Deutsch für Blogger (2) - Gas-Gerd trifft Wilhelm
von Trithemius - 1. Feb, 16:50
Als Kind hasste ich es, wenn mich meine Mutter am Samstagmorgen mit einem Einkaufszettel zur Metzgerei schickte. Der Laden war voll, und Thekenbedienung wie Kunden fanden: „Ein Kind hat Zeit.“ So fand ich mich immer wieder hintangestellt, bis sich ein Erwachsener erbarmte und mir den berechtigten Vortritt ließ. In dieser Erwachsenwelt hatte ich keinen eigenen Namen. Wenn jemand wissen wollte, wer da immer wieder zur Seite geschoben wurde, dann hieß es: „Dat is Overlacks Jertrud dä sinnge“, frei übersetzt: Der gehört Gertrud Oberlack. Darin zeigte sich eine zweifache Geringschätzung, ich hatte keinen Vornamen, und Oberlack war der Mädchenname meiner Mutter. Meinen Vatersnamen sprach man nicht aus, weil mein Vater nicht aus dem Ort stammte und auch schon verstorben war.
Wer keinen Namen hat, ist ein gesellschaftliches Nichts. Den Namen eines Menschen zu kennen und bei der Ansprache zu verweigern, ist eine Form der Missachtung. Das gilt auch für die falsche Aussprache oder Schreibweise eines Namens. Sie wirken wie direkte Angriffe auf die Person.
Einer Frau vom Fach hätte auffallen müssen, dass Köpf-Schröder zumindest mündlich ein martialischer Imperativ ist, ein Befehlssatz, und ungewollte Komik obendrein. Vielleicht litt sie noch an den Nachwirkungen ihrer Arbeit bei der BILD. Glücklicherweise hat Gas-Gerd seinen Kopf behalten dürfen. Seine Frau heißt inzwischen Doris Schröder-Köpf. Auch „Gas-Gerd“ ist ein Namenwitz, ein Grenzfall, wie man ihn gelegentlich in Bildschlagzeilen finden kann.
Seriöse Redaktionen erlauben sich solche Spielereien nicht. Jeder Volontär lernt als erstes, dass er auf die korrekte Schreibweise von Namen zu achten hat. Das gilt auch für die Berufsbezeichnung, etwaige akademische Titel, für die Namen von Unternehmen, Ämtern usw. Diese Gepflogenheit ist der Faktentreue geschuldet, und der sollte sich auch jeder Blogger verpflichtet fühlen. Dass man hierzu gegebenenfalls nachfragen muss oder gegen recherchieren, dass man sich nie auf eine einzige Quelle verlassen darf, zeigt der Fall Karl-Theodor zu Guttenberg. Ein anonymer Spaßvogel hatte ihm bei Wikipedia einen 11. Vornamen angedichtet. Und alle schrieben den falschen Wilhelm ab, vorneweg BILD: "Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Wilhelm Franz Joseph Sylvester zu Guttenberg - Müssen wir uns diesen Namen merken?" Nein. Wir wollen den nicht.
Der erdichtete 11. Vorname ist als "Wilhelm-Affäre" in die Mediengeschichte eingegangen. Warum kam dem falschen Wilhelm soviel Aufmerksamkeit zu? Lag es allein daran, dass die Presse sich hier selbst vorgeführt hatte, so dass man ihr mangelndes "Recherche-Ethos" vorwerfen konnte, wie es Bildblogger Stefan Niggemeier scheinheilig tat? War es die Empörung über einen pennälerhaften Namenwitz? Wohl kaum. "Nomen est Omen" - der Name ist Vorsehung. Mit dem Namen eines Menschen verbinden sich Reste magischer Vorstellungen. Der Name steht nicht nur für die Person, in der Namensmagie ist er quasi gleichzusetzen mit der Person. Diese Idee zeigt sich beispielsweise im Märchen vom Rumpelstilzchen. Kennt man seinen wahren Namen, erlangt man Gewalt über den Kobold. Er zerreißt sich selbst.
Sage mir deinen Namen ... und ich sage dir, wie du heißt. Und ich gelobe, dich nach bestem Wissen und Gewissen richtig zu schreiben.
