April, April, ich habe Doktor-Blödsinn gemacht

zirkus schlechten GeschmacksWas war gestern bei einer Veranstaltung der CSU in Kelkheim zu hören? Zu Guttenberg eröffnete mit dem müden Scherz, er sei kein Plagiat, sondern er selbst. Und dann sagte er sinngemäß: Also Leute, am Wochenende habe ich mir angesehen, was für einen Blödsinn ich in meiner Dissertation geschrieben habe. Ich will den Doktortitel nicht mehr führen. April, April, es war ein dummer Betrugsversuch, und jetzt ist er aufgeflogen, dann gilt der nicht mehr.

Bundeskanzlerin Merkel hält weiterhin fest an ihrem Minister. Sie habe Guttenberg nicht als wissenschaftlichen Assistenten oder Doktoranden ins Kabinett geholt. „Mir geht es um die Arbeit als Bundesverteidigungsminister. Die erfüllt er hervorragend, und das ist das, was für mich zählt.“

Seine Verstöße gegen die intellektuelle Redlichkeit sind ihr egal, aber was ist mit persönlicher Integrität, vorbildhaftem Charakter, Ehrlichkeit und Anstand eines Ministers? Dass diese Werte im politischen Tagesgeschäft nicht gefragt sind, hätte man wissen können, wenn man die hehren Worte der Sonntagsreden vergleicht mit dem tatsächlichen politischen Handeln. Doch nie zuvor wurden ethische Werte so offen, so schamlos in den Dreck getreten. Was für ein verheerendes, unmoralisches Signal von diesen Vorgängen ausgeht, welcher Schaden damit angerichtet wird im Bewusstsein der Menschen, darauf verwendet man keinen Gedanken. Man weiß sich sicher, dass die vereinten Kräfte einer verkommenen Presse und der gigantischen Verblödungsmaschine Fernsehen längst ein moralisches Klima geschaffen haben, in dem alles geht. Auf Facebook präsentieren sich 200.000 Guttenbergsche Jubelperser, und Report München, wer sonst, meldet stolze 73 Prozent der Bevölkerung könnten nicht genug von Guttenberg und seinem betrügerischen Blendwerk kriegen. Sie seien mit seiner politischen Arbeit zufrieden. Man darf sich nicht wundern, wenn der Bayrische Rundfunk (BR) solche angeblichen Umfragewerte verbreitet. Erst kürzlich machte Bundeskanzlerin Merkel ihren ehemaligen Pressesprecher Ulrich Wilhelm zum Intendanten des BR.

Merkel braucht diesen
Verteidigungsminister noch, denn er soll die Bundeswehr zu einer Söldnerarmee umbauen. Fragt sich niemand, was das bedeutet? Die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik nach dem 2. Weltkrieg war nur mit dem Grundgesetz in Einklang zu bringen durch das Konstrukt des Bürgers in Uniform. Der wehrpflichtige Soldat sollte nicht einem Kadavergehorsam unterworfen sein, wie er in der Wehrmacht gefordert war, sondern nach dem Prinzip der Inneren Führung immer auch seinem Gewissen verantwortlich sein. Befehle, die offen gegen die Gesetze der Menschlichkeit und des Völkerrechts verstoßen, durfte er mit Recht verweigern. Der Wehrpflichtige kam aus der Zivilgesellschaft und kehrte wieder dorthin zurück. Damit war ein Band geschaffen, mit dem sichergestellt war, dass sich die Armee nicht zum Staat im Staate entwickelt und sich von unseren Grundwerten entfernt. Dieses Band wird durch die Abschaffung der Wehrpflicht zerschnitten. Warum?

Man kann Wehrpflichtige nicht in grundgesetzwidrige Angriffskriege schicken, die reinen Wirtschaftsinteressen dienen. Unter den Wehrpflichtigen waren und sind Söhne aus der besseren Gesellschaft, gut ausgebildet und manierlich. Solche wertvollen jungen Menschen kann man nicht unwidersprochen in Wirtschaftskriegen verheizen. Wer wird aber ihren Platz einnehmen in einer Söldnerarmee? Junge Männer ohne berufliche Perspektive, junge Männer aus der Unterschicht, deren Bindung an unsere Gesellschaft nur schwach entwickelt ist, weil man ihnen schon in der Schule gezeigt hat, dass sie nicht gebraucht werden. Junge Männer, deren Werte aus den Actionfilmen des Privatfernsehens stammen und denen man in Shows wie Dschungelcamp oder DSDS vorführt, dass Häme und Bosheit ein gesellschaftlich akzeptables Verhalten ist. Sie werden demnächst angeführt von einem Verteidigungsminister mit der Werthaltung eines Raubritters, von einem Heuchler und Blender, der lügt und betrügt, wenn es seinen Zwecken nutzt. Da mag man sich nicht ausdenken, was geschieht, wenn die Bundeswehr einmal im Inneren eingesetzt wird, wie manche Politiker schon jetzt fordern.

