Kopfkino

Glänzende Tasten, Goldene Worte und falsches Ö

Ich habe meine Tastatur geputzt. Nicht einfach so mal dröber gewischt, sondern Taste för Taste herausgenommen, an den vier Kanten entlang geputzt und öber das Gesicht gewischt. Nach mehreren Jahren des Gebrauchs war es nötig geworden. Erfreut stelle ich an diesem Sonntagmorgen fest: Der Fröhjahrsputz meiner Tastatur hat sich gelohnt. Er wirkt sich auf alles aus, was ich schreibe. Die Texte schreiben sich wie von selbst, sind frisch und glänzend, ja, sie funkeln golden in der Sonne. Und: Sie vermitteln eine klare Sicht der Dinge, nicht wahr. “Nicht wahr?” Ist dieser Text etwa nicht glänzend, oder verstellt sein Glanz den Blick auf den Inhalt? Öberstrahlt er seine Leere? “Zaubern, Seiltrick, Nichts – und daröber Glasur” wie Gottfried Benn sagt?

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Baden, Duschen und seltene Vornamen

Die besten Ideen hatte ich früher in der Badewanne, so dass ich das Bad manchmal abrupt beenden musste, aus der Sorge heraus, ich könnte etwas vergessen. Später legte ich mir Papier und Bleistift griffbereit, was aber die Ideen zu vertreiben schien, denn selten habe ich Papier und Bleistift tatsächlich genutzt.

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Einiges über Jack – Verboten für Außerirdische

Wenn auf dem Gehweg einer direkt hinter mir herläuft, gehe ich langsamer, damit die aufdringliche Person überholen kann. Heute ließ ich mich wieder überholen. Es war ein stämmiger Mann in Jeans. Seine feisten Oberschenkel rieben aneinander, aber das schleifende Geräusch, das ihn begleitete, kam von seiner Jacke. Sie war nämlich künstlich. Auf der rechten Schulter trug der dickliche Mann ein Monogramm. Er hieß Jack Wolfskin. Das ist ein Allerweltsname wie Hans Meier. Ich habe schon Hunderte mit dem Namen Jack Wolfskin gesehen. Sie werden in einer Fabrik am Stadtrand aus Fleischklöpschen geklont. Das ist natürlich Quatsch. In Wahrheit sind es ganz normale Menschen. Sie betreten in der Innenstadt einen Laden und kommen wieder heraus als Jack Wolfskin. Für das Privileg, ihre Individualität aufzugeben und Jack Wolfskin zu heißen, bezahlen sie Geld.

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Gedanken über die Nacht der Bäume

Der Baum vor meinem Küchenfenster hat sich bis tief in den November gut gehalten. Sein Laub färbte sich erst spät, dann wurde es schlagartig goldgelb, und am letzten Wochenende habe ich dem Baum beim Kahlwerden zusehen können, denn seine Blätter fielen unentwegt zu Boden. Wenn es stürmt und sich alles beugen muss unter den heftigen Winden, dann scheint es plausibel, dass dürre Blätter von Zweigen gerissen werden und davontreiben. Aber bei meinem Küchenbaum war es ein stilles Fallen ohne erkennbaren Anlass. Das gilt zumindest für die Blätter aus dem Wipfel. Sie allerdings tippten in ihrem Fallen so manches andere Blatt an und schienen: „Komm mit“ zu rufen, wodurch sie ganze Kettenreaktionen auslösten. Wer oder was die Blätter aus dem Wipfel angetippt hatte, blieb unklar.

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Gedanken unter der Kreissäge

Bei einem Nachbarhaus wird das Dach repariert. Vielleicht baut man sogar einen neuen Dachstuhl. Das Haus ist wie seine Nachbarhäuser zu hoch, als dass man von der Straße unten sehen könnte, was auf seinem Dach genau passiert. Auf jeden Fall höre ich seit Tagen eine Kreissäge. Schon als kleiner Junge mochte ich keine Kreissägen beim Sägen hören. Die Dinger müssten, wenn es gerecht zugehen würde in der Welt, „Kreischsägen“ heißen und nicht der an der Kreischsäge, sondern alle Anwohner und Passanten müssten Ohrenschützer bekommen.

Wer die Bezeichnung „Kreissäge“ sich erdacht hat, war schon auf dem richtigen Weg gewesen, hatte nur vor der letzten Konsequenz halt gemacht, war wohl vor dem „ch“ zurückgeschreckt. Vermutlich war’s der Erfinder. Der hat sich gedacht: „Eine Kreischsäge kauft doch kein Schwein. Also nenne ich sie lieber Kreissäge. Klingt auch viel vornehmer.“

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Erlauben Sie sich getrost Neues Denken

„Oh ja! Heutzutage ist Virtuelles und Reales soweit zusammen verflochten, dass man kaum mehr dazwischen unterscheiden kann. Und es ist auch gut so. :-) “,
schreibt Blogfreund Merzmensch in einem Kommentar.

So weit hatte ich bisher noch nicht gedacht. Hören und lesen wir doch immer die Ansicht, man dürfe Virtuelles und Reales nicht vermischen? Und erst recht dürften wir das Internet nicht als gleichwertige Sphäre des Lebens ansehen. Wurden die beiden Sphären, in denen wir uns seit dem Internet hin und her bewegen, bislang nicht immer gegeneinander ausgespielt? Ist es nicht an der Zeit, dem Internetzeitalter mit einem neuen Denken zu begegnen, einem Denken, das nicht mehr in den Kategorien der Buchkultur verhaftet ist?

