Uwe Seeler spielt die Tanzmusik der Apokalypse
von Trithemius - 14. Jun, 11:03
Bitte richten Sie die Vuvuzela nach oben!
„Ich war geschockt darüber, wie wenige sich hier eingefunden haben“, sagt der junge Mann auf der improvisierten Bühne ins Mikrophon. Er steht auf einem Kleinlaster, dessen Plane zu dem verlorenen Häufchen Demonstranten hochgeschlagen ist. Auch müssten bessere Slogans her. In der Tat sind die Transparente ziemlich unfertig vollgeschmiert. Da ist kaum zu erkennen, worum es überhaupt geht, nämlich um eine Demonstration gegen die Bildungsmisere an deutschen Hochschulen. Der Redner gibt sich redliche Mühe, versucht auch die Passanten anzusprechen, die an diesem Samstagmittag die Georgstraße entlanglaufen, eine der Fußgängerzonen im Zentrum von Hannover. Schließlich ginge es nicht nur um die heutigen Studenten, sondern auch um die Zukunft ihrer Kinder. Und das beträfe alle, auch die Polizisten.
Eine halbe Hundertschaft rundum, überwiegend junge Polizeikräfte folgen gelangweilt dem Geschehen. Pro Demonstrant ein Polizist, das ist eine luxuriöse Fürsorge, eine müßige Angelegenheit obendrein, denn etwas zu regeln gibt es nicht. Da ist nicht einmal eine Vuvuzela zu hören. Die Passanten eilen trotzdem vorbei, denn ab und zu fallen Regentropfen aus dem düsteren Himmel. Ja, wenn hier Lena auf dem Kleinlaster stünde, dann sähe die Sache anders aus. Dann hätte man sich schon zwei Stunden vorher eingefunden, um einen guten Platz zu ergattern und der Regen, - ach, sind nur ein paar Tropfen. Selbstverständlich würde die Polizei sich zurückhalten, stünde irgendwo versteckt in einer Seitenstraße, um die gute Laune nicht zu gefährden. Sobald aber ein Demonstrant ein armseliges Pappschild hochhält, steht schon sein persönlicher Polizist nahebei. Was ist bloß los in diesem Land? Warum baut die Staatsmacht selbst bei mauskleinen Protesten eine derartige Drohkulisse auf, so dass ein unbefangener Passant denken muss, da geschehe etwas Illegales, wovon man sich besser eilig entfernt? Man sollte meinen, das gibt es nur in China, wo öffentliche Bekundungen erst gar nicht erlaubt sind und nötigenfalls brutal verhindert werden.
Das ist gespenstisch; es zeigt eine demokratische Gesellschaft auf Talfahrt. Die meisten leisten keinerlei Gegenwehr, rennen lieber zu jedem Spaßevent hin, saufen sich den Kopf zu und machen Party, hängen fadenscheinige Deutschlandlappen aus den Fenstern ihrer verrottenden Buden, und hat ihnen die Bank noch ein Auto zugestanden, dann klemmen sie diese elenden Plastik-Fähnchen ran, die nicht mal zum Arschwisch taugen, brüllen: „Tschland! Tschland!“ und „Isch liebe deutsche Land!“ Warum? Bietet ihnen dieses Land eine sichere Perspektive? Interessieren sich die gesellschaftlichen Eliten einen Deut für ihre erbärmlichen Schicksale? Im Gegenteil. Die Eliten betreiben lustvoll die Ausplünderung des Volksvermögens. Welchen Grund hat die verarmende Bevölkerung zu jubeln? Elf Millionäre spielen Fußball in Südafrika, und die vereinten Schmockmedien trommeln die Marginalie hoch zum Nationalereignis. Wenn die WM vorbei und vergessen ist, werden viele nicht nur ein paar Regentropfen abkriegen, es wird alternativlose Entscheidungen hageln wie Sau. Dann wird den meisten das Fahnenschwenken vergehen. Das enervierende Getröte der Vuvuzelas wird ihnen vorkommen wie die Tanzmusik der Apokalypse. Und "verdammte Axt!" die Vuvuzela-Ohrstöpsel sind ausverkauft.
TSCHLAND. Ein nationales Ereignis fand statt letzten Samstag am Steintor in Hannover, ein armselig kleiner Studentenprotest gegen die herrschende Unbildung, gegen die verordnete Verblödung eines Volkes. Er war vorzüglich abgeschirmt durch die Polizei.