Zu Guttenbergs jüngerer Bruder Philipp hat diese Haltung in der gestrigen Ausstrahlung der unsäglichen Verleihung des Ordens wider den tierischen Ernst offen ironisiert. Er sagte, die zu Guttenberg würden alles raffen, was glänzt. Da waren selbst die versammelten Lackschuhkarnevalisten für einen Augenblick perplex, wie hier einer der Ihren offen bekundete, auf welche Weise man in dieser Gesellschaft zu Reichtum und Ansehen gelangen kann. Aber dann wurde wieder einvernehmlich geklatscht und gejubelt, denn zu Guttenberg, der ist doch wie sie, wie Ordensritter "Absahner" Wiedeking, wie Laudator "kauf mich" Rüttgers, wie der Vorsitzende der Atlantikbrücke Friedrich Merz, der sich einst die Büttenrede zu seiner Ordensverleihung aus dem Internet geklaut hat. Zu Guttenberg verkörpert die geistige und moralische Verfassung unserer Eliten - im Zirkus des schlechten Geschmacks.

Schon vergessen
Guttenbergs Aufritt von Freitag vor ausgewählten Medienvertretern:
Guttenberg-5-6
Meine von mir in mühevollster Kleinarbeit verfasste Dissertation ist kein Plagiat (Bildquelle: ZDF, Mash-up-Gif: Trithemius).
2943 mal gelesen
Jan Francisco (Gast) - 22. Feb, 11:03

Selbst

Es liegt doch auf der Hand, dass er diese Arbeit nicht selbst geschrieben hat. Er wusste augenscheinlich überhaupt nicht, was darin stand. Dass sein Ghostwriter mit genau der gleichen Einstellung gearbeitet hat wie er, ist ihm erst schrittweise durch die immer neu auftauchenden Textstellen gedämmert. Diese Art Leute denken immer, sie können alles Unangenehme einfach von Lakaien erledigen lassen und sind sogar zu faul, wenigstens die Qualität der ausgelagerten Arbeit zu überprüfen. Überprüfen scheint ohnehin nicht sein Ding zu sein, das überlässt er auch als Minister lieber den Medien und handelt dann nach deren Forderungen. Eine eigene Einstellung zu irgend etwas: Fehlanzeige.

Dadurch, dass er nun seinen Doktortitel zurückgeben will, hofft er, weiteren Nachforschungen zu entgehen, damit es nicht noch dicker kommt. Ghostwriter für eine Doktorarbeit zu beschäftigen ist nämlich etwas mehr als "Blödsinn".

Trithemius - 22. Feb, 12:16

Es liegt an uns, diesen Vorgang weiter zu beachten, denn in der Politik wird man rasch zum Tagesgeschäft zurückkehren wollen und hoffen, dass die Sache bald in Vergessenheit gerät, ähnlich wie bei seinen Schummeleien wegen seiner angeblichen Wirtschaftkompetenz.

Ich bin gespannt, was aus den beiden Strafanzeigen wird. Denn eigentlich ist doch die Erklärung am Schluss der Dissertion so etwas wie eidesstattlich. Die Vermutung, ein Ghostwriter habe die Arbeit verfasst, liegt nahe, denn offenbar wusst KT am vergangenen Freitag noch nicht, welches Ei ihm da ins Nest gelegt wurde.
nömix - 22. Feb, 11:04

Ein kleiner Nebensatz in dieser läppischen Kelkheim-Rede*) hat zuletzt ausgereicht, um meine persönlich Meinung über diesen ehrenhaften Herrn grundlegend zu prägen:
    »Ich habe diese Fehler nicht bewusst gemacht.«
    (K-T. zu Guttenberg)
Was für eine jämmerliche Figur.

