Sattelnotstand in Hannover - Felgenschlag in Aachen

Man hat mich beklaut, mich bestohlen, mir die Lampe vom Fahrrad abgezogen. Wer war das? Fluch über dich, du elender Mensch. Du sollst am eigenen Leibe fühlen, wie unangenehm es berührt, wenn man beklaut worden ist. Man klaue dir die Satellitenschüssel! Es ist nicht nur der Verlust von Licht, Bild und Ton, nein, es ist auch die ärgerliche Aussicht auf den Aufwand der Wiederbeschaffung und Montage, mal abgesehen davon, dass es auch noch Geld zu kosten beliebt.

Beim Discounter gab es heute preiswerte Fahrradsättel. Vielmehr waren schon alle weg, als ich gegen Mittag dort ankam. Nur noch das Schild war da, und das leere Korbfach gähnte mich an und sagte: „Ich habe meine Arbeit schon in aller Früh getan, als du noch faul in den Morgen gegammelt hast.“ Das fand ich ziemlich unverschämt, denn woher sollte ich wissen, dass in Hannover ein derart großer Notstand an Fahrradsätteln herrscht, dass man sich im Morgengrauen vor dem Laden anstellen muss und womöglich noch in Nahkämpfe verstrickt wird. Was ist denn bloß los in Hannover? Wo sind eure Sättel hin?

Mann - sein Fahrrad und Wolke
Vermutlich sind sie durchgescheuert oder mürbe geworden vom vielen Besessensein. Denn in Hannover fährt man gut und gerne Rad. Bisher sah ich keine Stadt, die ein solch ausgedehntes und gut angelegtes Radwegenetz hat. Jede Straße, die breiter ist als ein Eselspfad, hat mindestens auf einer Seite einen Radfahrweg, und manche Gassen sind überhaupt nur Fahrradstraßen, weil sie links und rechts Radwege haben, weshalb dann gar kein Platz mehr für die Autofahrbahn ist. Nahezu wunderbar ist die Absenkung der Bordsteine an Straßeneinmündungen. Sie sind derart sanft, dass man am liebsten nur auf und ab fahren würde. In Aachen hingegen sind die Absenkungen so ruppig steil, dass man sich einen Schlag in die Felge holen kann, weshalb man in Aachen auch mehr Fahrräder sehen kann, die einen Schlag im Reifen haben. Eigentlich hat jedes Rad in Aachen mindestens einen Schlag in der Felge. Man kauft sie schon so. Inzwischen muss ich zugeben, dass Aachen, an Hannover gemessen, eine Radfahrerdiaspora ist. Das liegt natürlich auch an den vielen Hügeln in und um Aachen, die ein Radfahrer ständig vor den Bauch bekommt. Da zweifeln die Stadtväter vermutlich daran, ob sie die Extremsportart Radfahren überhaupt fördern sollen.

Das Stadtgebiet von
Hannover dagegen ist flach, abgesehen vom Lindener Berg, von den Brücken über die Leine, die Ihme, den Mittellandkanal und über diverse Eisenbahnlinien und Autobahnen. Ziemlich abenteuerlich sind die Brücken über die Schnellwege im ausgedehnten Stadtwald, der Eilenriede. Manche führen in einer Art Parabel hinüber, die an ihrer steilsten Stelle gut 20 Prozent Steigung hat. Da hoch zu fahren, das ist ein bisschen wie Achterbahn. Die Kuppe ist so spitz, dass man zweifelt, ob man hoch über dem brandenden Autoverkehr überhaupt stehen kann. Auch hat man am Fuß der Parabel nicht die Gewissheit, dass sie auch eine andere Seite hat, so dass man mit leiser Sorge gen Himmel fährt. Die Erbauer dieser Kunstwerke haben vorsorglich an beiden Enden der Brücken rotweiß markierte Sperren angebracht. Daher kann man weder mit Schwung hinauffahren, noch vollstoff hinabsausen. Natürlich dient diese Vorsichtsmaßnahme auch der Sicherheit der Fußgänger.

Man hat ja schon von den wunderlichen Fällen gehört, dass sich Hund und Katze vertragen, sogar aus einem Napf fressen. So ähnlich wunderbar ist die friedliche Koexistenz der Hannöverschen Fußgänger und Radfahrer. Selbst wo sie sich den Weg teilen, geht alles gemessen, ruhig und höflich zu. Fußgänger lassen sich gelassen umkurven, Radfahrer fahren den Fußgängern kaum in die Hacken, man macht sich ohne viel Gewese Platz – ach, wäre die Welt überall so harmonisch. Ist sie aber nicht. Meine Fahrradlampe wurde gestohlen. Und ich bekam keinen neuen Fahrradsattel. Aber Lampen gab’s noch beim Discounter. Fahrradlampen gehen in Hannover nicht. Wenn der Hannoveraner eine Lampe braucht, dann klaut er eine.
2474 mal gelesen
schreiben wie atmen - 8. Apr, 17:52

Kommen Sie mal nach Karlsruhe,

Radwege und Sättel im Überfluss. Beleuchtung wurde mir bisher noch nicht geklaut, auch niemandem den ich kenne. Wenn Sie wollen radeln wir dann mal in altsaeckischer Manier durch den Schlossgarten und gucken eine Weile den Jongleuren und Seiltänzern zu. Nebenher können wir ja auf Ihre Lampe aufpassen!
:-)

Trithemius - 8. Apr, 19:01

Leider war ich noch nie in Karlsruhe

Sollte ich mal in die Nähe kommen, mit Fahrradsattel, Lampe und dem ganzen Rad dazu, sage ich Bescheid. Dankeschön jedenfalls für die freundliche Einladung. Hab mir mal das Panorama vom Schlossgarten im Internet angesehen. Der beindruckende "Karlsruher Fächer", hat der denn Platz genug für Radwege?
webgeselle - 8. Apr, 19:12

Jetzt muss ich darum bitten...


