Kopfkino - Die Pforten der Wahrnehmung
von Trithemius - 15. Mär, 18:15
Nur selten erinnere ich mich an die Einzelheiten eines Traums. Viel öfter bleibt nach dem Erwachen nur eine Ahnung, die sich nicht mehr erhaschen lässt. Dann ist der Traum wie ein durch die Gassen flüchtender Kerl, von dem ich noch die Fußhacke sehe, bevor er um die nächste Ecke verschwindet. Und eile ich hinterher, biegt er schon um die nächste Ecke, aber diesmal sehe ich das flatternde Hosenbein. Das macht Mut, ich strenge mich an, erblicke sogar seinen Rücken, aber dann schlägt er mir grinsend ein Schnippchen, wird schneller und schneller, bis mir die Puste ausgeht und ich mich resigniert an eine Hauswand lehne, derweil er sich in der Ferne verflüchtigt. Ich wende mich ab. Plötzlich scheint er mich zu rufen, taucht wieder aus dem Nebel auf, kommt sogar näher und lockt mich. Aber will ich ihn ergreifen, dann rennt er schneller als zuvor.
Letzte Nacht gegen Morgen träumte ich, einen Text zu schreiben. Er war nicht erbaulich, sondern eine sarkastische Bestandsaufnahme dieser Welt an ineinander verwobenen Beispielen. Seltsamerweise träumte ich dann, dass ich den Text nach dem Erwachen wohl kaum noch vor Augen hätte. Da muss ich mich schon im Halbschlaf befunden haben, träumte nicht einfach willenlos daher, sondern versuchte einiges zu sichern, in eine feste Form zu bringen, die sich leicht memorieren ließe. Geholfen hat es nicht. Sobald ich die Augen aufschlug, rannte der Traum von mir fort.
Gestern Abend, als mich einmal mehr der Weltschmerz umfing, da dachte ich schon, dass es wenig hilft, die gesellschaftlichen Übel immer wieder aufzuzeigen. Man muss sich gelegentlich anderen Themen zuwenden. Daher nehme ich den vergessenen Traum als Zeichen und schreibe über das Traumphänomen selbst. Offenbar ist etwas im Kopf klüger als wir. Man muss es nur gewähren lassen, die Dinge zu richten. Wir wissen, dass es besser ist, eine wichtige Entscheidung nicht am Abend zu fällen, sondern sie zu überschlafen. Am Abend ist der Verstand von den Wirren des Tages geschwächt und daher kein kluger Ratgeber. Auch was man am Abend niederschreibt, hat unter der hellen Morgensonne kaum Bestand.
Es heißt, der visionäre Malerdichter William Blake (1757 – 1827) habe eine künstlerische Drucktechnik erfunden, die Reliefradierung. Er selbst berichtete, im Traum sei ihm sein verstorbener Bruder erschienen und habe ihm die neue Drucktechnik beigebracht. Man muss nicht daran glauben, dass Verstorbene in den Träumen der Lebenden herumgeistern und sich sogar mit so irdischen Dingen wie der Weiterentwicklung von Drucktechniken beschäftigen. Vielleicht war Blakes verstorbener Bruder nur ein Bild, in das der selbsttätig arbeitende Verstand die Lösung eines Problems kleidete, mit dem sich William Blake am Abend zuvor beschäftigt hatte.
Natürlich ist ein verstorbener Bruder ein starkes Bild, das am Morgen nicht so leichtfüßig davonrennt wie mein Traumgesicht. Überhaupt hat es etwas mit Achtung und Beachtung zu tun, mit der Frage, wie ernst und wichtig man seine Phantasien nimmt und ob man bereit ist, Phantasien hervorzulocken, mit ihnen zu spielen und ihnen lang genug hinterher zu rennen. Denn alles Neue muss in der Phantasie vorweggenommen sein. Das so genannte Kreative fällt nicht vom Himmel und entspringt auch nicht dem Musenkuss. Wer nicht spielerisch umzugehen versteht mit seiner Realität, dessen Himmel ist grau und dessen Lippen taugen nur dazu, das nachzuplappern, was andere schon x-mal vorgeplappert haben.
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Letzte Nacht gegen Morgen träumte ich, einen Text zu schreiben. Er war nicht erbaulich, sondern eine sarkastische Bestandsaufnahme dieser Welt an ineinander verwobenen Beispielen. Seltsamerweise träumte ich dann, dass ich den Text nach dem Erwachen wohl kaum noch vor Augen hätte. Da muss ich mich schon im Halbschlaf befunden haben, träumte nicht einfach willenlos daher, sondern versuchte einiges zu sichern, in eine feste Form zu bringen, die sich leicht memorieren ließe. Geholfen hat es nicht. Sobald ich die Augen aufschlug, rannte der Traum von mir fort.