Trithemius - 22. Feb, 12:18

Damit gibt er eigentlich zu, dass er gar nichts über seine Dissertation wusste, denn wie man große Passagen unbewusst abschreibt und auch noch die Zitate geringfügig ändert, muss er einmal vormachen.
nömix - 22. Feb, 13:08

Aber hier sagt er explizit:
    »Meine von mir verfasste Dissertation ist kein Plagiat.«
Ah, dann hat der also eh selber auch eine Dissertation verfasst, eine andere als die, die ein Plagiat ist. Aber warum hält er die von ihm verfasste, die kein Plagiat ist, bisher geheim und zeigt die nicht einfach her?
Sehr rätselhaft ..
Trithemius - 22. Feb, 13:16

Vielleicht beherrscht er den Konjunktiv nicht und der Satz müsste lauten: "Meine von mir verfasste Dissertation wäre kein Plagiat." - Ja, wenn er eine verfasst hätte.
Eugene Faust - 22. Feb, 11:20

Schon die fehlende Wirtschaftskompetenz hat dieser Zwielichtgestalt nicht das Geringste anhaben können. Warten Sie ab, die werden in dem Zusammenhang noch ihr C und den Wert des Verzeihen-Könnens bemühen.

Trithemius - 22. Feb, 12:20

Ja, diesen Lug und Trug haben die meisten schon wieder vergessen. Verzeihen ist gut, aber Gesetzesverstöße werden eigentlich vorab bestraft, nur in der Ohrenbeichte geht es mit zwei Vaterunsern ab.
Shhhhh - 22. Feb, 11:40

Bis auf die milderen Temperaturen im Winter kann ich den italienischen Zuständen in unserer Politik bisher nichts abgewinnen, zumal sich das Klima meiner Meinung nach auch zu wenig darum kümmert. Vielleicht muss Herr von und zu Googleberg erst Kanzler werden...

Trithemius - 22. Feb, 12:21

"Italienische Zustände", das ist treffend gesagt. Die scheinen schneller nach Norden zu kommen als der Frühling.
Jan Francisco (Gast) - 22. Feb, 13:03

Kompetenz und Charakter

Ich wundere mich immer, dass Guttenberg (ich schreibe seinen Namen mal ohne Adelstitel, ich weiß nicht genau, ob er den zur Zeit offiziell "führt") in irgendeiner Angelegenheit überdurchschnittlich viel Charakter und Kompetenz zugeschrieben wurden. Denn darüber gab es ja "bei den Menschen in unserem Lande, meine sehr verehrten Damen und Herren" einen Konsens.

Die einzige irgendwie auf Charakterstärke hinweisende Äußerung war doch, dass er das Geschehen in Afghanistan als Krieg benannt hat. Das ist aber nur im Kontext des ganzen verschwurbelten Thinktank-Gequatsches vom "robusten Mandat" bemerkenswert. Denn daran, dass "man endlich mal ganz klar sagt, dass deutsche Soldaten in Afghanistan in einem Krieg kämpfen", war ja nichts besonders ehrenhaftes. Es war vielmehr ein selten dämlicher Täuschungsversuch, das durch wehrbürokratische Verklausulierungen vertuschen zu wollen. Gab es sonst irgendetwas, was auf eine eigenständige Denkart oder eine außerordentliche Charakterstärke beim adeligen Ex-Doktor hingewiesen hätte?

Trithemius - 22. Feb, 13:33

Zum Führen des Adelstitels ein interessanter Hinweis auf Archivalia: http://archiv.twoday.net/stories/14647191/ - in diesem Sinne haben Sie Recht, den wegzulassen.

Hinsichtlich Ihrer Fragen: Die Popularität dieses Mannes gründet sich offenbar nicht auf die von Ihnen genannten Attribute, sondern hat etwas mit seiner Herkunft und seinem medienwirksamen Auftreten zu tun. Wie, warum und von wem er aufgebaut wurde, das lässt sich hier
http://www.zeitgeist-online.de/exklusivonline/dossiers-und-analysen/230-das-guttenberg-dossier-teil-1.html

und hier
http://www.zeitgeist-online.de/exklusivonline/dossiers-und-analysen/632-das-guttenberg-dossier-teil-2.html

nachlesen. Ich muss aber vor der Lektüre warnen, weil man glatt den Glauben an die Menschheit verlieren kann. Mich hat's gestern wirklich schwermütig gemacht.
Jan Francisco (Gast) - 22. Feb, 15:00

Mhhm, vielen Dank - also daher rühren also die hervorragenden transatlantischen Beziehungen, wegen derer er für "die Menschen in unserem Land" so unersetzlich ist. Au weia!
Jan Francisco (Gast) - 22. Feb, 20:31

"Die Popularität dieses Mannes gründet sich offenbar nicht auf die von Ihnen genannten Attribute..."

