Abendbummel online

Abendbummel Online - Hurtig durch die Karrenspur

Abendbummel Animation01Im Frühjahr ist der Mensch unserer Breiten von Müdigkeit geplagt, denn er wird in dieser Zeit innerlich umgebaut oder in technischer Terminologie, die der „Gas gebenden“ Spezies eher angemessen ist, – wir kriegen die Sommerreifen aufgezogen.

Nun ist es im April schon so warm, und man hat zwar die Winterreifen schon runter von den Felgen, allein die Sommerreifen werden gerade erst herangerollt, und zwar gemächlich, denn die Natur nimmt sich Zeit. Da wundert es nicht, dass der Kopf ungern denken mag, sondern allerlei Ausflüchte macht und einen mit Fehlleistungen bestraft, wenn man ihm trotzdem Leistungen abverlangt. Nicht mal die kleinen Dienste werden zuverlässig erledigt, dachte ich heute, nachdem ich in einen klassischen Fall von gestörter Kommunikation geraten war.

Ich soll im Bäckereicafé 3,04 Euro bezahlen und lege der Bäckereifachverkäuferin 4,05 Euro in die Hand, in der begründeten Hoffnung, sie gebe mir einen Euro und einen Cent zurück. Sie aber schaut meine Münzenstückelung zweifelnd an und wiederholte ihre Forderung: „Drei Euro vier!“ Ja, sage ich, und zeige auf mein Geld, das zum Teil das ihres Arbeitgebers werden soll. Während ich sie für ein bisschen blöd im Kopf halte, grabscht sie aus den Kassenfächern 97 Cent kleinteilige Münzen, und aus ihrer Miene lese ich, sie hält mich noch für viel blöder.

Erst am Cafètisch draußen auf dem Münsterplatz fällt mir ein, dass ich ihr vermutlich nicht 5 Cent obendrauf gezahlt hatte, sondern 2 Cent, denn diese beiden Münzen kann ich ohne Lesebrille nur schlecht auseinander halten. Na ja, der Kaffee hat mir geholfen, meine Fehlleistung einzusehen. Es hat höchstens fünf Minuten gedauert. Hätte mein Leben davon abgehangen, die Sache innerhalb einer Sekunde zu verstehen, wäre ich jetzt tot.

Wenn wir demnächst einen RFID-Chip im elektronischen Pass oder unter der Haut haben, um die Furcht der Regierenden vor dem Volk zu mildern, sind wir ja wandelnde Bombenzünder, wie man Presseberichten dieser Tage entnehmen kann. Wer weiß, ob dann eine frustrierte Bäckereifachverkäuferin nicht den einen oder anderen missliebigen Kunden hochgehen lässt.

Das wäre allerdings ein tadelnswerter Eingriff in die staatliche Gewalt und deshalb illegal. Gut, so weit ist es sowieso noch nicht. Zur Zeit begeht mein Gehirn nur kleine Gedankenverbrechen, die auch bei Komplettüberwachung durch staatliche Behörden nicht zu meiner vorsorglichen Eliminierung führen dürften. Man würde nur angefangene Gedankenstränge bei mir messen, nichts Konkretes, denn ich bin zur Zeit mehr Auge als Kopf, und im Sehen liegt bekanntlich Vergessen, sonst hätten wir ja ständig Nachbilder vor Augen.

An den Tischen ringsrum werden allerlei Alltagsdinge besprochen, die zu hören oder nicht zu hören für einen Unbeteiligten keinen Unterschied ausmachen. In einigen dieser Köpfe ist vielleicht mehr möglich als das, allerdings nicht zu dieser Zeit und bei diesen Wärmegraden. Eine nicht mehr junge hübsche Frau liest ein Buch. Ich beneide sie, hab kein Buch bei mir, denn Lesen ist die beste Methode, sein Denken aus den energiesparenden Kreisen heraus zu holen, egal wie lahm es sich anstellt. Da hat in einer stillen Kammer ein Autor seine Gedanken ausgerichtet und zu Zeilen angeordnet, was so ziemlich genau das Gegenteil zum natürlichen kreisförmigen Denken ist. Wenn man als Leser diesen Zeilen folgt, hat man es so leicht, wie das faule Gehirn verlangt, denn man kann mitgehen oder sich sogar fesseln lassen, was so bequem ist, als wäre man wie ein Kalb hinter einem Karren angebunden. Jedenfalls gräbt der Karren des Autors eine ordentliche Spur, durch die sich auf die eine oder andere Weise traben lässt.