Gestern Abend, als mich einmal mehr der Weltschmerz umfing, da dachte ich schon, dass es wenig hilft, die gesellschaftlichen Übel immer wieder aufzuzeigen. Man muss sich gelegentlich anderen Themen zuwenden. Daher nehme ich den vergessenen Traum als Zeichen und schreibe über das Traumphänomen selbst. Offenbar ist etwas im Kopf klüger als wir. Man muss es nur gewähren lassen, die Dinge zu richten. Wir wissen, dass es besser ist, eine wichtige Entscheidung nicht am Abend zu fällen, sondern sie zu überschlafen. Am Abend ist der Verstand von den Wirren des Tages geschwächt und daher kein kluger Ratgeber. Auch was man am Abend niederschreibt, hat unter der hellen Morgensonne kaum Bestand.
Es heißt, der visionäre Malerdichter William Blake (1757 – 1827) habe eine künstlerische Drucktechnik erfunden, die Reliefradierung. Er selbst berichtete, im Traum sei ihm sein verstorbener Bruder erschienen und habe ihm die neue Drucktechnik beigebracht. Man muss nicht daran glauben, dass Verstorbene in den Träumen der Lebenden herumgeistern und sich sogar mit so irdischen Dingen wie der Weiterentwicklung von Drucktechniken beschäftigen. Vielleicht war Blakes verstorbener Bruder nur ein Bild, in das der selbsttätig arbeitende Verstand die Lösung eines Problems kleidete, mit dem sich William Blake am Abend zuvor beschäftigt hatte.
Natürlich ist ein verstorbener Bruder ein starkes Bild, das am Morgen nicht so leichtfüßig davonrennt wie mein Traumgesicht. Überhaupt hat es etwas mit Achtung und Beachtung zu tun, mit der Frage, wie ernst und wichtig man seine Phantasien nimmt und ob man bereit ist, Phantasien hervorzulocken, mit ihnen zu spielen und ihnen lang genug hinterher zu rennen. Denn alles Neue muss in der Phantasie vorweggenommen sein. Das so genannte Kreative fällt nicht vom Himmel und entspringt auch nicht dem Musenkuss. Wer nicht spielerisch umzugehen versteht mit seiner Realität, dessen Himmel ist grau und dessen Lippen taugen nur dazu, das nachzuplappern, was andere schon x-mal vorgeplappert haben.
Ein knackiger, stringenter Text...
... lieber Trittenheimer da oben im Hohen Norden; allein: schön, wenn man "da" oder "damit" oder wie auch immer spielen kann...
Ach.
(... es gibt noch mehr so "Problemlösungsträume"... dieser Typ mit dem Benzol-Ring, der die Form der Formel im Traum sah... das war aber garantiert ohne grummelndes Grauen usw...)
Vielleicht kehren wir im Traum in das Große Energiefeld zurück, um es anzuzapfen oder so... und Tod ist, wenn man dann nicht mehr zurück kommt aus dem Feld... weiß der Geier...
MfG
Das Fossil (Theoretiker)
Mit der Idee des großen Energiefeldes
Dankeschön für das Beispiel von Kekulés Benzolringformel. Ich hatte schon mal davon gelesen, es aber wieder vergessen. Zum Glück gibt's ja die Auslagerung des Gedächtnisses im Internet: Wikipedia. http://de.wikipedia.org/wiki/Benzol
Das intellektuelle Spielen "da" und "damit" begleitet mich seit meinem Studium. Daran war ein Kunst-Professor schuld, dessen Ideen zum Teil in die Figur des Jeremias Coster eingeflossen sind. Wesentlich ist, dass nicht immer eine Entscheidung getroffen werden muss, wie eine Sache zu betrachten oder zu bewerten sei. Diese Ambiguitätstoleranz lässt sich trainieren, und ich arbeite schon lange daran, sie so oft wie nötig einzusetzen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Ambiguit%C3%A4tstoleranz
Sie ist unerlässlich für jede schöpferische Arbeit und erleichtert generell das Leben.
Schöne Grüße
Dein Trittenheim
Das war auch meine Meinung...
... betreffs der "Energiefeldes" usw. (wie man das nennt, ist ja Wurscht: da gibt es tausende Bezeichnungen), vorher...
Außerdem ist das immer 'ne tolle "Deutung": als Mitti wäre ich ja strikt materialistisch konditioniert, hätte alle "esoterischen", "transzendenten" usw. Belange völlig ausgeblendet und hätte nun geradezu zwangsläufig "überflutet" werden müssen davon (auch wieder C. G. Jung, der "Schatten"), aber das "zieht" eben nicht...
Das Lähbänn gäht immar weitar!!!
Peh-Ess
(...ich glaube auch, dass ich (erst mal) mehr Frustrationstoleranz "gebrauchen" könnte...)