Augenscheinlich gründet die Popularität beim Wahlvolk aber schon auf der geschickten Vorspiegelung der o. g. Attribute. Das wird hier in der Süddeutschen sehr schön beschrieben: http://tinyurl.com/6xfwjws

Der Mann hat also nicht nur seine politische Karriere auf dubiose Weise "gut organisiert", sondern hat darüber hinaus augenscheinlich auch ein bravouröses Talent auf der populistischen Klaviatur. Die Hybris, solche "absurden Situationen" grinsend auszusitzen, bekommt man wahrscheinlich in erfolgsabonnierten Elternhäusern wie dem des Lügenbarons automatisch anerzogen. Um so wichtiger wäre es nun, dass der deutsche Wissenschaftsbetrieb ihm und seinesgleichen jetzt einmal beweisen würde, dass eine aufgeklärte Gesellschaft wie unsere auch für elitäre Personen bei offensichtlichem Fehlverhalten die für jeden Normalsterblichen üblichen Konsequenzen folgen lässt!
Trithemius - 22. Feb, 21:26

Dankeschön für den Link. Es ist erfreulich, so etwas in der SZ zu lesen. Dass Guttenberg mit dieser "Vorspiegelung" von Qualitäten durchkommt, ist das eigentlich Tragische. Dazu fällt mir "Vox populi, vox Rindvieh" ein, eine Verbalhornung, die F.J. Strauß zugeschrieben wird. Er wird seine Wähler gut gekannt haben. Man fragt sich ja auch, was die fast 200.000 Verirrte im Kopf haben, die sich auf Facebook zur Verteidigung Guttenbergs gefunden haben. Ich möchte so einen Kopf jedenfalls nicht haben. Ihr letzter Satz scheint mir besonders wichtig zu sein. Bislang musste man sich fragen, was eigentlich mit den Vertretern des von Ihnen genannten Wissenschaftsbetriebs los ist, ob sie zu gut gemästet sind und einfach alles hinnehmen, was unsere schwachbrüstigen Denker in der Politik so alles anstellen. Jetzt haben sie sich geregt, weil es an ihre Grundfesten ging. Das lässt doch hoffen.
Jan Francisco (Gast) - 23. Feb, 11:39

200000 Facebookfreunde gekauft?

@ Trithemius: "Man fragt sich ja auch, was die fast 200.000 Verirrte im Kopf haben, die sich auf Facebook zur Verteidigung Guttenbergs gefunden haben."

Auch darauf gibt es eine Antwort, die leider perfekt zum Rest der ganzen Farce passt: https://hamlethamster.wordpress.com/2011/02/22/zu-guttenberg-facebook-fans-uber-das-wochenende-hektisch-zusammengekauft/
Trithemius - 23. Feb, 12:08

Du lieber Himmel!

Danke für die Aufhellung. Ist ja kaum zu fassen. Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde.
Mimiotschka - 22. Feb, 15:54

Hier nochmal:

Der Aufreger heute waren die Nachrichten im Radio. Herr KTG gibt seinen Doktortitel freiwillig ab und damit ist sogar die Opposition zufrieden. Bei Umfragen sind die Stimmen die seinen Rücktritt fordern wieder weniger. Ich habe die leise Befürchtung, dass da noch einige andere PolitikerInnen befürchten, ihre Arbeit könnte mal geprüft werden. Wenn dann ein Minister seinen Hut nähme müssten sie womöglich nachziehen. Es ist für mich völlig unverständlich, dass er noch nicht zurückgetreten ist. Ich erkläre meiner Tochter, dass ein Politiker in meinen Augen dazu verpflichtet ist Vorbild zu sein. Politiker prägen das Bild einer Gesellschaft, dass diese von sich selber hat. Wenn ein Verteidigungsminister an seinem Posten klebt, und nicht einmal bei groben Verstößen bereit ist die Konsequenzen zu tragen, wenn die Politiker der eigenen Partei und der Opposistion dies unterstützen, dann ist die Plagiatsarbeit eins der kleineren Probleme.

Ich persönlich sehe im Verfahren mit dieser ganzen Sache nur einen weiteren Hinweis darauf, wie es um die Demokratie und die Grundwerte der demokratischen Gesellschaft bestellt ist. Wenn die Regierung hier nicht klar Position bezieht gegen Täuschung und Betrug, dann hätte sie die Pflicht sich Neuwahlen zu stellen.

