surrealer Alltag

Mich trifft der Schlag (4)- Nachtmahr

Zwölf Quadratmeter Himmel habe ich von meinem Krankenbett vor Augen. Er ist durch zwei Fensterkreuze gegliedert. In der Nacht wirft das mittlere schmale Fensterelement durch den Vorhangspalt ein dickes Kreuz aus Licht an die Zimmerdecke. Das kann kein Zufall sein. Das Krankenhaus ist in evangelischer Trägerschaft. Was gläubigen Christen ein Trost sein mag, wird mir zum Alpdruck. Ich wälze mich unterm Kreuz hin und her, und jedes Mal wenn ich unvorsichtig zur Zimmerdecke blinzle, wird eine weitere heidnische Identität von mir erzeugt und fällt auf mich zurück.


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Sagen Sie mal, wie komme ich hier nach Norden?

Wer eine Ausfahrt mit dem Rad plant, tut gut daran, auf die Windrichtung zu achten. Du fährst am besten gegen den Wind los, damit du auf dem Heimweg, wenn die Kräfte schon ein bisschen nachgelassen haben, Rückenwind hast.

Leider vertue ich mich in Hannover ständig mit der Himmelsrichtung. Nachdem ich im Internet nachgeschaut habe, woher der Wind weht, mache ich mich gegen den Wind auf den Weg, glaube beispielsweise nach Norden los zu fahren und bin eigentlich westwärts unterwegs. Vermutlich liegt es daran, dass der Fluss Leine die Stadt Hannover von südost nach nordwest durchquert.

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Wu wei und die Weisheit meiner Jacke

Als ich heute Morgen ein Ohr zum Fenster rausgehalten und ein Auge hinterher geworfen habe, da wusste ich schon, der autofreie Sonntag fällt ins Wasser. Leider war ich zur Fahrradsternfahrt mit einem flüchtigen Bekannten verabredet, dem ich jetzt absagen musste. Er hatte mir vor einigen Tagen seine Adresse auf ein Zettelchen gekritzelt und darum gebeten, dass ich ihn abhole. Das Zettelchen hatte ich in mein Notizbuch gesteckt. Das Notizbuch war in meinem Rucksack. Den hatte ich nach einer Feier bei Familie Shhhhh aber vergessen, wie ich überhaupt immer etwas vergesse, wenn ich ein bisschen zuviel getrunken habe, und in der vergangenen Nacht habe ich noch ein bisschen mehr als ein bisschen zuviel getrunken. Das hätte gereicht, mindestens zwei Rucksäcke zu vergessen, weshalb ich ersatzweise noch mein Mobiltelefon vergessen hatte. Ich musste also am heiligen Sonntagmorgen bei Familie Shhhhh an der Haustür klingeln, konnte mich aber nicht mal telefonisch anmelden, weil die Telefonnummer ja auf meinem Mobiltelefon gespeichert war, das bei ihnen lag.

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Zwischen Sechs und Zehn und ein lachender Mund

Die Uhr zeigte mir einen Lachmund, als ich heute Morgen zum zweiten Mal aufwachte. Das erste Mal wars grad sechs Uhr gewesen, ich hatte mich noch mal hingelegt, war wieder eingeschlafen, und wie ich aufwache, lacht meine Uhr mich an. Ich hätte gedacht, die Zeigerstellung zehn nach zehn, die den Lachmund markiert, wäre längst privatisiert und in den Dienst der Juweliere und Uhrenverkäufer gestellt. Es muss bereits am Anfang des Irrenparadieses geschehen sein, das wir Konsum- und Warenwelt nennen, dass man eine an sich nicht übel beleumundete Zeigerstellung ergriffen und pervertiert hat.

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Immerzu nächtliches Gepolter - surrealer Alltag

Über mir wohnt eine Krähe. Ich habe sie bei mir so getauft, obwohl ich weiß, dass man Frauen keine Tiernamen geben sollte, es sei denn, man würde von einer dazu aufgefordert. Nein, solch eine Krähe ist meine Obernachbarin keinesfalls. Nur trägt sie ausschließlich schwarze Kleidung. Jetzt im Winter hüllt sie sich in einen langen schwarzen Kapuzenmantel, dessen Schöße die Beine bei ihren schnellen Schritten umflattern. Da ist der Eindruck des Rabenartigen nahe liegend, besonders wenn sie die schwarze Kapuze aufgesetzt hat, weil doch der Winter zurückgekehrt ist mit Schnee. Das einzige Helle an ihr ist das bleiche, verhärmte Gesicht mit einem bitteren Mund darin, dessen Lippen wiederum mattschwarz lackiert sind. Ihre Stirnlocke ist eisgrau, so dass man denken könnte, sie wäre eine alte Frau. Aber das ist Frau Krähe nicht.