Abgelegt unter: Zirkus des schlechten Geschmacks
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„Ich war geschockt darüber, wie wenige sich hier eingefunden haben“, sagt der junge Mann auf der improvisierten Bühne ins Mikrophon. Er steht auf einem Kleinlaster, dessen Plane zu dem verlorenen Häufchen Demonstranten hochgeschlagen ist. Auch müssten bessere Slogans her. In der Tat sind die Transparente ziemlich unfertig vollgeschmiert. Da ist kaum zu erkennen, worum es überhaupt geht, nämlich um eine Demonstration gegen die Bildungsmisere an deutschen Hochschulen. Der Redner gibt sich redliche Mühe, versucht auch die Passanten anzusprechen, die an diesem Samstagmittag die Georgstraße entlanglaufen, eine der Fußgängerzonen im Zentrum von Hannover. Schließlich ginge es nicht nur um die heutigen Studenten, sondern auch um die Zukunft ihrer Kinder. Und das beträfe alle, auch die Polizisten.
Eine halbe Hundertschaft rundum, überwiegend junge Polizeikräfte folgen gelangweilt dem Geschehen. Pro Demonstrant ein Polizist, das ist eine luxuriöse Fürsorge, eine müßige Angelegenheit obendrein, denn etwas zu regeln gibt es nicht. Da ist nicht einmal eine Vuvuzela zu hören. Die Passanten eilen trotzdem vorbei, denn ab und zu fallen Regentropfen aus dem düsteren Himmel. Ja, wenn hier Lena auf dem Kleinlaster stünde, dann sähe die Sache anders aus. Dann hätte man sich schon zwei Stunden vorher eingefunden, um einen guten Platz zu ergattern und der Regen, - ach, sind nur ein paar Tropfen. Selbstverständlich würde die Polizei sich zurückhalten, stünde irgendwo versteckt in einer Seitenstraße, um die gute Laune nicht zu gefährden. Sobald aber ein Demonstrant ein armseliges Pappschild hochhält, steht schon sein persönlicher Polizist nahebei. Was ist bloß los in diesem Land? Warum baut die Staatsmacht selbst bei mauskleinen Protesten eine derartige Drohkulisse auf, so dass ein unbefangener Passant denken muss, da geschehe etwas Illegales, wovon man sich besser eilig entfernt? Man sollte meinen, das gibt es nur in China, wo öffentliche Bekundungen erst gar nicht erlaubt sind und nötigenfalls brutal verhindert werden.
Das ist gespenstisch; es zeigt eine demokratische Gesellschaft auf Talfahrt. Die meisten leisten keinerlei Gegenwehr, rennen lieber zu jedem Spaßevent hin, saufen sich den Kopf zu und machen Party, hängen fadenscheinige Deutschlandlappen aus den Fenstern ihrer verrottenden Buden, und hat ihnen die Bank noch ein Auto zugestanden, dann klemmen sie diese elenden Plastik-Fähnchen ran, die nicht mal zum Arschwisch taugen, brüllen: „Tschland! Tschland!“ und „Isch liebe deutsche Land!“ Warum? Bietet ihnen dieses Land eine sichere Perspektive? Interessieren sich die gesellschaftlichen Eliten einen Deut für ihre erbärmlichen Schicksale? Im Gegenteil. Die Eliten betreiben lustvoll die Ausplünderung des Volksvermögens. Welchen Grund hat die verarmende Bevölkerung zu jubeln? Elf Millionäre spielen Fußball in Südafrika, und die vereinten Schmockmedien trommeln die Marginalie hoch zum Nationalereignis. Wenn die WM vorbei und vergessen ist, werden viele nicht nur ein paar Regentropfen abkriegen, es wird alternativlose Entscheidungen hageln wie Sau. Dann wird den meisten das Fahnenschwenken vergehen. Das enervierende Getröte der Vuvuzelas wird ihnen vorkommen wie die Tanzmusik der Apokalypse. Und "verdammte Axt!" die Vuvuzela-Ohrstöpsel sind ausverkauft.
TSCHLAND. Ein nationales Ereignis fand statt letzten Samstag am Steintor in Hannover, ein armselig kleiner Studentenprotest gegen die herrschende Unbildung, gegen die verordnete Verblödung eines Volkes. Er war vorzüglich abgeschirmt durch die Polizei.
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Ich wundere mich darüber...
... dass überhaupt welche protestieren (das hatte ich letztens schon mal wo gesagt, aber man neigt im Alter zu Wiederholungen), und das meine ich nicht zynisch oder witzig; es ist auch nicht lustig...