Trithemius - 22. Feb, 16:49

Klaus Graf fordert:
"Es ist dringend vorzusehen, dass jede Dissertation auf dem Hochschulschriftenserver Open Access zu veröffentlichen ist. Schon das Wissen, dass jeder dann nach unerlaubten Entlehnungen fahnden kann, kann abschreckende Wirkung entfalten."
Vermutlich würde sich die Zahl der Doktoren unter Politikern und Wirtschaftslenkern auf diese Weise enorm reduzieren.

Von der Vorbildfunktion in deinem Sinne haben sich Politiker wie Guttenberg offenbar klammheimlich verabschiedet. "Italienische Verhältnisse" schreibt Shhhh im Kommentar. Das an der Macht kleben um jeden Preis - da muss ich immer an den oft geschmähten Möllemann denken. Der trat zurück, weil er mit seinem Ministerbriefkopf die "pfiffige Idee" eines Verwandten angepriesen hatte. (Chips für den Einkaufswagen). Das ist doch nach heutigen Verhältnissen eine lächerlich kleine Sache.
la-mamma - 22. Feb, 18:31

manchmal frage ich mich ja auch, wie dumm wir eigentlich sind, dass wir integrität von politikern überhaupt noch erhoffen.
bei uns da im süden tritt ja auch immer seltener (niemehr?) einer zurück, aber wem erzähl ich das ...

und wie selbstverständlich mit zweierlei maß gemessen wird, das war mir grad einen beitrag wert.

Trithemius - 22. Feb, 21:31

Ich halte die grassierende Dummmheit für das gewollte Ergebnis von Bildungspolitik und Indoktrination über Fernsehen und Presse. Und politische Moral, wenn es sie je gegeben hat, ist nach der Salamitaktik abgebaut worden.

Ihr Beitrag hat mich glatt ein wenig traurig gestimmt.
Careca - 22. Feb, 23:02

Mein Outing

Ja, ich habe es getan. Ich gestehe und ich muss sagen, es gereut mich und es gereut mich nicht ... ich habe mir gestern ebenfalls das Aachener Singspiel mit Kinder-Sketch-Einlage angetan ...
Darf ich das überhaupt erwähnen?
Ehrlich gesagt, der AKV wußte selbst vor der Plagiat-Offenbarung, dass zu Guttenberg nicht auftreten würde. Da waren ja seine Soldaten im Kundush, die für die Aachener Lachjecken deren Humor-Freiheit mit deren Leben verteidigen würden. Und da wurde schon vorher gemunkelt, KTG würde dort nicht auftauchen. Wie üblich der Satz: Wo Menschen für die Freiheit sterben, darf nicht gelacht werden. Wie oft habe ich darüber schon lachen müssen. Zum ersten Mal 1991. Kölle: Alaaf ...

