Sattelnotstand in Hannover - Felgenschlag in Aachen
von Trithemius - 8. Apr, 16:18
Man hat mich beklaut, mich bestohlen, mir die Lampe vom Fahrrad abgezogen. Wer war das? Fluch über dich, du elender Mensch. Du sollst am eigenen Leibe fühlen, wie unangenehm es berührt, wenn man beklaut worden ist. Man klaue dir die Satellitenschüssel! Es ist nicht nur der Verlust von Licht, Bild und Ton, nein, es ist auch die ärgerliche Aussicht auf den Aufwand der Wiederbeschaffung und Montage, mal abgesehen davon, dass es auch noch Geld zu kosten beliebt.
Beim Discounter gab es heute preiswerte Fahrradsättel. Vielmehr waren schon alle weg, als ich gegen Mittag dort ankam. Nur noch das Schild war da, und das leere Korbfach gähnte mich an und sagte: „Ich habe meine Arbeit schon in aller Früh getan, als du noch faul in den Morgen gegammelt hast.“ Das fand ich ziemlich unverschämt, denn woher sollte ich wissen, dass in Hannover ein derart großer Notstand an Fahrradsätteln herrscht, dass man sich im Morgengrauen vor dem Laden anstellen muss und womöglich noch in Nahkämpfe verstrickt wird. Was ist denn bloß los in Hannover? Wo sind eure Sättel hin?
Vermutlich sind sie durchgescheuert oder mürbe geworden vom vielen Besessensein. Denn in Hannover fährt man gut und gerne Rad. Bisher sah ich keine Stadt, die ein solch ausgedehntes und gut angelegtes Radwegenetz hat. Jede Straße, die breiter ist als ein Eselspfad, hat mindestens auf einer Seite einen Radfahrweg, und manche Gassen sind überhaupt nur Fahrradstraßen, weil sie links und rechts Radwege haben, weshalb dann gar kein Platz mehr für die Autofahrbahn ist. Nahezu wunderbar ist die Absenkung der Bordsteine an Straßeneinmündungen. Sie sind derart sanft, dass man am liebsten nur auf und ab fahren würde. In Aachen hingegen sind die Absenkungen so ruppig steil, dass man sich einen Schlag in die Felge holen kann, weshalb man in Aachen auch mehr Fahrräder sehen kann, die einen Schlag im Reifen haben. Eigentlich hat jedes Rad in Aachen mindestens einen Schlag in der Felge. Man kauft sie schon so. Inzwischen muss ich zugeben, dass Aachen, an Hannover gemessen, eine Radfahrerdiaspora ist. Das liegt natürlich auch an den vielen Hügeln in und um Aachen, die ein Radfahrer ständig vor den Bauch bekommt. Da zweifeln die Stadtväter vermutlich daran, ob sie die Extremsportart Radfahren überhaupt fördern sollen.
Das Stadtgebiet von Hannover dagegen ist flach, abgesehen vom Lindener Berg, von den Brücken über die Leine, die Ihme, den Mittellandkanal und über diverse Eisenbahnlinien und Autobahnen. Ziemlich abenteuerlich sind die Brücken über die Schnellwege im ausgedehnten Stadtwald, der Eilenriede. Manche führen in einer Art Parabel hinüber, die an ihrer steilsten Stelle gut 20 Prozent Steigung hat. Da hoch zu fahren, das ist ein bisschen wie Achterbahn. Die Kuppe ist so spitz, dass man zweifelt, ob man hoch über dem brandenden Autoverkehr überhaupt stehen kann. Auch hat man am Fuß der Parabel nicht die Gewissheit, dass sie auch eine andere Seite hat, so dass man mit leiser Sorge gen Himmel fährt. Die Erbauer dieser Kunstwerke haben vorsorglich an beiden Enden der Brücken rotweiß markierte Sperren angebracht. Daher kann man weder mit Schwung hinauffahren, noch vollstoff hinabsausen. Natürlich dient diese Vorsichtsmaßnahme auch der Sicherheit der Fußgänger.
Man hat ja schon von den wunderlichen Fällen gehört, dass sich Hund und Katze vertragen, sogar aus einem Napf fressen. So ähnlich wunderbar ist die friedliche Koexistenz der Hannöverschen Fußgänger und Radfahrer. Selbst wo sie sich den Weg teilen, geht alles gemessen, ruhig und höflich zu. Fußgänger lassen sich gelassen umkurven, Radfahrer fahren den Fußgängern kaum in die Hacken, man macht sich ohne viel Gewese Platz – ach, wäre die Welt überall so harmonisch. Ist sie aber nicht. Meine Fahrradlampe wurde gestohlen. Und ich bekam keinen neuen Fahrradsattel. Aber Lampen gab’s noch beim Discounter. Fahrradlampen gehen in Hannover nicht. Wenn der Hannoveraner eine Lampe braucht, dann klaut er eine.