Wer selber schreibt, muss den Karren antreiben, doch wenn man es tut, während die Winterreifen zwar runter-, die Sommerreifen aber noch nicht aufgezogen sind, dann kommt ein Text heraus wie dieser. Vielen Dank, dass Sie den Zeilen trotzdem gefolgt sind. Ich hoffe, es hat nicht zu sehr gerumpelt.

Guten Abend
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Power to the people

Abendbummel Animation01Hab heute eine Familie gesehen, deren Kleidung und Kopfzahl ein bisschen an die Kellyfamilie erinnerte. Der Mann sah wie ein Patriarch aus, und die Frau war schwanger. Man sieht übrigens immer seltener schwangere Frauen oder Frauen mit mehr als 1 1/2 Kleinkindern. Deshalb macht es mir auch gar nichts, wenn mich mal wieder eine Mutter mit dem Kinderwagen anfahren will, wie es mir heute im Kaufhof passierte. In unserer kinderfeindlichen Zeit haben junge Mütter es eben schwer, denn sie wissen, dass sie irgendwie out sind.

Als mir unmittelbar darauf die zweite Frau den Kinderwagen entgegen stieß, war ich ein bisschen ungehalten. Im Kinderwagen saß nämlich ein Hund. Ich konnte das kaum glauben und dachte, ich hätte mich verguckt oder gestern zuviel gekifft. Eben habe ich im Internet nachgeschaut, und tatsächlich, es gibt ihn, den Pet-Stroller-Kinderwagen für Hunde-Buggy. Diese Neuheit kommt aus den USA. Ist man in diesem Land eigentlich dem kollektiven Wahnsinn verfallen? Wenn ich Innenminister wäre, würde ich die Pet-Stroller nicht ins Land lassen. Schäuble sollte sich mal drum kümmern. Zum Glück will er ja einiges an unserer Verfassung ändern, da müsste auch ein Maßnahme gegen Pet-Stroller möglich sein. Die schon ins Land eingedrungenen Pet-Stroller könnte er abschießen lassen, egal ob ein Hund drin sitzt oder nicht. Das wäre dann eben ein Kollateralschaden. Es geht um höhere Werte. Wenn nämlich demnächst die besseren Damen mit ihren Tölen im Pet-Stroller die ihnen und ihrem Schoßhund angeborenen Vorrechte gelten machen, das wird der blanke Terrorismus. Lieber lasse ich mich zehnmal von einem Kinderwagen überrollen als dass ich noch einmal einer Tusse mit einem Pet-Stroller begegnen wollte.

In der Innenstadt fuhren von allen Seiten Polizeiwagen auf. Es hatte jedoch noch nichts mit den Pet-Strollern zu tun. Auf dem Markt war eine Demonstration für Patientenrechte. Etwa 25 Leute hatten einen weiten Halbkreis um eine Engländerin gebildet und hielten Pappschilder hoch, worauf sie zum Bsp. die Gesundheitsministerin zu mehr Patientenrechten aufforderten. Die Engländerin sprach ein Punkteprogramm in ein Standmikrophon, und neben ihr stand eine junge Frau und dolmetschte zwischendurch. Allerdings war ihrer Übersetzung kein direkter Sinn zu entnehmen. Überall lungerten gelangweilte Polizisten herum. Auf einen Demonstranten kamen mindestens drei Bewacher.

Was ist eigentlich los in diesem Land? Hat die Polizei nichts Besseres zu tun? Und seit wann besteht eine Demonstration aus 25 Leuten und lässt ihr Anliegen von einer Engländerin vortragen, die sich keinen Deut drum kümmert, ob man sie überhaupt versteht? Auf Radio Caroline singt John Lennon gerade “Power To The People”. Das ist eine ziemlich anachronistische Botschaft. Lennon ist jetzt 26 Jahre tot. Und mir ist auch schon ganz schlecht.

Guten Abend
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