kann man sich an den fünf Fingern abzählen, was sonst noch uns nicht erzählt wird ...

Ach ja, der General-Sekretabsonderer der FDP Lindner hatte in einer Pressekonferent versucht eine Nebelbombe zu zünden und die SPD in die Nähe von Großspendenempfänger zu rücken. Er warf der SPD vor, Spenden eines Automobilisten erhalten zu haben und dann die Abwrackprämie eingeführt zu haben.

Moment, muss mal kurz abhusten ... bei sowas lach ich immer Bröckchen, denn der Lindner hat auf seinen Hals einen Glücksspielautomaten. Wenn er seitlich durchzieht, rasselts bei ihm vorne ...

Lindner meinte damit die Spende der BMW AG an die SPD. Dazu muss man gar nicht wissen, dass die Abwackprämie zu Beschlusszeiten bereits nur als Förderung der Klein- und Mittelfahrzeuge galt. Und BMW und Daimler mit ihrer Fahrzeugflotte davon wenig bis keinen Nutzen tragen würden. Selbst der Mini von BMW erhielt durch die Abwrackprämie keinen entscheidenen Verkaufsschub (was vorher klar war).

Warum ich extra Lindner anführe, wird klar, wenn man sich das Spendengebahren der BMW AG im ganzen ansieht.
Aufgeführt sind die Spenden in der Reihenfolge ihrer Höhe, welche die BMW AG vom 16. bis 23. Februar 2009 an verschiedene Parteien tätigte:

151.344 € gingen an die SPD
146.776 € gingen an die CSU
110.209 € gingen an die CDU
54.042 € gingen an die FDP

Nebenbei spendeten drei Privatpersonen der Familie Quandt/Klatten (Besitzer von 49% der BMW-Anteile) am 1.10.2009 mal eben jeweils 150.000 Euro an die CDU.
Somit hatte die CDU allein aus dem BMW-Umfeld im Jahre 2009 an die 600.000 Euro kassiert. Aber das erzeugte nicht wirklich ein Blätterrauschen.

Mir scheint, der Lindner hat wirklich nen Glücksspielautomaten auf dem Hals. Aber ansonsten erscheint mir die FDP momentan wie ein wohlfeiler Prügelgegner. CSU und CDU können beim Erstellen derer eigenen Chaostheorien für deren Regierungsarbeit ein wenig durchatmen ...

Trithemius - 24. Jan, 18:34

Vielen Dank für die Aufschlüsselung. Diese Details kannte ich nicht. Die Verteidigungsstrategie der FDP im Bundestag ließ mich an kleine Kinder denken, die auf üble Nachrede mit "selber!" antworten. Was CSU/CDU betrifft, stimmt's natürlich auch.

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