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Beim Discounter gab es heute preiswerte Fahrradsättel. Vielmehr waren schon alle weg, als ich gegen Mittag dort ankam. Nur noch das Schild war da, und das leere Korbfach gähnte mich an und sagte: „Ich habe meine Arbeit schon in aller Früh getan, als du noch faul in den Morgen gegammelt hast.“ Das fand ich ziemlich unverschämt, denn woher sollte ich wissen, dass in Hannover ein derart großer Notstand an Fahrradsätteln herrscht, dass man sich im Morgengrauen vor dem Laden anstellen muss und womöglich noch in Nahkämpfe verstrickt wird. Was ist denn bloß los in Hannover? Wo sind eure Sättel hin?
Vermutlich sind sie durchgescheuert oder mürbe geworden vom vielen Besessensein. Denn in Hannover fährt man gut und gerne Rad. Bisher sah ich keine Stadt, die ein solch ausgedehntes und gut angelegtes Radwegenetz hat. Jede Straße, die breiter ist als ein Eselspfad, hat mindestens auf einer Seite einen Radfahrweg, und manche Gassen sind überhaupt nur Fahrradstraßen, weil sie links und rechts Radwege haben, weshalb dann gar kein Platz mehr für die Autofahrbahn ist. Nahezu wunderbar ist die Absenkung der Bordsteine an Straßeneinmündungen. Sie sind derart sanft, dass man am liebsten nur auf und ab fahren würde. In Aachen hingegen sind die Absenkungen so ruppig steil, dass man sich einen Schlag in die Felge holen kann, weshalb man in Aachen auch mehr Fahrräder sehen kann, die einen Schlag im Reifen haben. Eigentlich hat jedes Rad in Aachen mindestens einen Schlag in der Felge. Man kauft sie schon so. Inzwischen muss ich zugeben, dass Aachen, an Hannover gemessen, eine Radfahrerdiaspora ist. Das liegt natürlich auch an den vielen Hügeln in und um Aachen, die ein Radfahrer ständig vor den Bauch bekommt. Da zweifeln die Stadtväter vermutlich daran, ob sie die Extremsportart Radfahren überhaupt fördern sollen.
Das Stadtgebiet von Hannover dagegen ist flach, abgesehen vom Lindener Berg, von den Brücken über die Leine, die Ihme, den Mittellandkanal und über diverse Eisenbahnlinien und Autobahnen. Ziemlich abenteuerlich sind die Brücken über die Schnellwege im ausgedehnten Stadtwald, der Eilenriede. Manche führen in einer Art Parabel hinüber, die an ihrer steilsten Stelle gut 20 Prozent Steigung hat. Da hoch zu fahren, das ist ein bisschen wie Achterbahn. Die Kuppe ist so spitz, dass man zweifelt, ob man hoch über dem brandenden Autoverkehr überhaupt stehen kann. Auch hat man am Fuß der Parabel nicht die Gewissheit, dass sie auch eine andere Seite hat, so dass man mit leiser Sorge gen Himmel fährt. Die Erbauer dieser Kunstwerke haben vorsorglich an beiden Enden der Brücken rotweiß markierte Sperren angebracht. Daher kann man weder mit Schwung hinauffahren, noch vollstoff hinabsausen. Natürlich dient diese Vorsichtsmaßnahme auch der Sicherheit der Fußgänger.
Man hat ja schon von den wunderlichen Fällen gehört, dass sich Hund und Katze vertragen, sogar aus einem Napf fressen. So ähnlich wunderbar ist die friedliche Koexistenz der Hannöverschen Fußgänger und Radfahrer. Selbst wo sie sich den Weg teilen, geht alles gemessen, ruhig und höflich zu. Fußgänger lassen sich gelassen umkurven, Radfahrer fahren den Fußgängern kaum in die Hacken, man macht sich ohne viel Gewese Platz – ach, wäre die Welt überall so harmonisch. Ist sie aber nicht. Meine Fahrradlampe wurde gestohlen. Und ich bekam keinen neuen Fahrradsattel. Aber Lampen gab’s noch beim Discounter. Fahrradlampen gehen in Hannover nicht. Wenn der Hannoveraner eine Lampe braucht, dann klaut er eine.