Phillip Franz zu Guttenbergs Käfigpredigt war der Höhepunkt der AKV-Veranstaltung. Als ich anfangs einschaltete, war der unsägliche "Verstehen Sie Spass"-Crantz in Knallchargen-Rot auf der Bühne und danach die Dumm-Dümmer-"Josef, Jupp und Jüppchen"-Nummer. Als Achim Menzel danach auftrat, schaltete ich gänzlich weg. Das Moderatoren-Dreigestirn war auf der Höhe seiner präsentierten Darbietungen und ich mit meiner wohlwollenden Engelsgeduld am Ende. Trotzdem schaltete ich in der letzten halben Stunde ein und erlebte ein Rüttgers in Höchstform. Also so, wie man ihn immer schon kannte: Knapp zwei Zentimeter über seine Fußschuhsohle mit Witzen aus einem Karnevalswitzebuch. Und danach kam PFG, der kleinere Bruder von KTG, und hielt seine Rede beim AVG. Und ich war baff. PFG reimte witzig und ironisch (ernsthaft). Seinen Bruder zu schuhriegeln, schien ihm eine Freude zu sein. Der übliche Bruderrachenzwist also. Und irgendwie wurde mir mulmig zu Mute. Bei dem Witz mit dem Geld-Raffen und dem Gelächter wurde ich schon erheblich ernster, als zuvor bereits angemerkt worden war, die Merkel arbeite wie Bayern Münchens van Gaal: sie lasse die Besten auf der Bank, den Friedrich Merz.
Zur Erklärung: Friedrich Merz ist ein Verwalter der WestLB (http://www.taz.de/1/zukunft/wirtschaft/artikel/1/friedrich-merz-millionengewinner/), der sich mit seiner Aufgabe seine Taschen füllt. Friedrich Merz war allerdings auch Generalsekret einer Parteienlandschaft und der vollmundige Versprecher der Steuerreform für den Bierdeckel. Friedrich Merz ist aber auch noch ein weiterer Vertreter einer Sache. Aber dazu unten.
In der Zwischenzeit wurden Wedeking (ehemaliger Student und erfolgreicher Doktorant am WZL der RWTH Aachen (ohne Plagiat-Arbeit), Friedrich Merz, Rüttgers, Turn und Taxis und noch andere gut betuchte Menschen und Ritter des Ordens von den Kameras eingefangen.
Und dann tönte PFG, ob es denn keine wichtigeren Themen gäbe als die Doktorarbeit seines Bruders. Der Saal kochte, Applaus donnerte. Und meine Bewunderung über die freihändig vorgetragene Reim-Rede des PFG war wie weggeblasen. Eine gefälschte Doktorarbeit sollte also eine Pettitesse sein? Und alle dachten das gleiche? Oder dachten alle sofort an die 5 Euro extra pro Monat für Hartz-IV-Empfänger, deren monatlicher Geld-Bezug locker ein Anteil des Ticketswert der Leute der ersten Reihe beim AKV-Lobhudelfest entsprach. Ob es denn keine wichtigeren Themen gäbe als die Doktorarbeit seines Bruders? Sicherlich. Die Bekämpfung von Armut in Deutschland. Aber das meinte das Publikum wohl kaum. Die dachten an Bankenrettung mit Milliarden von Steuergeldern, an Wirtschaftsleistung und daran, dass Leistungsträger entsprechend bezahlt werden sollten. So wie Thilo Sarrazin. Der war Leistungsträger, als er sein Buch schrieb. darin schrieb er, dass seine Arbeit am Dienstagnachmittag vollbracht war und er den Rest der Woche u.a.a. für sein Buch verwendet hatte.
Ich bin kein Leistungsträger. Ich benötige 40 Stunden die Woche und mehr, um mit meiner Arbeit fertig zu werden. Und mein Buchmanuskript liegt deswegen seit einem Jahr brach. Ich faule Sau.
Aber der Saal im Aachener Lobhudel-Saal brodelte, als PFG seine rhetorische Frage vom Stapel populistisch ließ.

Nach KTGs Entschuldigung wurde mir dann doch schon ein wenig anders, als ich nach dem offiziellen ARD/ZDF/RTL-Video, dieses Video sah:
http://www.youtube.com/watch?v=4tX8dL2bnh0
Da war nichts mehr von der Perfektion der Erklärung seitens KTG. Es war wieeine gemeinsame verschworene Gemeinschaft aus zu Guttenberg und Pressevertreter. Nur Oliver Welke durchbrach es. Und KTGs fast im off verschwundenen dahingerotzten "Okay" des offiziellen ARD/ZDF/RTL-Videos erhielt noch einen eher bitteren Beigeschmack. Nicht allein weil KTG an der Stelle, wo er bei ca. 1:22 des nachfolgenden Videos ein zynisches Lächeln (es wirkte auf mich wie: "Ich lach mich schlapp über mein Angebot") absonderte, arroganter wirkte, als er bei sich zulassen wollte.
http://www.youtube.com/watch?v=XQqk_gR-PF4
Vielleicht sollte der folgende heutige Kommentar von Volker Pispers angehört werden:
http://www.youtube.com/watch?v=9Yupoy_PYW4

Und dann las ich die beiden Teile von Zeitgeist-Online, die du im obigen Kommentar angabst. Und da fiel es mir wieder ein: Friedrich Merz. Er ist Vorsitzender der Atlantik-Brücke e.V. . Das nachfolgende Bild zeigt ihn mit KTG bei dessen Alumnus-Rede.
http://www.atlantik-bruecke.org/w/gfx/large/ab10/inhalt/programme/vortragsveranstaltungen/arthur-burns-lecture/20110208_dz_zuguttenberg246.jpg
Ergänzend zu dem Zeitgeist-Artikel über den „Young Leader“-Alumnus der Atlantik-Brücke e.V. erklärte gestern Ex-Wirtschaftsminister Glos, dass er zu Guttenberg in den Auswärtigen Ausschuss eingeführt habe, wo der KTG Mitglied bis Nov. 2008 war.
Den Zeitgeist-Artikel kann jeder unter zwei Prämissen lesen: Verschwörungstheorie oder/und was ist davon nachprüfbar. Viele wußte ich bereits aus anderen Quellen. Denken wir uns mal die "Atlantik-Brücke e.V." als Bindeglied zu den "200 Herrschaftsfamilien der USA". Allein daraus erklärt sich der Sinnesumschwung von Turnschuh zu Lackschuh eines Joschka Fischers. Vom Taxifahrer zum BMW- und RWE-Berater, einer aus der sich noch immer mit dem Heiligen-Anschein von Pro-Umwelt und Anti-Atom-Energie umgebenden Partei. Einer Partei, auf die das Wort "Alternativ" nur noch im Vergleich zur FDP zutrifft. Meiner Meinung nach.