Abgelegt unter: Teppichhaus-Textberatung
Vertiefend: Nützliches & Unterhaltsames über Namen
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Wer keinen Namen hat, ist ein gesellschaftliches Nichts. Den Namen eines Menschen zu kennen und bei der Ansprache zu verweigern, ist eine Form der Missachtung. Das gilt auch für die falsche Aussprache oder Schreibweise eines Namens. Sie wirken wie direkte Angriffe auf die Person.
Der Jäger macht beinah einen Namenwitz. Im Printmedium sind Namenwitze grundsätzlich verpönt. Das Hänseln mit dem Namen gehört in den Kindergarten, und spätestens nach der Pubertät, sollte man es lassen. Ein wenig anders verhält es sich, wenn jemand den Namenwitz provoziert wie etwa die Journalistin Doris Köpf. Nach der Heirat mit Gerhard Schröder stellte sie ihren alten Namen selbstbewusst voran und nannte sich Doris Köpf-Schröder, wie sich hier und hier noch lesen lässt.Ein Jäger kauft bei einem Züchter namens Schindler einen hoch gelobten Schweißhund. Der Hund aber entpuppt sich als Niete beim Aufspüren der Fährten. Da schreibt der Jäger an den Züchter: „Sehr geehrter Herr Schindler, das W, das in Ihrem Namen fehlt, hat Ihr Schweißhund zuviel.“
Einer Frau vom Fach hätte auffallen müssen, dass Köpf-Schröder zumindest mündlich ein martialischer Imperativ ist, ein Befehlssatz, und ungewollte Komik obendrein. Vielleicht litt sie noch an den Nachwirkungen ihrer Arbeit bei der BILD. Glücklicherweise hat Gas-Gerd seinen Kopf behalten dürfen. Seine Frau heißt inzwischen Doris Schröder-Köpf. Auch „Gas-Gerd“ ist ein Namenwitz, ein Grenzfall, wie man ihn gelegentlich in Bildschlagzeilen finden kann.
Seriöse Redaktionen erlauben sich solche Spielereien nicht. Jeder Volontär lernt als erstes, dass er auf die korrekte Schreibweise von Namen zu achten hat. Das gilt auch für die Berufsbezeichnung, etwaige akademische Titel, für die Namen von Unternehmen, Ämtern usw. Diese Gepflogenheit ist der Faktentreue geschuldet, und der sollte sich auch jeder Blogger verpflichtet fühlen. Dass man hierzu gegebenenfalls nachfragen muss oder gegen recherchieren, dass man sich nie auf eine einzige Quelle verlassen darf, zeigt der Fall Karl-Theodor zu Guttenberg. Ein anonymer Spaßvogel hatte ihm bei Wikipedia einen 11. Vornamen angedichtet. Und alle schrieben den falschen Wilhelm ab, vorneweg BILD: "Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Wilhelm Franz Joseph Sylvester zu Guttenberg - Müssen wir uns diesen Namen merken?" Nein. Wir wollen den nicht.
Der erdichtete 11. Vorname ist als "Wilhelm-Affäre" in die Mediengeschichte eingegangen. Warum kam dem falschen Wilhelm soviel Aufmerksamkeit zu? Lag es allein daran, dass die Presse sich hier selbst vorgeführt hatte, so dass man ihr mangelndes "Recherche-Ethos" vorwerfen konnte, wie es Bildblogger Stefan Niggemeier scheinheilig tat? War es die Empörung über einen pennälerhaften Namenwitz? Wohl kaum. "Nomen est Omen" - der Name ist Vorsehung. Mit dem Namen eines Menschen verbinden sich Reste magischer Vorstellungen. Der Name steht nicht nur für die Person, in der Namensmagie ist er quasi gleichzusetzen mit der Person. Diese Idee zeigt sich beispielsweise im Märchen vom Rumpelstilzchen. Kennt man seinen wahren Namen, erlangt man Gewalt über den Kobold. Er zerreißt sich selbst.
Sage mir deinen Namen ... und ich sage dir, wie du heißt. Und ich gelobe, dich nach bestem Wissen und Gewissen richtig zu schreiben.
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