April, April, ich habe Doktor-Blödsinn gemacht
von Trithemius - 22. Feb, 10:57
Was war gestern bei einer Veranstaltung der CSU in Kelkheim zu hören? Zu Guttenberg eröffnete mit dem müden Scherz, er sei kein Plagiat, sondern er selbst. Und dann sagte er sinngemäß: Also Leute, am Wochenende habe ich mir angesehen, was für einen Blödsinn ich in meiner Dissertation geschrieben habe. Ich will den Doktortitel nicht mehr führen. April, April, es war ein dummer Betrugsversuch, und jetzt ist er aufgeflogen, dann gilt der nicht mehr.
Bundeskanzlerin Merkel hält weiterhin fest an ihrem Minister. Sie habe Guttenberg nicht als wissenschaftlichen Assistenten oder Doktoranden ins Kabinett geholt. „Mir geht es um die Arbeit als Bundesverteidigungsminister. Die erfüllt er hervorragend, und das ist das, was für mich zählt.“
Seine Verstöße gegen die intellektuelle Redlichkeit sind ihr egal, aber was ist mit persönlicher Integrität, vorbildhaftem Charakter, Ehrlichkeit und Anstand eines Ministers? Dass diese Werte im politischen Tagesgeschäft nicht gefragt sind, hätte man wissen können, wenn man die hehren Worte der Sonntagsreden vergleicht mit dem tatsächlichen politischen Handeln. Doch nie zuvor wurden ethische Werte so offen, so schamlos in den Dreck getreten. Was für ein verheerendes, unmoralisches Signal von diesen Vorgängen ausgeht, welcher Schaden damit angerichtet wird im Bewusstsein der Menschen, darauf verwendet man keinen Gedanken. Man weiß sich sicher, dass die vereinten Kräfte einer verkommenen Presse und der gigantischen Verblödungsmaschine Fernsehen längst ein moralisches Klima geschaffen haben, in dem alles geht. Auf Facebook präsentieren sich 200.000 Guttenbergsche Jubelperser, und Report München, wer sonst, meldet stolze 73 Prozent der Bevölkerung könnten nicht genug von Guttenberg und seinem betrügerischen Blendwerk kriegen. Sie seien mit seiner politischen Arbeit zufrieden. Man darf sich nicht wundern, wenn der Bayrische Rundfunk (BR) solche angeblichen Umfragewerte verbreitet. Erst kürzlich machte Bundeskanzlerin Merkel ihren ehemaligen Pressesprecher Ulrich Wilhelm zum Intendanten des BR.
Merkel braucht diesen Verteidigungsminister noch, denn er soll die Bundeswehr zu einer Söldnerarmee umbauen. Fragt sich niemand, was das bedeutet? Die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik nach dem 2. Weltkrieg war nur mit dem Grundgesetz in Einklang zu bringen durch das Konstrukt des Bürgers in Uniform. Der wehrpflichtige Soldat sollte nicht einem Kadavergehorsam unterworfen sein, wie er in der Wehrmacht gefordert war, sondern nach dem Prinzip der Inneren Führung immer auch seinem Gewissen verantwortlich sein. Befehle, die offen gegen die Gesetze der Menschlichkeit und des Völkerrechts verstoßen, durfte er mit Recht verweigern. Der Wehrpflichtige kam aus der Zivilgesellschaft und kehrte wieder dorthin zurück. Damit war ein Band geschaffen, mit dem sichergestellt war, dass sich die Armee nicht zum Staat im Staate entwickelt und sich von unseren Grundwerten entfernt. Dieses Band wird durch die Abschaffung der Wehrpflicht zerschnitten. Warum?