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Über Superlative, Baseballschläger & Fußleisten

Mir träumte, eine junge Frau werde von der Bildzeitung gefeiert, weil sie ihre Examensklausur auf die Fußleiste des Hörsaals geschrieben hatte. So sehr wurde sie von Bild in den Himmel gehoben, als wäre sie die Erfinderin und Bewahrerin der Handschrift gleichzeitig. Das ärgerte mich und ich dachte, was fällt denen ein? Erst letztens hatten sie eine Frau zur mutigsten Kioskverkäuferin von Hannover ausgerufen, weil sie einen Kleingangster, der sie überfallen wollte, mit einem Baseballschläger in die Flucht geschlagen hatte. Dieser Superlativ „Hannovers mutigste Kioskverkäuferin“ wäre doch nur dann gerechtfertigt, wenn in einer Testreihe alle Kioskverkäuferinnen Hannovers gleichzeitig von vermummten Männern mit Messern überfallen würden und wenn alle Frauen Baseballschläger hinter der Theke hätten. Schließlich hätten die anderen Kioskverkäuferinnen nur dann die Gelegenheit, sich mutig hervorzutun und nur dann wäre das Prädikat „Hannovers mutigste Kioskverkäuferin“ berechtigter Weise zu vergeben.

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Fürsorgliche Untat

Vor meinem Fenster ist ein Baum abgeschlachtet worden. Während meiner Abwesenheit haben die Männer vom Grünflächenamt ein großes Kettensägenmassaker veranstaltet. Man traut es ihnen gar nicht zu, denn sie stehen meistens rauchend irgendwo zusammen, fahren den Kleinlaster lustlos hin und her, sortieren Geräte auf der Ladefläche, heben sie hoch und werfen sie in eine andere Ecke, zwängen sich zu dritt ins Führerhaus, um Brote zu mampfen, und über all dem fast absichtslosen, wie planlosen Geschehen hängt die große Frage, wann werden sie zur Tat schreiten und welche Tat wird das sein?

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„Ga-ga-ga!“ – Früher Aufbruch der Graugänse

In „Der unsichtbare Dritte“ (North by Northwest) von Alfred Hitchcock, spielt Gary Grant den New Yorker Werbefachmann Roger Thornhill, der von Agenten im Kofferraum eines Autos entführt wird. Thornhill glaubt, aus dem Kofferraum eine Gartenparty gehört zu haben, aber wie sich später herausstellt, war das eine Schar schnatternder Gänse gewesen.


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Lobpreisung einer Kaffeemaschine

Die ganze Zeit während meiner Pfingstreise musste ich ab und zu, aber eigentlich selten, daran denken, dass ich möglicherweise vergessen hätte, vor meiner Abreise die Kaffeemaschine auszuschalten.

Aber dann habe ich mir gesagt: Wenn meine Kaffeemaschine noch eingeschaltet wäre, könnte sie vielleicht nach vielen Stunden sinnlosen Heizens durchknallen und eventuell in Brand geraten. Man weiß es nicht. Dann aber würde mich doch der Hausbesitzer anrufen und etwa sagen:

Ja, was denn?
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Der Papst hat Geburtstag, ich freu mir nen Keks

Am Karlsplatz in München nahebei der U-Bahn-Station lungert eine Junggeselleninnenabschiedsgruppe herum. Die zukünftige Braut trägt bereits einen Brautschleier auf dem Haar, einen ganz schütteren, kleinen, wie man ihn vielleicht an der Kirmeswurfbude als Trostpreis bekommen kann. Oder beim Kamelrennen. Erst letztens hörte ich von einigen jungen Frauen, sie seien ganz verrückt auf Kirmeskamelrennen. Das trifft sich gut, denn in vielen Städten wird der Frühling mit einer großen Kirmes begrüßt. Die zukünftige Braut mit dem Kunststoffbrautschleier von der Frühlingskirmesbude steht einfach nur da und lässt sich bewundern. Es muss wunderbar sein, für das bloße Herumstehen bewundert zu werden. Eine Passantin, deren rechtes Auge mit einem großen weißen Pflaster zugeklebt ist, hat ihr Handy an das offene Auge gehoben und fotografiert die zukünftige Braut. Dann dreht sie lächelnd ab und betritt die Rolltreppe nach unten. Dabei wirft sie noch immer lächelnd ein Auge zurück. Offenbar glücklich über das Gesehene und ihren Schnappschuss davon, sinkt sie ab in den Orkus.

Weiter mit einer 150-köpfigen Delegation und dem Papst ....
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