Benutzen Sie den Fahrradweg
von Trithemius - 17. Jul, 22:29
Radfahrer auf Ausflugsfahrt sind ziemlich freundlich. Solange sie sich nicht überanstrengen, sind sie von den Glückshormonen durchströmt, die beim Radfahren ausgeschüttet werden. Vor Jahren erzählte ich meiner Freundin davon, und sie nahm es nicht nur begeistert zur Kenntnis, sondern berichtet auch einem Exfreund, wie erquicklich das Radfahren gewesen sei, worauf der Laffe ihr ein mehrseitiges Fax sandte, worin die Glückshormone genau beschrieben waren. Weil ich mich damals geärgert habe, dass ein ungebetener Fahrgast auf meinem Gepäckträger sitzen wollte, habe ich jetzt keine Lust nachzuschauen, um welche Hormone es sich genau handelt. Jedenfalls heben sie die Stimmung, und das erlebt besonders stark, wer lange nicht mit dem Rad gefahren ist. Solche Radfahrer erkennt man an einem glückseligen Lächeln, was auf unbeteiligte Betrachter leicht dämlich wirken kann, wenn das Lächeln nicht zufällig von einer entzückenden Person herüberfliegt. Doch entzückende Personen sind ja eher selten.
Viele Radfahrer grüßen sich, wenn sie sich außerhalb des Stadtverkehrs begegnen. Manchmal liegt dem Gruß allerdings ein Missverständnis zugrunde. Wenn dir ein Radfahrer entgegen kommt und er nickt mit dem Kopf, dann kann es auch sein, dass er gerade über eine holprige Stelle fährt und einfach nur schwache Bänder im Genick hat. Beim Radsport bin ich einmal über hundert Kilometer mit einem mir unbekannten Radsportler gefahren. Weil der Wind so wehte, wechselten wir uns in der Führungsarbeit ab, und immer wenn ich an seinem Hinterrad fuhr, hatte ich sein unablässiges Kopfnicken vor Augen, und so dachte ich, er ist ein besonders bejahender Mensch. Als ich ihn am Zielort unserer Fahrt ohne Helm und Brille sah, dachte ich das nicht mehr. Die Körpersprache allein ist nicht sehr aussagekräftig. Wenn er zuverlässig urteilen will, benötigt der Mensch die Informationen mehrer Kanäle.
Bis weit in die 60er Jahre hinein konnte man in den katholischen Kirchen des Rheinlands ein Negermännchen finden. Meistens hockte das Negermännchen auf der Frauenseite im linken Kirchenschiff auf einem Pult. Die bemalte Skulptur war etwa eine Elle hoch und eigentlich eine Spardose. Ein Mohr im Kittel saß auf einem Holzkasten mit Schloss. Sein Gewand spannte sich zwischen den gespreizten Beinen, und mittendrin war ein Geldschlitz. Als Kind durfte ich manchmal Geld in diesen Schlitz werfen. Die Münze fiel in den Kasten darunter und betätigte dabei einen Mechanismus, so dass der Mohr mit dem Kopf nickte. Er nickte eine ganze Weile und bedankte sich für die Spende an die armen Menschen in der Diaspora. Ich dachte lange Zeit, Diaspora sei ein Land in Afrika, in dem die Mohren herumsitzen und darauf warten, dass ihnen eine mitleidige Seele Geld in den Schoß wirft.
Aus Gründen der politischen Korrektheit ist das Negermännchen verschwunden, wie auch der Sarottimohr. Im Eingang eines Juwelierladens in der Aachener Innenstadt steht jedoch ein Mohr. Besser gesagt: Dort steht von morgens bis abends ein prächtig muskulöser Neger. Er trägt einen schwarzen Anzug, hat eine Brille mit Goldrand und schaut ein bisschen grimmig, was ihm mit den Stunden immer leichter fallen dürfte.
Der Mann bewacht die Diamanten, die seine schwarzen Brüder für einen Hungerlohn aus heimischen Bergwerken graben. Vermutlich verdient er selbst etwa 2,50 Euro die Stunde, denn er steht ja in Deutschland nur in der Tür. Und von diesem Geld muss er noch die Auslagen für den schwarzen Anzug und die Goldrandbrille abstottern. Ob der schwarze Mann gehalten ist zu nicken, wenn ein Kunde in den Laden geht, habe ich noch nicht beobachten können. Doch vermutlich ist das nicht nötig, die Klientel des Juweliers wird ihn kaum wahrnehmen.
Sollten sie den Wachmann nicken sehen, dann würden die gutsituierten Damen und Herren ihn trotzdem nicht Negermännchen nennen. In Deutschland ist man auf gute Formen bedacht. Wir möchten nämlich nicht daran erinnert werden, dass ein Großteil unseres Wohlstands auf der Ausbeutung der Afrikaner beruht. Jeder von uns verbraucht mehr Energie als er selbst zu erzeugen im Stande ist. Wollte ich meinen Rechner mit Strom von meinem Fahrraddynamo versorgen, könnte ich diesen Text heute nicht veröffentlichen. Als Bild: Damit der Abendbummel hier und jetzt zu lesen ist, müssen in Afrika 25 Menschen auf aufgebockte Fahrräder springen und einen Tag lang strampeln. Und falls einer für kurze Zeit einen Anflug von Glückshormonen spürt, dann zahlt er Vergnügungssteuer.
Guten Abend