Ethnologie des Alltags

AUFRUF - Wer fürchtet sich vor dem schwarzen Mann?

Der Frühling ist die Zeit der Straßenspiele. Einige davon stammen aus tiefer Vergangenheit. Sie wurden von Generation zu Generation mündlich weitergegeben, weshalb es Varianten gibt. Ein einfaches aber unheimliches Straßenspiel ist “Wer fürchtet sich vor dem Schwarzen Mann?” Mir scheint, es ist in unsicheren Zeiten entstanden, war vielleicht ein didaktisches Hilfsmittel, den Kindern richtiges Verhalten bei einem Überfall auf das heimatliche Dorf beizubringen. Dann hilft nämlich keine schockstarre Furcht, sondern nur Laufen.

Spielverlauf: Einer spielt den Häscher, und die anderen Kinder stellen sich in Reihe vor ihm auf. Der Häscher ruft: “Wer fürchtet sich vor dem schwarzen Mann?” Die anderen rufen “Niemand!”, der Häscher: "Und wenn er kommt?", die Kinder: "Dann laufen wir!" laufen auf den Häscher zu und versuchen an ihm vorbeizukommen, ohne dass er sie berührt. Wer berührt oder eingefangen wurde, muss in der nächsten Runde den schwarzen Mann spielen.

A U F R U F zu einem ethnologischen Internetprojekt
Zum Aufruf ...
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Über das Mysterium der Damenhandtaschen

Mein Studienfreund Nebenmann hat mir heute eine E-Mail geschrieben, worin er an etwas erinnert, das unsere Phantasie während des Studiums eine Weile beflügelt hat: das Mysterium der Damenhandtaschen. Nebenmann schreibt:

„Da habe ich doch kürzlich in einem Pseudo-Kulturteil einer Zeitschrift gelesen, dass irgend so ein Schnösel sich an unseren Phantasien vergangen hat und die Geheimnisse der Damenhandtaschen zu seinem Thema machte. Steht da nicht eine Plagiatsklage an? Aber wenn solch öffentliche Banalisierung von bislang verborgenen Ahnungen schon einmal geschehen ist, heilt auch ein gewonnener Prozess diese Verletzung von geistigem Eigentum nicht mehr, also: als Verlust abschreiben, wieder ein Mysterium weniger, (…).“

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Der Frühling bringt kackfreche Werbemails

Ein seltsamer Ton hat Einzug gehalten in Werbemails, so kumpelhaft, plump vertraulich, so unverschämt. Drei Beispiele aus diesen Tagen zeigen: König Kunde wird nicht mehr ernst genommen. Man lacht hinter seinem Rücken, nimmt ihn überhaupt nicht mehr für voll. Früher war König Kunde eine anonyme Größe. Er ging stolz daher, war unnahbar und wählerisch. Jetzt ist er gewöhnlich geworden; die Krämerseelen und Ladenschwengel wanzen sich dreist an ihn ran, kennen seinen Namen und wissen, was er im letzen Sommer gemacht hat. Kann man so einen gläsernen Menschen noch König nennen und ihm die nötige Achtung erweisen? Offenbar nicht ...


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Tote kaufen keine Bücher – Ethnologie des Alltags

Der Buchantiquar auf der Limmerstraße stellt täglich zwei Regale vor die Tür. Ich hasse das. Denn aus Neugier schaue ich mir immer die Buchtitel an. Hinter mir auf der anderen Straßenseite sagen derweil vielleicht welche: „Ach, guck mal, der arme Mann, wie erbärmlich der mit dem Kopf wackeln muss!“ Ja, aber ich habe nicht etwa einen zwanghaften Tick, sondern die Buchverlage zwingen mich dazu. In ganz Deutschland müssen die Bücherei- und Buchladenbesucher immerzu erbärmlich mit dem Kopf wackeln, was ja neudeutsch Headbangen heißt.

