B2-Run - Mit Frau Wulff für Flaschensammler laufen

„Alles, was Spaß macht, fängt mit f an“, sagt der launige Moderator von Radio ffn Niedersachsen beim Warm up zum B2-Lauf um den Maschsee. Dieser bundesweit ausgetragene Firmenlauf fängt aber nicht mit f an, sondern hört damit auf, in Hannover nach sechs Kilometern im AWD-Stadion, „auf dem heiligen Rasen“ (ffn), und auf den wird mancher der gut 3100 Läuferinnen und Läufer in Firmentrikots erleichtert hinsinken und so bald nicht wieder hochkommen. Da sind nicht immer freiwillig angetreten, Dicke und Dünne, Trainierte und Untrainierte, Kurze und Lange, Krumme und Grade und sogar Verletzte mit Bandage um Knie oder Knöchel.

Das größte Kontingent stellt eine Versicherung. Sie bringt 281 Läufer auf die Beine. Aber andere Versicherungen sind auch nicht faul. Da zeigt sich ein dicker Versicherungswasserkopf auf Laufschuhen. Offenbar sind die meisten Deutschen in Versicherungen beschäftigt, drehen sich quasi gegenseitig Verträge an mit hässlichen Klauseln im Kleingedruckten.

Ganz so ist es nicht. Wie der ffn-Moderator versichert, laufen mit: Angestellte von Dax-Unternehmen, Mittelständlern und welche aus Einmannbetrieben. Die von den Einmannbetrieben gehen aber in der Masse beinah unter, soweit sie nicht Flaschen sammeln aus den Abfalltonnen der Uferpromenade und wirklich keine Zeit für den B2-Lauf haben. Denen wird aber demnächst das einfach so durch die Gegend laufen auch möglich sein, wenn nämlich Bettina Wulffs Armeleutestiftung sich ihrer annimmt. Die bekommt von jedem Läufer einen Euro. Da ist auch der Moderator von ffn beruhigt, dass "etwas für Armen in unserem Land getan wird."

Frau Bettina Wulff soll den Startschuss abfeuern. Sie steht auf einer Hebebühne mit einer Handvoll Fotografen und Kameraleute und wird vom ffn-Moderator ein bisschen interviewt. Er nennt sie „die Revolverlady“, die „Firstlady von Niedersachsen und vielleicht auch demnächst die Firstlady von ganz Deutschland“, man wisse es nicht, es stehe ja jeden Tag was anderes in der Zeitung. Ihre Stimme ist ein bisschen fipsig, denn sie hat keinen Resonanzkörper, vielmehr kein Gramm Fett am Leib, wie es sich für die Schirmherrin einer Armeleutestiftung gehört. Sie ist im Laufdress gekommen und wird mitlaufen, nachdem sie den Revolver abgefeuert hat, nicht für ihre Armeleutestiftung, sondern für die Drogeriekette Rossmann.

Rossmann wird wohl zukünftig auch die Feste im Schloss Bellevue sponsern, sollte Christian Wulff zum Bundespräsidenten gewählt werden. Falls er es nicht wird und schon Verträge unterschrieben sind, könnte sie zur Not den Gauck heiraten. Oder ist der schon? (Bin gerade zu faul nachzuschauen. Eigentlich will ich aber gar nichts von ihm wissen. Ein Pastor als Bundespräsident, der nicht mal eine Armeleutestiftung hat? Das ist ja glatt, um Atheist zu werden. Ach, das bin ich ja längst.) Entschuldigung, weiter im Text:

Pünktlich um 19:30 Uhr feuert Frau Wulff den Revolver ab, verfehlt aber den ffn-Moderator. Trotzdem drängeln sich die Fotografen heran, und sie muss noch eine halbe Minute den Revolver in den Himmel halten, als hätte sie grad den lieben Gott erschossen. Das wird wohl nichts mit dem Gauck. Dann hilft man ihr von der Hebebühne, sie schlängelt sich durch die Absperrung und reiht sich ein in den hinteren Teil der Läuferschar. Natürlich wird sie den Pulk der Fußlahmen bald hinter sich lassen, schon wegen Rossmann.

Alle Läufer tragen übrigens einen RFID-Chip am Schnürsenkel. Der registriert sie, wenn sie am Start vorbeilaufen und wenn sie im Ziel ankommen. Morgen können sie im Internet nachlesen, welche Zeit sie gelaufen sind, wer vor ihnen war und wen sie hinter sich gelassen haben. Die Personalchefs können das natürlich auch nachlesen. Und dann den einen oder die andere zu sich zitieren und den desolaten Fitnesszustand bemängeln, an dem dringend was getan werden muss, wenn man im Unternehmen noch was werden will. Den hübschesten Slogan sah ich auf den T-Shirts eines Mittelständlers: „Wir überholen auch die dicksten Maschinen.“ Das ist freilich keine Kunst.

Abgelegt unter: Hannover
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Mimiotschka - 10. Jun, 22:28

Mist!

Ich habe mal wieder alles vepasst. Aber ich war auch rennen, gewissermaßen jedenfalls. Ich hab mir nämlich in der Stadt eine neue Hose gekauft. Und dabei habe ich bemerkt, dass die Preise für eine Kugel Eis sprunghaft angestiegen sind, um 10 Cent!