Woher entstammt eigentlich die Guttenberg-Dynastie? Ein langweiliger Bericht der ARD gibt in Teilen gute Auskunft über die Ursprünge in der BRD nach dem 2. Weltkrieg (http://mediathek.daserste.de/sendungen_a-z/799280_reportage---dokumentation/5972844_deutsche-dynastien---die-guttenbergs), Wikipedia gibt den Rest. Insbesondere über dessen Opa gleichartigen Vornamens, der mit Herbert Wehner 1962 zum ersten Mal die Chancen einer große Koalition durch diskutierte.

KTGs Studium und "Disseration" (Plagiat) hat ihm wohl endgültig die Türen zur Atlantischen Brücke geöffnet und daher erscheint auch gerade Merkels Treueschwur an KTG folgerichtig.

Schade nur, dass bei "Zeitgeist-Online" der angekündigte dritte Teil nicht mehr zu lesen ist / nicht erschien. Die zwei Teile geben zu Denken. Insbesondere zeigen sie auf, dass es zwei Hälten der reichen Gesellschaft gibt: die Brot-und-Spiele-Vermögenden (oft in den TV-Sendern als Promi bezeichnet) und jene, welche ihr Vermögen zu anderen Zwecken einsetzen und nicht in den Fernsehsendern wie sauer Bier als Promi verhökert werden.

KTG hat in diesen beiden Gesellschaften seiner medienbewußten Eitelkeit wegen einen Drahtseilakt versucht (http://www.youtube.com/watch?v=L1nz4Emwgyc bitte besonders den Anmerkungen des SZ-Redakteurs zuhören). Im Augenblick zahlt er dafür.
Wir dürfen aber davon ausgehen, dass er nach diesem selbst verschuldeten Kladderadatatsch eine Wiedergeburt als Machtpolitiker mit nicht unerheblichen Popularitätsfaktor erfahren wird ... unterstützt von Änne Burda und Friede Springer ...

Leider.

Wir sind alle nur arme Würstchen in dem Spiel der Mächtigen.

Trithemius - 23. Feb, 12:25

Uff

Ich bin den ganzen Links getreulich gefolgt, aber das war nicht gut für mein zartes Gemüt. Interessant finde ich, dass diese mir bislang unbekannte Guttenberg-Biographin gestern oder wars vorgestern bei Maischberger ihren Sermon abgeben durfte. Dass die Redaktionen dieser Talkshows, Will, Maischberger, Illner, solchen Leuten immer wieder ein Forum geben, von meinen GEZ-Gebühren, das finde ich schändlich. Ansonsten ist deinem Kommentar kaum was zuzufügen, was deinen letzten Satz betrifft, das sehe ich ähnlich. Wir können fast nichts ausrichten gegen diese Arroganz der Macht, es sei denn, da tun sich viele zusammen, wie es im Guttenplag-Wiki geschah.
Careca - 23. Feb, 17:16

Im Kommunismus kommt der Senf für die Würstchen, die die Mächtigen verspeisen, aus einem zuvor gemeinsam erarbeiteten Gemeinschaftstopf; in einer Diktatur wird den Würstchen der Senf herausgepresst, bevor sie verspeist werden; in einer Demokratie dürfen die Wähler zwischen Löwensenf, mittelscharfen Senf, Dijon-Senf, Weißwurstsenf und so weiter wählen, mit denen die Mächtiger und Politiker ihre Leute nachher verspeisen ...