Da ich ein stinke arroganter kleiner Langzeitarbeitsloser bin (und diese "Bezeichnung" ist, was ich schon lange mal sagen wollte, eben keine oder nicht nur eine auto-mental-masochistische, denn es gibt mit, harhar, Sicherheit - immerhin aber nicht mehr mit Staatssicherheit: Fortschritt!!! - Leute, die mich gern irgendwo hin sperren würden, wenn sie nur könnten), habe ich natürlich wieder 'ne "These" oder "Theorie" (in Deckung!).
Das Selbstbewusstsein der "Eliten" ist kein wirklich gewachsenes, authentisches usw. (wie es zum Beispiel bei vielen Adligen einmal der Fal war, mir fällt Familie Dönhoff ein), es steht und fällt mit materiellen Insignien des vermeintlichen oder tatsächlichen Status. Zuletzt durch die Lektüre zweier Bücher von Sabine Bode wurde meine Wahrnehmung bestätigt (der ich natürlich erst einmal wieder überhaupt nicht traute), dass dieses "Selbstbewusstsein" brüchig sein könnte...
Dieses auf Teufel komm raus und ohne Rücksicht auf die folgenden Generationen Verballern der Ressourcen usw., das mit aller Gewalt zelebrierte "Yippieh, yippieh - wir sind happy!" (die WM-Titten auf dem Ku'Damm könnten eine Cover-Version davon sein*) übertüncht die ganz weit in den Seelen-Keller verräumte Angst, die über mittlerweile schon drei Generationen - Kaiser blaues, braunes und rotes "Reich" - nicht wirklich bewältigte Grunderfahrung könnte sich wiederholen, dass alles ganz schnell vorbei sein kann...
Guten Tag, gute Woche, gutes Leben!
Das Fossil
PS: Ich habe die Tage jetzt paar Mal hier jekiekt jehabt mitte Oogen im Kopp; interessante Beiträge, kann ich empfehlen... - Hüstel!
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* Damit wollte der Kranke nix gegen Titten sagen - die sehen ja gut aus, muahaha! Aber: was soll das? Was wird denn da unbewusst demonstriert? - Ich will gesehen werden!!!
Das möchte ich ehrlich gesagt nicht erleben, aber offenbar ist der schändlichen Ausplünderung nicht Einhalt zu gebieten, verstehen sie nicht, dass sie hurtig an ihren eigenen Sesseln sägen.
Aber einfach zuschauen wollen wir dabei nicht, sondern immerhin sagen, was wir beobachten.
Guten Tag, mein Lieber,
Dein Trittenheim
P.S.: Da klicke ich einfach so mal auf den von dir gesetzten Link und was finde ich da? ;)
Hihi.
... das mit dem Link hat mich doch erheitert... bei Dir "gehen" doch aber nur "selbst referentielle" Links, nicht aber die zu "fremden" Sites (der Fremde bin ich, ich weiß)...
Du glaubst gar nicht, wie Recht Du hast: ich habe eben die verschärfteste Mail meines Lebens bekommen und versuche mir zu vergegenwärtigen, dass das nicht alles geträumt war...*
Im Übrigen bleibe ich aber bei meiner schon überaus häufig geäußerten Meinung, dass "Umsturz" und "Revolution" und "Reform" usw. usf. (erst einmal) "da drinnen" sich vollziehen sollten (nicht nur?) bei mir, bevor ich mich eventuell Frau Merkel und Herrn Westerwelle usw. widme.
Irgendwas passiert... Das geht schon seit Wochen - ich bin gespannt, ob ich neugierig bin.
Fossile Grüße in den Hohen Norden, verehrter Teppich-Häusler!!!
Der olle Dino
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* Das klingt jetzt wohl doch wieder, hüstel, histrionisch hoch gespült - ist halb so schlimm, aber ich habe doch erst mal geschluckt; eventuellst werde ich dazu noch was "sagen"...
Da bin ich gespannt,
Die innere Revolution - daran arbeite ich täglich. Man hats ja nicht immer leicht mit sich. Wem sage ich das. Entscheidend ist, was dabei herauskommt an Produktivität. Und da kannst du dich eigentlich nicht beklagen.
Viele Grüße
Dein Trittenheim
Nee, mit der Email, das lasse ich erst mal...
... die Fachkraft hat sich, wie es scheint, wieder beruhigt...
Das müsste ich mir rahmen lassen "Man hats ja nicht immer leicht mit sich"... - Gibt es das wirklich nicht? Muss es doch aber geben: Leute, denen Leben ("und so weiter") leicht und frei und heiter und spielerisch gelingt...
(... hüstel...)
(...mit fast 49 hat das Fossil noch Träume...)