Einladung zum Headbangen ...
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Grüß Gott, hier ist ein Brillenstudio - Trithemius in München

Honeckers späte Rache

Kaum ist die Republik aus der Kältestarre erwacht, geht’s drunter und drüber. „AUS!“ (BILD) für Schnorrerpräsident Christian Wulff. Mit drei fetten Buchstaben macht BILD Platz im Schloss Bellevue und setzt am nächsten Tag Joachim Gauck ein. Gauck? Wer um Gottes Willen will denn den neoliberalen Schwätzer Gauck, der sich von Frau Merkel fälschlich als „Bürgerrechtler“ bezeichnen lässt, aber bei der Stasi als IM Larve geführt wurde? Da will ich am Dienstagmorgen nur Brötchen holen, präsentieren mir die Präsidentenmacher von BILD schon „Unsere neue First Lady!“ Hoppla, das ging aber schnell. Muss mich Honeckers späte Rache ausgerechnet in einer Münchner Bäckerei ereilen, wo ich noch schlaftrunken einen Kaffee trinken und allenfalls ein bisschen Alltagsethnologie betreiben will? Kann man nicht warten, bis ich wieder zu Hause bin und Zeit habe, die aberwitzigen Entwicklungen zu verfolgen?

Und muss der falsche Apostel Gauck nicht zuerst noch gewählt werden? Oder reicht es, wenn BILD ihn auf der Titelseite ins Amt jubelt? Da hilft bei der Entschleunigung der dubiose CSU-Politiker Norbert Geis und fordert, Gauck müsse Lebensgefährtin Daniela Schadt zuerst einmal heiraten. Ein Präsidentenpaar in wilder Ehe gehe ja nun gar nicht. Das lässt hoffen. Eine Heirat würde die erbärmliche Wahl einige Wochen hinauszögern. Eigentlich hätte BILD titeln müssen: „Unsere wilde First Lady in Spe“ Aber das hätte falsche Erwartungen geweckt und die Frage aufgeworfen, ob sie auch tätowiert ist. Das entwürdigende öffentliche Gerangel um die Wulffs hat es möglich gemacht. Schon deshalb wäre Zeit bis zur Kür eines neuen Bundespräsidenten angebracht. Aber wo BILD einmal hinlangt, wächst kein Gras mehr.

Was nicht in BILD steht: Der Lebensgefährte der Bäckereifachverkäuferin ist am Rosenmontag nach Köln geflogen, um sich in das Karnevalstreiben zu stürzen, und heute Morgen hat sie wirklich schlechte Laune. Ist er am Ende im Trubel versackt, obwohl ich ihm Sonntagmorgen gesagt hatte: „Viel Spass in Köln, und kommen Sie nicht unter die Räder!“ Wir werden es nicht mehr erfahren, denn am Abend muss ich abreisen. Aber langsam und einige Schritte zurück: Jeden Morgen bin ich in dieser Bäckerei gewesen, habe, die Zeitungstitel im Regal vor Augen, zum Käsebrötchen einen Kaffee getrunken, weil ich nämlich ein verfluchter Frühaufsteher bin, meine Gastgeberin aber ausschlafen will. Da habe ich Zeit für müßige Gedanken und Studien Münchner Lebensart.

Verkäufer in einer Bäckerei dürfen ihre Kunden nicht nach dem äußeren Anschein beurteilen, besonders samstags und sonntags nicht, wenn sie mit Bettfrisuren, ungewaschen und ein bisschen verlottert in den Laden kommen. Eine hagere alte Frau beispielsweise. Trotz ihres schwarzen Stocks kann sie kaum gehen, weshalb ihr alles gebracht und in die Einkaufstüte gepackt wird, derweil der Bäcker in einem unverständlichen Idiom mit ihr plaudert. Eines verstehe ich aber. Wie sie auch noch eine Flasche Helles haben will, sagt er fürsorglich: „Du wolltest doch nicht mehr soviel saufen, Anna!“

Gib mir den Rest
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Hallo, Sie haben gepiept – Verräterische RFID-Chips

„Hallo, kommen Sie noch mal zurück! Sie haben gepiept“, rief die Verkäuferin im Drogeriemarkt Rossmann. Unverschämtheit, nicht ich, sondern das rossmannsche Türalarmsystem hatte gepiept. Das hatte ich sehr wohl gehört, aber nicht auf mich bezogen, denn ich war nicht auf dem Weg hinaus, sondern hinein. Und schon befand ich mich mittendrin in einer peinlichen Situation. Die Leute in der Kassenschlange vergaßen nämlich, sich zu langweilen und gafften amüsiert zu mir herüber, derweil die Verkäuferin sich neben mir aufbaute und versuchte, der Sache auf den Grund zu gehen.

