schreiben wie atmen - 27. Jan, 12:25

Der Verlust der Handschrift

liefe auf den Verlust eines direkten Zuganges zu den Inhalten unseres Halb- und Unbewußten. Früher wendete ich bei vielen meiner Klienten das Schreiben als effektives Therapiemittel an. Auch in meinen Schreibkursen erlebe ich immer wieder diese besondere Dimension des Schreibens mit der Hand. Oft sind Menschen, die diese Erfahrung machen, sehr überrascht und sehen das Schreiben als Ausdrucksmittel danach in einem anderen Licht.
Genau wie wir uns mit der verschwindenden alltäglichen Bewegung unter freiem Himmel und der immer seltener werdenden direkten und ausführlichen Kommunikation mit Menschen, die uns leibhaftig gegenübersitzen zweier unersetzlicher Mittel zur Gesunderhaltung berauben, nähmen wir uns mit der fließenden Handschrift ein Mittel das uns die Kommunikation mit uns selbst leichter machen kann.
Geschwurbel hin, Geschwurbel her - ich fände es jedenfalls jammerschade.

Trithemius - 27. Jan, 18:21

Weil ich es auch jammerschade fände, habe ich auch bislang nicht wahrhaben wollen, dass die Handschrift eine versinkende Kulturtechnik ist. Bei mir selbst kann ich beobachten, dass mir der Umweg über die Handschrift oft zu lästig ist. Dabei habe ich bis vor zehn Jahren noch sehr viel mit der Hand geschrieben, beruflich und privat (Tagebuch).

Als therapeutisches Mittel der Kommunikation mit sich selbst kenne ich das Schreiben nicht. Wie meinen Sie das? Die Surreralisten glaubten ja, man könne mit dem "Automatischen Schreiben" das Unbewusste aufschließen.
schreiben wie atmen - 27. Jan, 19:17

Genau das.
Wobei das längst nicht nur die Surrealisten glauben ;o)
Trithemius - 27. Jan, 19:20

webgeselle - 27. Jan, 20:25

... mindestens interessant,...

 
... dass ausgerechnet Singer fast wörtlich dasselbe sagt wie Th. Mann...

(... ich stehe nach wie vor im Wettbewerb um den Titel "unpassendster Kommentar"... chch... sorry...)

Aber im Ernst: ich habe einen "extra" Kommentar unterlassen, weil dieser Satz "liefe auf den Verlust eines direkten Zuganges zu den Inhalten unseres Halb- und Unbewußten" ins Schwarze trifft; da laufen ja eingeübte verwickelte Abläufe von der Grübelkugel bis zu den Fingerkuppen ab, nicht nur "Mitteilung"... und es hat was zu bedeuten, dass ich ein paar Hand geschriebene Tagebücher selbst nicht mehr lesen kann...

(... häff fann...)
 
 
Trithemius - 27. Jan, 21:16

Das Zitat des Tages bei Zitate.de:

„Das ist curios! Ich soll etwas gescheutes schreiben und mir fällt nichts gescheides ein.“ (Wolfgang Amadeus Mozart)

(Wettbewerb: Unpassender Kommentar)

Dein Zitat stammt vom wem und was liefe auf den Verlust hinaus?

Dass beim Handschreiben anders gedacht wird als beim Tasten, ist mir klar. Nur, wie wirkt es sich auf Texte aus? Vorab: Dieser zeitnahe Gedankenaustausch zwischen dir und mir wäre in Handschrift ja überhaupt nicht möglich. Was wir hier schreiben, ist kein Erzeugnis eines Bleistifts.
Ich glaube, der Wechsel vom Stift zur Taste hat auch eine inhaltliche Verschiebung des Schriftlichen mit sich gebracht.

Wenn die Inhalte in deiner Handschrift begraben sind, da hast du ein Gegenbeispiel. Das wäre z.B. im Internet nur durch radikales Löschen möglich. Aber die Handschrift ist noch da, die Botschaft auch, man muss zum Entziffern nur mehr Zeit und Mühe aufbringen als zuvor. Zudem haben deine Tagebücher als Exemplare eine Geschichte, die man ihnen auch ansieht, mal ein Knick, hier ein Kaffeefleck, da ein Riss, alles Hinweise auf dich als Person. Davon hat das Internet fast nichts.
webgeselle - 28. Jan, 12:48

Und ist denn das Alter furchtbar fürwahr!!!

 
...das Zitat ist auf der Startseite der Homepage (früher hieß die Startseite einer Website "Homepage", ach) von Herrn Waldscheidt, zu dem ein Link vom Blog der Alten Säckin führt, welche hier selbst eben oben kommentierte, und hatte ich denn in meinem manischem magischem Denken wieder einmal gedacht, man könne und wolle mir ohne Weiteres folgen, ach...

Das dortige Zitat aber lautet: "'Schließlich, was ist denn ein Schriftsteller? Nur seine Werke.' (Isaac Bashevis Singer)"; ich lese nämlich gerade - wieder einmal - Singer (und unterlasse es an dieser Stelle ganz ausnahmsweise, auf "mystische Zufälle" hinzuweisen, obwohl sich das gerade bei Singer anbieten würde), und ich habe aber "vergessen", den unter meinen Lieblings-Schriftstellern im Gesichtsbuch an zu führen (ebenso wie Malamud – und "malamut" ist wörtlich "Lehrer", ha! - , dessen Kurzgeschichten-Band "Das Zauberfass" ich bestimmt ein Dutzend Male gelesen habe), was natürlich wieder ein höllisch finsteres Licht auf mein so genanntes Unbewusstes werfen muss...

