Abendbummel - Der Bauch im Frühling

Es war schön heute im ergrünenden hannöverschen Stadtwald, der Eilenriede, und es wird wieder eifrig Sport gemacht. Noch überwiegen die Hageren, die Durchtrainierten, solche, die schon im Leibchen gelaufen sind, derweil es im Schatten noch kalt war. Sie haben den langen Winter über streng asketisch gelebt, sind nicht dagesessen, wenn sie haben stehen können, sind nicht gestanden, wenn Platz zum Gehen war, sind nicht gegangen, wenn es eine Möglichkeit gab zu laufen. Treppen zum Beispiel. Den Fahrstuhl haben sie selbstverständlich nie benutzt. Vielleicht haben sie auch ein Laufband im Hobbykeller. Solche Körperfetischisten sind derzeit im Wald schon unterwegs. Von Dickbäuchigen ist noch wenig zu sehen, was nur scheinbar ein Widerspruch ist.

Dickbäuchige kommen offenbar langsam aus dem Pudding. Den Vorsatz abzunehmen haben sie aber schon längst gefasst, weil die Hosenbünde zu eng geworden sind. Aber das Bauchgefühl sagt ihnen, dass die Zeit noch nicht reif ist. So ein Bauch ist mächtig, und je fülliger er ist, desto größer ist seine Macht. Will einer laufen, um den Bauch abzutrainieren, hält der Bauch ihn zurück. Er macht sich einfach schwer, so dass schon das Aufstehen mühsam wird. Und natürlich knurrt er beständig und ruft nach Atzung. Dem zu widerstehen, ist wirklich nicht einfach. Von außen hört sich das Bauchknurren eher unerfreulich an, weil Rumoren und Knurren eben keine schöne Melodie macht. Der inwendige Ruf des Bauches nach Essen scheint hingegen verlockender zu sein als der Gesang der Sirenen, vor dem sich schon Odysseus die Ohren verstopfen musste.

Ich sah einen Mann mit hellblauem Pullover kräftig ausschreiten und dachte, er hätte einen schlappenden Schuh. Doch als er näher kam, erkannte ich meinen Irrtum. Immer wenn er mit Links auftrat, klatschte der Mann mit der flachen Hand auf seinen Bauch. Plötzlich hörte er auf und pulte ausführlich im Ohr, holte etwas heraus und betrachtete es. Für einen Augenblick schien es, als würde er mit dem Krümel sprechen. Dann aber ließ er ihn achtlos auf den lichten Waldweg fallen. Ich weiß nicht, ob es sich beim Bauchklatschen und Ohrpulen um ein Ritual handelt, aber so etwas habe ich zuvor noch niemals gesehen. Wer freilich liebevoll seinen Bauch beklatscht, ist gegen übertriebene sportliche Kasteiung gefeit. Ein liebevoll geklatschter Bauch darf so füllig sein wie er will, nur dann ist er ein guter Resonanzkörper.

Teppichhaus Musiktipp: White Rabbits "Percussion Gun"
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