Trithemius - 10. Jun, 23:13

Laufen ist laufen, egal warum

Und die 10 Cent mehr für's Eis, das ist wohl die beginnende Inflation. Da wird Frau Wulffs Armeleutestiftung aber bald zu ackern haben.
Robert (Gast) - 11. Jun, 00:28

Frau Wulff und der Agnostizismus

Das gefällt mir sehr gut, Herr Trithemius! Mein Lieblingsnebensatz: "als hätte sie grad den lieben Gott erschossen." (Als strenger Atheist kann man das zwar getrost ausschließen und somit beim Konjunktiv bleiben, dem Agnostiker dagegen stellt sich die Frage, ob Gott eventuell vor dem Schuss noch existiert hat, jetzt aber nicht mehr. Oder vorher nicht und jetzt plötzlich doch, was ihre Chancen bei Gauck verbessern würde.)

Was bedeutet eigentlich das "B2"? In den FAQ auf deren Website gibt es darauf keine Antwort.

nömix - 11. Jun, 06:54

Hätte mal spontan vermutet, dass der Run auf der B2 stattfindet. Aber nein – in Hannover ist ja die A2. Dort dürfen die bestimmt nicht runnen, äh, rennen.
Trithemius - 11. Jun, 11:04

@ Robert
Vielen Dank! Die Idee, der liebe Gott wäre grad erst durch Bettina Wulffs Schuss in den Himmel entstanden, gefällt mir auch. Falls das noch nicht gereicht hat, sollten viele in den Himmel schießen. Mir würde es aber schon reichen, die ganze Bagage zum Mond zu schießen. Doch so große Mondraketen gibt es leider nicht.

B2 leitet sich angeblich her von b2b, was wiederum “business to business” bedeuten soll.
http://de.wikipedia.org/wiki/Business-to-Business
Trithemius - 11. Jun, 11:07

@ nömix

Die B2 führt von Brandenburg runner bis Österreich,
habe ich gerade gelernt.
nömix - 11. Jun, 11:25

(und die A2 führt übrigens an Bielefeld vorbei. Jetzt dürfen sie mal raten, warum die nicht durch Bielefeld durchführt ;)
Trithemius - 11. Jun, 11:52

1) weil da keiner hin will?
2) weil es viel zu gefährlich wäre?
3) weil es da nur ein Klo im Freien gibt?
Rätselhaftes Bielefeld
Eugene Faust - 11. Jun, 15:51

Nun seien Sie doch nicht so... *zwinker*

Der Illich war doch auch mal Pfarrer. :)

Trithemius - 11. Jun, 16:31

Ehrlich gesagt, liebe Frau Faust, ist mir der eine so unlieb wie der andere. Gaucks Mitgliedschaft in der Atlantik Brücke ist mir jedenfalls höchst suspekt.

Illich wollte auch nicht Bundespräsident werden. :)
Eugene Faust - 11. Jun, 17:14

musste erst mal gugeln...

Huch, da ist ja auch die beliebte Actionfrisur Mitglied. :(

(Leider gibt es den wirklich, obwohl er in Bielefeld aufgewachsen ist.)
Mimiotschka - 12. Jun, 13:08

Beinahe alles CDU/CSU- und FDP-Mitglieder. Nur Cem Özdemir, der ist von den Grünen. Das würde die These bestätigen, dass hier nur noch ein grüner Anstrich vorhanden ist.
Trithemius - 12. Jun, 16:54

Liest sich sogar wie eine Ansammlung von Straftätern, Betrügern, Abzockern, Leuteverdummern und ihrer Helfershelfer:
Kissinger (in mehreren Ländern wegen
Menschenrechtsverletzungen und Völkermord angeklagt),
Leisler Kiep (verurteilt im CDU Spendenskandal),
Middelhoff (zockte Arcandor/Karstadt ab),
Schulte-Hillen (verantwortlich für den Abdruck
der Stern/Hitlertagebücher),
Uwe Barschel + ("Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort!"),
Graf Lambsdorff + (rechtskräftig verurteilt wegen
Steuerhinterziehung),
Helmut Kohl (Blackout im CDU-Spendenskandal),
Viermetz (Ermittlungsverfahren wegen Bankrotts der Hypo Real Estade),
Kopper (Peanuts),
Dibelius ("Banken ... haben keine Verpflichtung,
das Gemeinwohl zu fördern"),
Friedmann, (Kokain mit Zwangsprostituierten,
rechtskräftig verurteilt).
Eine ganze Reihe der Mitglieder gehört auch zur Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.

Anlässlich 50 Jahre Antlantikbrücke im Jahr 2002 hielt Jockel Fischer die Laudatio für den Preisträger Georges Bush (sen.): "Es ist für mich eine große Freude und Ehre, heute aus Anlass der Verleihung des Eric Warburg-Preises an Sie, verehrter Herr Präsident Bush, die Laudatio halten zu dürfen. Wir alle möchten Ihnen zu diesem Preis sehr herzlich gratulieren. Ich meine, im Namen aller Anwesenden sprechen zu können, wenn ich feststelle, dass wir uns keinen würdigeren Preisträger vorstellen könnten."

Feiner Verein.

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