... Angaben über die Breite eines Eselspfades zu erhalten...

Und jetzt werde ich aber voll fies: erstens steht da oben "Klaut alles!", und zweitens habe ich seit heute ein richtig knackiges und fast neuwertiges Rad...



Und jetzt habe ich aber endlich auch das mit dem besessen sein begriffen: da sitzt wer auf einem drauf, was zwangsläufig besonders in Bayern hartnäckiges Alpdrücken verursacht!

Vermutlich hast Du nur vergessen, dem Gott der Radfahrer zu opfern...

Trithemius - 8. Apr, 19:30

Wie breit wird denn wohl so ein Esel sein?

Vielleicht 80-90 Zentimeter? Falls zwei Esel an einander vorbei passen sollen, wäre der weiteste Eselspfad 1,60 - 1,80 Meter breit, der engste 80 Zentimeter.

Das klaut-alles-Schild hängt hier im Teppichhaus, aber nicht an meinem Fahrrad. Sonst hättest du natürlich recht wie bei deiner Interpretation von "besessen". Man hat quasi einen Hockauf im Nacken, der einen bei den Ohren nimmt und herumdirigiert.


Glückwunsch zum neuen Fahrrad.
webgeselle - 22. Apr, 14:45

... was ein richtiger Esel ist...


... der nimmt den anderen als "Hockauf"... höhö...

(... kenne mich aus...)
Mimiotschka - 9. Apr, 06:44

[...] Wenn der Hannoveraner eine Lampe braucht, dann klaut er eine.

Um es mit den Worten von Professor Pfeiffer (Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts in Hannover) zu sagen: "Dagegen möchten wir uns dann doch verwahren." Nicht alle Lampen werden hier geklaut. Schließlich gibt es hier zwei IKEA-Häuser in der Nähe.

Trithemius - 9. Apr, 11:44

"Nicht alle Lampen werden hier geklaut." Verstehe ich das richtig? Werden die Lampen auch woanders geklaut, z.B. in Laatsen bei IKEA?
Mimiotschka - 10. Apr, 08:57

Die Betonung liegt ganz klar auf dem Wort 'geklaut', wie Sie natürlich sofort erkannt haben.
Und es heißt Laatzen!
Trithemius - 10. Apr, 09:09

Ach, verzeihen Sie, liebe Mimiotschka, man hört die Betonung hier im Teppichhaus so schlecht. Es gibt einfach zu viele
Außengeräusche.

Und danke für die Korrektur von Laatsen.
Mimiotschka - 12. Apr, 16:56

Vermutlich verschlucken die dicken Teppiche die Geräusche. Es sei Ihnen verziehen.
Videbitis (Gast) - 12. Apr, 14:06

Eine Lampe zum abziehen? Die ist im Straßenverkehr gar nicht erlaubt (echt praktisch,die Dinger, ich habe auch so eine).
Es gibt Leute, die betrachten alles, was nicht fest verschraubt oder angenietet ist, als Fundsache, die man getrost behalten darf. Ich hatte mal ein Fahrrad mit einem Spanner (oder wie man das nennt) für den Sattel, d.h., man brauchte nur einen Hebel umzulegen und konnte den Sattel samt Stange aus dem Rahmen ziehen. Ich wußte natürlich sofort, daß ich das ändern muß, da der Sattel sonst eines Tages unweigerlich verschwunden wäre, aber wie das immer so ist, ich kam einfach nicht dazu. Und so habe ich nicht schlecht gestaunt, als ich eines Tages auf mein Fahrrad steigen wollte, und was war verschwunden? Der Sattelspanner, also die Vorrichtung, den Sattel zu befestigen, der Sattel selbst war noch da.
Was dagegen mal nicht so schön war, daß mir jemand fein säuberlich einen Bremszug ausgebaut hat, das grenzte schon an Mordversuch. Sachen gibt's ...

Trithemius - 12. Apr, 22:01

Sie ist nur an Rennrädern unter neun Kilogramm erlaubt, steht in der Beschreibung meiner neuen abziehbaren Lampe. Man muss sich also drauf gefasst machen, dass die Polizei kommt, und das Rad auf die Waage stellt.

Der dir den Spanner geklaut hat, der hat vielleicht auch meinen Federsattel. Der wurde mir nämlich damals entwendet, weil ich den Schnellspanner auch nicht schnell genug gegen eine feste Verschraubung ersetzt hatte.

Fluch dem Bremszug-Dieb!

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