Schlangenlinien auf der Gegenspur

Am Sonntag bin ich mit dem Fahrrad mitten auf der Straße gefahren und bei Rot über die Ampel, unter den Augen der hannöverschen Polizei. Anschließend, weil’s so schön war: Schlangenlinien auf der Gegenspur, und zwar ungefähr da, wo sie Frau Käßmann aus dem Phaeton gezerrt haben. Die Polizei ließ mich gewähren, nicht etwa, weil ich keine Bischöfin bin und man mich aus meinem Fahrrad nicht herauszerren könnte, sondern weil in Hannover autofreier Sonntag war – mit Spektakel in der gesamten Innenstadt und rundum. Plötzlich schien es, als wären fast alle Hannoveraner Bummler, Radfahrer oder Mitglieder von Vereinigungen, die nichts Besseres zu tun haben, als Stände mit alternativen Fortbewegungs- und Energiekonzepten zu errichten, Kunstrad zu fahren, um aufgestellte Hütchen zu skaten oder auf Stelzen zu laufen.

Anders die manischen Autofahrer, die in den Außenbezirken auf die Aufhebung der Sperrungen gewartet haben, um endlich wieder in die Innenstadt zu brausen und dem Wahnsinn zu frönen, den man Autoverkehr nennt.

Gewiss war am Abend der Teufel los auf den Straßen Hannovers, denn der Triebstau der Autofahrer wird gewaltig gewesen sein. Endlich mal wieder jemand totfahren können, wenigstens ein bisschen verletzten, erschrecken, anmaulen, anhupen oder immerhin das Autofahrermantra „Arschloch!“ murmeln. Natürlich haben Autofahrer auch Rechte. Aber sie werden nicht gern hören, was am Sonntag allenthalben gedacht wurde, als sie nicht da waren, wie wunderschön nämlich die Welt wäre, wenn der Mensch nicht zwanghaft Autofahren müsste. Dieser unbändige Zwang hat wahrscheinlich etwas mit frühkindlicher Konditionierung zu tun, beispielsweise durch Bobbycars, auf die man seit Jahrzehnten unschuldige Kinder setzt, damit sie lernen, dass nur der Mensch mit vier lärmenden Rädern unterm Arsch ein angesehenes und vollwertiges Mitglied der Gesellschaft ist.

Rund 4000 Verkehrstote jährlich sind keine Kleinigkeit. Wir müssten mindestens eine Kompanie Selbstmordattentäter ins Land holen, um das zu toppen. Aber warum ausländische Arbeitskräfte für eine Sache anwerben, die wir selber viel besser können, zumal ein paar verstreute Sprengsätze zwar saftige Kollateralschäden anrichten, aber nicht geeignet sind, eine Dunstglocke aus Abgasen über die Stadt zu stülpen. Bei ausgedehnten Wanderungen oder Radtouren durch den Wald bekomme ich häufig Kopfschmerzen. Da sind einfach nicht genug Abgase in der Luft, weshalb Selbstmordattentäter für mich keine Alternative sind. ADAC-Mitglieder sind zuverlässiger. Das ist noch gute deutsche Wertarbeit. Und so gesehen, bin ich doch ziemlich froh, dass der autofreie Quatsch nur einmal im Jahr stattfindet.
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