Einspaltiger toter Briefkasten
von Trithemius - 5. Jul, 22:10
Nach einem arbeitsreichen Tag und Fußwegen durch Nässe und, ja, sogar Kälte zu Hause aufs Bett zu fallen und einzuschlafen, derweil Musik dudelt und der Abend langsam herabsinkt, das geht ja noch. Doch ich träumte unentwegt von einem Text, den ich zu einer Glosse umschreiben sollte und der einfach nicht in die vorgesehenen drei Zeitungsspalten passen wollte.
Konservenmusik kann etwas Gnadenloses haben. Musiker aus Fleisch und Blut wären nach und nach leiser geworden und von wilden Rhythmen zu sanften Klängen übergegangen. Sie hätten mir die Glosse in eine gefällige typographische Form musiziert. Und wenn ich mich erleichtert aufseufzend herumgedreht hätte, dann hätten die achtsamen Musiker ihre Instrumente eingepackt und wären auf Zehenspitzen gegangen, nicht ohne mich vor dem Hinausgehen noch zuzudecken. Da ich aber Musik-Konserven hörte, erwachte ich völlig durchgefroren und in dem Bewusstsein, der Text passt noch immer nicht ins Layout.
Gut, ich habe mir einen Pullover übergezogen, die Heizung angemacht und schreibe jetzt einfach einen einspaltigen Text, der so lang sein kann, wie er will. Und damit weder Hurenkinder, Schusterjungen noch Gießbäche das Druckbild stören, gibt es auch keinen umlaufenden Text, sondern zwei Fotos übereinander. Typographische Fehler werden ja selten so richtig wahrgenommen. Doch sie knirschen beim Lesen und hinterlassen unerquickliche Gefühle, so dass der Leser unwirsch aufschaut, nicht wissend, was ihm die Laune verhagelt hat, und schon kriegen Unschuldige ihr Fett weg, die vielleicht nicht einmal lesen können.
Der Nachteil meiner typographischen Fürsorglichkeit – man möge sich darauf einstellen, dass die Fotos ziemlich hässlich sind, denn sie zeigen ein ekliges Hinweiszeichen auf einen toten Briefkasten. Das Hinweiszeichen wäre weniger eklig, wenn ich es in seinem frischen Zustand hätte fotografieren können. Doch zu diesem Zeitpunkt vor zwei Tagen hatte ich mein Handy nicht bei mir. So ist dann wohl auch die geheime Nachricht schon abgeholt worden. Hoffentlich fand der Agent nicht die Anweisung vor, weitere tote Briefkästen einzurichten, denn wie gesagt, wenn auch der tote Briefkasten selbst für das unkundige Auge unsichtbar ist, das Hinweiszeichen ist nicht schön anzusehen.
Erdbeerjoghurt auf Bürgersteig vor einem verwaisten Ladenlokal
Fotos: Trithemius
Am 24. Juli 1994 schilderte der Ex-KGB-Agent Victor Suverov im Niederländischen Fernsehen einige Praktiken des KGB. Sowjetische KGB-Agenten hätten zum Markieren toter Briefkästen ausgegossenen Joghurt benutzt. Die Farbe markierte die Wichtigkeit der Information. Befragt, warum gerade Joghurt, sagte Suverov, Joghurt auf dem Bürgersteig sehe eklig aus. Jeder mache einen Bogen darum.
Eben stellte ich fest, dass sich seit kurzem auch in meiner Wohnung ein toter Briefkasten befindet. Es ist mein Kühlschrank. In ihm steht ein einsamer Becher Erdbeerjoghurt. Die geheime Botschaft ist klar: Geh einkaufen, Mann. Leider sah ich sie zu spät, denn ich hatte ja stundenlang mit den drei Spalten einer unpassenden Glosse gekämpft.
Guten Abend
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Konservenmusik kann etwas Gnadenloses haben. Musiker aus Fleisch und Blut wären nach und nach leiser geworden und von wilden Rhythmen zu sanften Klängen übergegangen. Sie hätten mir die Glosse in eine gefällige typographische Form musiziert. Und wenn ich mich erleichtert aufseufzend herumgedreht hätte, dann hätten die achtsamen Musiker ihre Instrumente eingepackt und wären auf Zehenspitzen gegangen, nicht ohne mich vor dem Hinausgehen noch zuzudecken. Da ich aber Musik-Konserven hörte, erwachte ich völlig durchgefroren und in dem Bewusstsein, der Text passt noch immer nicht ins Layout.
Gut, ich habe mir einen Pullover übergezogen, die Heizung angemacht und schreibe jetzt einfach einen einspaltigen Text, der so lang sein kann, wie er will. Und damit weder Hurenkinder, Schusterjungen noch Gießbäche das Druckbild stören, gibt es auch keinen umlaufenden Text, sondern zwei Fotos übereinander. Typographische Fehler werden ja selten so richtig wahrgenommen. Doch sie knirschen beim Lesen und hinterlassen unerquickliche Gefühle, so dass der Leser unwirsch aufschaut, nicht wissend, was ihm die Laune verhagelt hat, und schon kriegen Unschuldige ihr Fett weg, die vielleicht nicht einmal lesen können.
Der Nachteil meiner typographischen Fürsorglichkeit – man möge sich darauf einstellen, dass die Fotos ziemlich hässlich sind, denn sie zeigen ein ekliges Hinweiszeichen auf einen toten Briefkasten. Das Hinweiszeichen wäre weniger eklig, wenn ich es in seinem frischen Zustand hätte fotografieren können. Doch zu diesem Zeitpunkt vor zwei Tagen hatte ich mein Handy nicht bei mir. So ist dann wohl auch die geheime Nachricht schon abgeholt worden. Hoffentlich fand der Agent nicht die Anweisung vor, weitere tote Briefkästen einzurichten, denn wie gesagt, wenn auch der tote Briefkasten selbst für das unkundige Auge unsichtbar ist, das Hinweiszeichen ist nicht schön anzusehen.
Erdbeerjoghurt auf Bürgersteig vor einem verwaisten Ladenlokal
Fotos: Trithemius
Am 24. Juli 1994 schilderte der Ex-KGB-Agent Victor Suverov im Niederländischen Fernsehen einige Praktiken des KGB. Sowjetische KGB-Agenten hätten zum Markieren toter Briefkästen ausgegossenen Joghurt benutzt. Die Farbe markierte die Wichtigkeit der Information. Befragt, warum gerade Joghurt, sagte Suverov, Joghurt auf dem Bürgersteig sehe eklig aus. Jeder mache einen Bogen darum.
Eben stellte ich fest, dass sich seit kurzem auch in meiner Wohnung ein toter Briefkasten befindet. Es ist mein Kühlschrank. In ihm steht ein einsamer Becher Erdbeerjoghurt. Die geheime Botschaft ist klar: Geh einkaufen, Mann. Leider sah ich sie zu spät, denn ich hatte ja stundenlang mit den drei Spalten einer unpassenden Glosse gekämpft.
Guten Abend
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Jetzt verstehe ich endlich...
Wo du es sagst,