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Ethnologie des Alltags – Mpemba-Effekt und Mops

Die Tasse kippte um, und der heiße Kaffee schwappte über meine Tastatur. Zu meinem Pech trat augenblicklich der Mpemba-Effekt ein – der Kaffee gefror. Ich musste zuerst das Eis von den Tasten klopfen, um das Unglück vermelden zu können.

Im Schreibwarenladen konnten sich Mann und Frau kaum vor den Kunden zusammenreißen, sich nicht gegenseitig anzugiften. Sie trat neben ihn und zischelte etwas.

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Wenn in Hannover der Hahn kräht, gibt’s Eier

Dem Lübecker Drucker Johann Ballhorn (1550-1604) wird nachgesagt, er habe die ihm anvertrauten Drucksachen gerne verschlimmbessert. Nach ihm wird das Verschlimmbessern verballhornen genannt. So soll er unter anderem in einer Schulfibel dem Hahn ein Ei untergelegt haben.

An Johann Ballhorn muss ich immer donnerstags denken. Irgendwann am Morgen höre ich nämlich einen Hahn krähen. Er kommt mit einem kleinen Lieferwagen daher und kräht aus dem auf dem Dach des Führerhauses angebrachten Lautsprecher. Ich habe den Lieferwagen bislang nur von oben gesehen, denn als ich anfangs in Hannover wohnte, bin ich mehrmals ans Fenster getreten und habe nach dem Hahn Ausschau gehalten. Gewährsleute berichteten mir aber, der Hahn säße gar nicht stolz am Steuer, sondern ein Mann, und er biete Eier zum Verkauf.

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Der Weihnachtsstern ist ein kleines Licht

Weihnachtliche Innerlichkeit – zuletzt habe ich sie als 10-jähriges Kind empfunden. Meine Familie lebte auf einem katholischen Dorf im Rheinland. Am Heiligabend nach der Bescherung, so gegen 12 Uhr nachts, gingen wir zur Pfarrkirche in die Christmette, wo sich versammelte, wer schon oder noch laufen konnte. Diese Mette dauerte fast die ganze Nacht hindurch. Man musste in den harten Holzbänken knien, stehend singen, durfte zur Predigt sitzen, dann wieder knien, stehen, knien, derweil Priester und Messdiener am Altar ihre rituellen Verrichtungen vollzogen – Latein brabbelten und uns zur brausenden Orgel singen hießen. Die Knie schmerzten mir schon bald, die Krippe seitlich des Altars hatte ich mir bis ins kleinste Detail längst angesehen, aber die Mette wollte und wollte nicht zu Ende gehen. Dann endlich gegen 4 Uhr am Morgen sangen wir erleichtert das Schlusslied, und als wir vor das Kirchenportal in die eiskalte Nacht hinaus traten, da hatte es geschneit. Wir stapften frierend aber froh durch den Neuschnee nach Hause, wo schon bald der Weihnachtsbaum erstrahlte, die Wohnung nach Kaffee duftete und die Weihnachtsbrezel zum Frühstück angeschnitten wurde. Was man sich so hart hatte verdienen müssen, verlieh dem jungen Weihnachtsmorgen einen fast überirdischen Glanz. Und schon bald zog sich jeder in eine Ecke zurück und widmete sich seinen Geschenken.

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Über Flüsse, Flüssigkeiten – und warum ich Schmutz trinken musste

Kleine Abendunterhaltung

Gestern Abend sind Blogfreund Shhhhh und ich durch drei Kneipen geirrt, und erst in der vierten blieben wir eine Weile. Wir hatten zuerst eine Kneipe vorgefunden, die in Gänze derart rauchgeschwängert war, dass die Besucher bestimmt gedacht haben, das Fußballspiel auf dem Großbildschirm über der Theke fände im Nebel statt. In unserer Stammkneipe war der Raucherraum durch eine geschlossene Weihnachtsfeier-Gesellschaft blockiert gewesen, in der dritten ebenso, und so betraten wir ein Lokal auf der Limmerstraße, in dem auch S. noch nie gewesen war. Das Fassbierangebot war allerdings dürftig, so dass S. ein Krefelder Bier bestellte. Ich hatte noch nie von diesem Bier gehört, und eine innere Stimme warnte, aus Krefeld (von vermutlich Krähenfeld), dieser Unstadt am Niederrhein, kann doch nichts Anständiges kommen. Aber wie so oft habe ich meine innere Stimme ignoriert und ebenfalls Krefelder bestellt.

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