Ich sah gerade die Fragestunde und Aktuelle Stunde im Bundestag auf Phoenix. Zu Guttenberg ist aalglatt und es steht berechtigterweise zu vermuten an, dass alle seine Reue-Erklärungen und Selbstanschuldigungen ihn als eine geritzte aber ehrliche Haut dar stehen lassen. Er geht gerade durch eine Art Fegefeuer, welches er selber mit anfeuert, damit es recht heiß erscheint ... und kommt als geluziferter Erzengel Gabriel wieder ...
Trithemius - 23. Feb, 17:30

Der Mann zeigt eine charakterliche Struktur, die ihn diqualifiziert, überhaupt irgendeine Funktion auszuüben, die über das Verwalten des Familienvermögens hinausgeht. Aber offenbar passt das genau zum Zeitgeist. Er hat das Zeug zum Demagogen, und ich sehe ihn schon den nächsten Bundestagswahlkampf gewinnen, mit der massiven medialen Unterstützung, die ihm auch jetzt wieder zuteil wird. Dann können wir uns warm anziehen.
Careca - 22. Feb, 23:27

Zum Thema Originalität bei der AKV-Sitzung

Es war 1986. Gertrud Höhler (CDU) erhielt den Orden als erste Frau. Und diese blies dem männerherrlichen AKV den Marsch, dass es der nationalen deutschen Presse eine Freude war. Insbesondere die Süddeutsche wirdmete damals der Rede der Frau Höhler die gesamte "Seite Drei". Kurz danach versuchte einer der Nachfolger seine Rede steuerlich geltend zu machen. Er blitzte beim Finanzamt und später auch gerichtlich ab. Dessen Rede hatte im Vergleich zu der Rede der Gertrud Höhler keine künstlerische Höhe. War das etwa damals auch der Merz? Oder war es Lothar Späth? Weißt du das noch?

Trithemius - 23. Feb, 12:12

Das weiß ich leider nicht mehr

Es passiert ja soviel Bescheuertes, das kann man unmöglich behalten.
Über den Orden habe ich zweimal geschrieben:
Über den aktuellen vorab:
http://trithemius.twoday.net/stories/der-taliban-schunkelt-im-zirkus-des-schlechten-geschmacks/
und hier über die erlauchte Gesellschaft, wo auch u. a. ein Link gesetzt ist zum Bericht über das Merz-Plagiat:
http://trithemius.twoday.net/stories/5273342/
rinpotsche - 23. Feb, 12:14

Da ist aber schon noch was zu holen, finde ich.

Trithemius - 23. Feb, 12:16

Ja, aber wo der mit seinen schmantigen Fingern dran war, das will ich lieber nicht.
Videbitis (Gast) - 23. Feb, 17:47

Ich unterrichte(u.a.) Studierende in Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens und kann von zwei überwiegenden Reaktionen berichten: Auf der einen Seite sind die Diplomanden und Bachelor-Aspiranten, überrascht, wie einfach man eine Arbeit auf Plagiat überprüfen kann. Daß es da irgendwas gibt, wußten viele, daß aber auch jeder ganz einfach an so ein Programm herankommt, die wenigsten.

Auf der anderen Seite entsteht unter den Studierenden noch mehr als bisher der Eindruck, daß eine wissenschaftliche Arbeit keinen Wert hat, außer dem, daß sie einem eine Urkunde, einen Abschluß bringt. Es ist völlig wurscht, was man da zusammenschmiert, hauptsache, die äußere Form ist ordentlich. Häufig wurde ich schon nach Dozenten gefragt, von denen man weiß, daß sie die Abschlußarbeit eh nicht durchlesen und die Note danach vergeben, wie das Literaturverzeichnis aussieht. Der Fall Guttenberg scheint diese Haltung gegenüber wissenschaftlichem Arbeiten vollkommen zu bestätigen und zu verstärken: Ist doch scheißegal, interessiert eh niemanden, was man da (ab)schreibt, man darf sich nur nicht so blöd anstellen und sich erwischen lassen.
Die Universitäten unterstützen dieses Muster übrigens: Es gibt Studierende, deren Bachelor-Arbeit die erste schriftliche Arbeit ihres Studiums ist. Die Note, die dann dafür vergeben wird, macht nur ca. 6% der Gesamtnote aus - alles kaum dazu geeignet, das Interesse sowohl der Studierenden als auch der Professoren an engagierter Wissenschaft zu wecken.

Trithemius - 23. Feb, 18:49

Dein Erfahrungsbericht zeigt, wie schwierig es ist, jungen Menschen intellektuelle Redlichkeit beizubringen, und es wird noch schwieriger werden seit der Affäre Guttenberg, weil Guttenbergs Verhalten den Eindruck vermittelt, wer dreist genug ist, kommt durch. Schon immer hat es Fälle wie seinen gegeben, faule Studierende, die es mit Protektion und betrügerischem Geschick zu akademischen Würden gebracht haben. Aber das hier hängt an der großen Glocke, und ihr Missklang wird das geistig-moralische Klima in unserem Land verderben.

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