Thomas Mann nun aber schreibt Sinn gemäß (ich bin jetzt zu faul, die Stellen zu suchen, obwohl ich gerade immer einmal wieder ein Büchlein von ihm besitze; das schwankt je nach Bestand von Tüten-Suppen usw.; z. B. die "Buddenbrooks" hatte ich schon dreimal, allein, wenn ich in so ein Modernes Antiquariat schleiche, bin ich ja wenigstens ein bisschen an der frischen Luft, chch), ein Künstler wäre wer, der nur in seiner Kunst zu leben suche, und ansonsten – jetzt zitiere ich, glaube ich, wörtlich - "grau und abgeschminkt" einher schleichen täte als wie ein Schauspieler ohne Rolle usw.; ich weiß noch genau, dass es das war, was irgend eine Saite in mir anschlug, ach, als ich mit 14 irrsinniger Weise Thomas Mann zu rezipieren begann, immerhin beginnend mit "Tonio Kröger", was natürlich ein glücklicher Griff war (und viel interessanter wäre, weil nämlich sicherlich über meinen Bauchnabel hinaus von einigem Belang, wie es kommen konnte, wenn nicht musste, dass ich in der "ersten sozialistischen Stadt" usw. es für notwendig hielt, eine derartige Insel bürgerlichen Welt-Empfindens zu etablieren, ach, schöner Schmerz)...

… ich habe auch "mit Hand" derart "kariert gequatscht" wie ich es jetzt tue, da ich krampfig in die Tasten taste... wieder mal so Laien-Autoexplorationen... blander Insult, daraus resultierend die "Doktorschrift" sowohl als auch dieser Mangel an Konzentration usw.; einfach ignorieren, Herr Dino spinnt...

(… Mozart hat gut reden, der hat ja "eigentlich" gar ergetzlich Klangwerk arrangieret… wir haben mal "Die Zauberflöte", igitt, "behandelt"... um was es da geht... äh... um Blasinstrumente? - peinlich...)

Gestatten Sie, lieber Herr Text-Teppich-Direktor, ein – what a wortwitz – ersprießliches Saugen zu wünschen, und zwar hiermit!

Das Fossil
 
Trithemius - 28. Jan, 13:44

Hab deinen Schlusssatz beherzigt und zuerst mal Staub gesaugt.

Den Satz von Singer (und ähnlich bei Thomas Mann) verstehe ich gar nicht. Darin steckt soviel Bitterkeit. Ich halte es für sehr bedenklich, wenn ein Autor sich nur über seine Texte definiert. Aber gestatte mir, dass ich beim Thema Handschrift bleibe.

Frau SWA hat ja die These aufgestellt, mit dem Verlust der Handschrift gehe ein Zugriff auf das Unbewusste verloren, was du bekräftigst. Es "liefe auf den Verlust eines direkten Zuganges zu den Inhalten unseres Halb- und Unbewußten" hinaus. Ich hoffe sehr, weder sie meint noch du meinst die Graphologie. Denn mir ist keine seriöse Therapie bekannt, in der Graphologie angewandt wird, um dem Patienten zu helfen, sich selbst besser zu verstehen. Graphologie dient überwiegend irgendwelchen Autraggebern, die sich ein Bild etwa von einem Bewerber machen wollen.
Mehr dazu: http://trithemius.twoday.net/stories/vorsicht-graphologen/

Die Handschrift als Schlüssel zur Seele, das taugt allenfalls für die Illustrierte als Zeitvertreib, ist eigentlich Hokuspokus. Jedenfalls können wir darin nicht die Qualität das Schreibens mit der Hand festmachen.

Schönes Wochenende wünscht,

Dein Trittenheim
webgeselle - 29. Jan, 12:40

Ha! Ich bewirke was!

 
... äh... bezieht sich aufs Saugen... hä-ähm...

Nee, nee, nee - das bezieht sich keineswegs auf Graphologie (ich habe gar nicht auf den Link geklickt, halte es aber für möglich, dass da was mit Klages und so kommt; mal sehen, ob ich richtig "geraten" habe), aber ich hatte den Gedanken schon vor 10 Jahren, als ich mir so Schreibcomputer geholt habe - einer hieß zum Beispiel "Sharp FW-700 Font Writer" und war ordentlich teuer, boah ejh -, dass da Zusammenhänge zwischen Abläufen im Kopf und dem schließlich auf dem Papier Erscheinendem wären, indem zum Beispiel von dem Augenblick, da ich im Fluss war, die Handschrift deutlich deutlicher wurde; "mit Maschine" war das dann alles "weg"... wahrscheinlich ist das 'ne Binsenweisheit, aber da ich sie in meinem verstörtem Busen barg, ach, deucht sie mich besonders... und Verlotterung des Schriftbildes war auch immer mit Verwilderung des Stils verbunden...

Aber wie gesagt: das ist alles Spekulatius... oder so...

Häff fann!

Das Fossil
 
 
Trithemius - 29. Jan, 22:46

Dieser dein Spekulatius ...

... ist ein äußerst interessanter Hinweis, bin davon quasi hin und weg. Was du an dir selbst beobachtet hast, deckt sich mit meinen Korrekturerfahrung. Am besten waren meistens die Aufsätze und Klausuren von denen mit einer guten, klaren Handschrift. Ich weiß nicht, ob es dazu eine empirische Untersuchung gibt, aber es wäre lohnend sie zu machen.

Ungeachtet dieser anderen Form des Schreibens, der du dich bedient hast, ist dein Kommentar mal wieder durchsetzt von poetischen Momenten.

Viele Grüße
Dein Trittenheim

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