Abendbummel – Leistungsträger mit rostiger Kette
von Trithemius - 19. Mai, 21:19
Weil mein fauler Nachmittagskopf mal wieder nicht denken wollte, setzte ich mich trotz stürmischer Witterung aufs Rad und fuhr an Ihme und Leine entlang, streifte den Maschsee und umrundete die Ricklinger Teiche. Im Ricklinger Holz verlor ich ein bisschen die Orientierung, weil ich unbedingt mir unbekannte Wege fahren wollte, umarmte dafür in Ruhe und unbeobachtet eine stattliche Buche und fand dann beinah nach Hause, wenn mich nicht eine Neueröffnung gelockt hätte: „Deutschlands größter Fahrradfachmarkt“, auf 10.000 Qadratmetern in der ehemaligen Flugzeughalle von Hanomag. Dieser funkelnde Radfahrertempel weckte in mir eine Unzahl von Gelüsten. Nie zuvor habe ich so viele neue Fahrräder gesehen. In den breiten Gängen sah ich die potentiellen Käufer auf ihren potentiellen Neuerwerbungen Probe fahren, widerstand aber der Versuchung, es ihnen nachzumachen.
Später hielt ich an einem Kiosk. Da stand ein junger Mann, fast noch ein Kind, ein wenig verlottert. Er trug die rote Jacke eines Pizza-Lieferservices und eine verschossene Camouflage-Hose. Hinten auf seinem uralten roten Damenfahrrad hatte er ein Gestänge für die Pizza-Liefertasche. Das Rad hatte keine Gangschaltung, und die Kette war völlig verrostet. Ich mochte kaum glauben, dass die Kettenglieder sich noch bewegen würden. Während ich wartete, kaufte der Junge sich für 25 Cent Süßigkeiten, eine Colaflasche aus Weingummi, eine kleine gelbe Banane von mir unbekannter Konsistenz und irgendwas aus Schaum.
Nachdem ich mein Rad auf dem Hof abgestellt hatte und hinauf wollte in meine Wohnung, sah ich durch die Glasscheibe der Haustür eine rote Jacke, hörte, wie es im Haus irgendwo klingelte, und dann war der Junge hinter mir auf der Treppe. Er stieg sie hoch wie ein alter Mann. Dieses Nebeneinander von glitzerndem Überfluss und hoffnungsloser Unterversorgung macht mich manchmal gemütskrank.
Guten Abend
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Später hielt ich an einem Kiosk. Da stand ein junger Mann, fast noch ein Kind, ein wenig verlottert. Er trug die rote Jacke eines Pizza-Lieferservices und eine verschossene Camouflage-Hose. Hinten auf seinem uralten roten Damenfahrrad hatte er ein Gestänge für die Pizza-Liefertasche. Das Rad hatte keine Gangschaltung, und die Kette war völlig verrostet. Ich mochte kaum glauben, dass die Kettenglieder sich noch bewegen würden. Während ich wartete, kaufte der Junge sich für 25 Cent Süßigkeiten, eine Colaflasche aus Weingummi, eine kleine gelbe Banane von mir unbekannter Konsistenz und irgendwas aus Schaum.
Nachdem ich mein Rad auf dem Hof abgestellt hatte und hinauf wollte in meine Wohnung, sah ich durch die Glasscheibe der Haustür eine rote Jacke, hörte, wie es im Haus irgendwo klingelte, und dann war der Junge hinter mir auf der Treppe. Er stieg sie hoch wie ein alter Mann. Dieses Nebeneinander von glitzerndem Überfluss und hoffnungsloser Unterversorgung macht mich manchmal gemütskrank.
Guten Abend