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Von der Sprache der Gehenden an einem Karfreitag

Manche Paare, wenn sie jung sind und Hand in Hand daherkommen, gehen im Gleichschritt. Manche gehen im gleichen Rhythmus, aber spiegelschrittig. Mir scheint das die bessere Weise zu sein, wenn man in Eintracht miteinander schwingen will, denn indem sie spiegelbildlich gehen, ergänzen sie sich. Beim Gleichschritt passt sich einer von beiden dem anderen an.

Manche, namentlich die älteren, dunkel Gekleideten, er mit weißen Dauerwellen und einem langen schwarzen Mantel aus teurem Tuch, sie mit schwarzer Bolerojacke über dem Cocktailkleid, die gehen seitlich versetzt, sie etwa einen halben Schritt hinter ihm.
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Vom Nachlass der Hunde – Tretet dAdA rein!

Gestern saß ich am Fluss, bis die Sonne hinter den Dächern der Stadt versank. Die Leine hatte Rückenwind, strömte eilig dahin, und ihr Wasser schien mir nasser als sonst zu sein, weil es viele kleine Wellen schlug. Lebhaft leckte es mit frechen Zungen die Ufer ab. So ein Fluss ist wie ein Organismus. Kurz versuchte ich mich hineinzudenken, wie das wäre, Wasser der Leine zu sein und ungestüm am Ufer zu lecken, um Platz zu machen für mich. Aber der Übermut verging mir bald, als nämlich über die Uferwiese ein Mann mit drei räudigen Hunden daherkam. Der Hundebesitzer hatte die Hunde hinter sich gelassen, wandte ihnen gleichgültig den Rücken zu, und sah folglich nicht, was ich sehen musste. Nacheinander hockten die Köter sich nah am Ufer hin. Gegen die untergehende Sonne sah ich im Schattenriss das unsagbar hässliche Profil kackender Hunde. Das versaute mir nachhaltig die romantischen Ideen in der vorfrühlingshaften Idylle.

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Mal etwas Gutes über den Herbst

Mit Herbstmelancholie habe er keine Last, behauptete Coster. Der dubiose Professor für Pataphysik an der Technischen Hochschule Aachen schaute aus dem Fenster hinüber auf den kleinen Park. „Ich mag es, wenn die Bäume sich biegen und vergeblich vor dem Sturm verneigen, der ihnen mitleidslos die Blätter raubt. Und wie er den Regen waagerecht mitreißt und zerstäubt, das lässt mich angenehm schaudern.“

„So schwärmerisch kenne ich dich gar nicht“, sagte ich. „Das würdest du anders sehen, wenn du nur eine nasse Parkbank hättest und der Regen die Zeitungen durchweicht, mit denen du dich bedeckt hältst.“

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Karpfen, Knoblauch und Kargokult - im Kopfkino

Auf der Mauer an der Maschseepromenande ist kaum Platz. Zwischen mir und einer Blondine in schwarzer Lederjacke könnte gerade mal ein ganz Dünner sitzen. Da kommt ein großer, massiger Chinese vorbei mit einer kleinen Chinesin im wattierten Mantel im Schlepptau. Der sieht die Lücke, findet sie groß genug und quetscht sich herein, um sich die fetten Karpfen anzusehen, die sich immer am Promenadenufer herumtreiben, sobald viele Leute da sind.

Karpfen können durchaus Richtung Himmel schauen, sie tauchen von unten auf und sehen hoch oben in ihrem Himmel ein verzerrtes Chinesengesicht. In Wahrheit ist es aber rund und glatt. Die Verzerrung wird von der leichten Wellen der Wasseroberfläche hervorgerufen. Daher sehen Karpfen nicht nur Chinesen verzerrt, sondern auch mich, wenn ich sie anschaue.

Chinese oder nicht, der Mann hat keine gute Aura. Sie ist von einem starken Knoblauchgeruch durchtränkt. Ich wusste gar nicht, dass Knoblauch zur chinesischen Küche gehört, hatte bisher immer gedacht, Chinesen würzen alles mit Glutamat. Wikipedia belehrt mich eines Besseren. Beim Anbau von Knoblauch ist China mit großem Abstand führend. Im Jahr 2007 war das 71,1 Prozent der weltweiten Knoblauchprouktion. In absoluten Zahlen, halt dich fest,
12.088.000 Tonnen. Zwölf Millionen Tonnen, ich weiß nicht, wie viele Säcke das sind, aber einer stützt sich dicht neben mir auf die Kaimauer und lacht und freut sich der Karpfen.

Die Religion der Karpfen ist der Kargokult. Sie glauben, die verzerrten Götter werfen Güter ab, wenn man ihnen schön tut und flehend nach oben schaut. Sie lassen sich mästen und hoffen, nach ihrem Tod kommen sie in den Himmel. Ihr Himmel wird sein eine Badewanne, und dann lernen sie das Messer eines Kochs kennen. Man darf den Göttern eben nicht trauen, weiß dann der Karpfen. Doch er kommt nicht mehr dazu, es den Artgenossen mitzuteilen. So geht es uns allen. Wenn wir rausfinden, was dran ist, können wir es nicht mehr erzählen. Der Chinese verzieht sich, wir können wenigstens aufatmen und die Sonne genießen. Manchmal geht es bei uns im Karpfenhimmel ganz hübsch zu.
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