Man kann Wehrpflichtige nicht in grundgesetzwidrige Angriffskriege schicken, die reinen Wirtschaftsinteressen dienen. Unter den Wehrpflichtigen waren und sind Söhne aus der besseren Gesellschaft, gut ausgebildet und manierlich. Solche wertvollen jungen Menschen kann man nicht unwidersprochen in Wirtschaftskriegen verheizen. Wer wird aber ihren Platz einnehmen in einer Söldnerarmee? Junge Männer ohne berufliche Perspektive, junge Männer aus der Unterschicht, deren Bindung an unsere Gesellschaft nur schwach entwickelt ist, weil man ihnen schon in der Schule gezeigt hat, dass sie nicht gebraucht werden. Junge Männer, deren Werte aus den Actionfilmen des Privatfernsehens stammen und denen man in Shows wie Dschungelcamp oder DSDS vorführt, dass Häme und Bosheit ein gesellschaftlich akzeptables Verhalten ist. Sie werden demnächst angeführt von einem Verteidigungsminister mit der Werthaltung eines Raubritters, von einem Heuchler und Blender, der lügt und betrügt, wenn es seinen Zwecken nutzt. Da mag man sich nicht ausdenken, was geschieht, wenn die Bundeswehr einmal im Inneren eingesetzt wird, wie manche Politiker schon jetzt fordern.
Zu Guttenbergs jüngerer Bruder Philipp hat diese Haltung in der gestrigen Ausstrahlung der unsäglichen Verleihung des Ordens wider den tierischen Ernst offen ironisiert. Er sagte, die zu Guttenberg würden alles raffen, was glänzt. Da waren selbst die versammelten Lackschuhkarnevalisten für einen Augenblick perplex, wie hier einer der Ihren offen bekundete, auf welche Weise man in dieser Gesellschaft zu Reichtum und Ansehen gelangen kann. Aber dann wurde wieder einvernehmlich geklatscht und gejubelt, denn zu Guttenberg, der ist doch wie sie, wie Ordensritter "Absahner" Wiedeking, wie Laudator "kauf mich" Rüttgers, wie der Vorsitzende der Atlantikbrücke Friedrich Merz, der sich einst die Büttenrede zu seiner Ordensverleihung aus dem Internet geklaut hat. Zu Guttenberg verkörpert die geistige und moralische Verfassung unserer Eliten - im Zirkus des schlechten Geschmacks.
Schon vergessen
Guttenbergs Aufritt von Freitag vor ausgewählten Medienvertretern:
Meine von mir in mühevollster Kleinarbeit verfasste Dissertation ist kein Plagiat (Bildquelle: ZDF, Mash-up-Gif: Trithemius).
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Bundeskanzlerin Merkel hält weiterhin fest an ihrem Minister. Sie habe Guttenberg nicht als wissenschaftlichen Assistenten oder Doktoranden ins Kabinett geholt. „Mir geht es um die Arbeit als Bundesverteidigungsminister. Die erfüllt er hervorragend, und das ist das, was für mich zählt.“
Seine Verstöße gegen die intellektuelle Redlichkeit sind ihr egal, aber was ist mit persönlicher Integrität, vorbildhaftem Charakter, Ehrlichkeit und Anstand eines Ministers? Dass diese Werte im politischen Tagesgeschäft nicht gefragt sind, hätte man wissen können, wenn man die hehren Worte der Sonntagsreden vergleicht mit dem tatsächlichen politischen Handeln. Doch nie zuvor wurden ethische Werte so offen, so schamlos in den Dreck getreten. Was für ein verheerendes, unmoralisches Signal von diesen Vorgängen ausgeht, welcher Schaden damit angerichtet wird im Bewusstsein der Menschen, darauf verwendet man keinen Gedanken. Man weiß sich sicher, dass die vereinten Kräfte einer verkommenen Presse und der gigantischen Verblödungsmaschine Fernsehen längst ein moralisches Klima geschaffen haben, in dem alles geht. Auf Facebook präsentieren sich 200.000 Guttenbergsche Jubelperser, und Report München, wer sonst, meldet stolze 73 Prozent der Bevölkerung könnten nicht genug von Guttenberg und seinem betrügerischen Blendwerk kriegen. Sie seien mit seiner politischen Arbeit zufrieden. Man darf sich nicht wundern, wenn der Bayrische Rundfunk (BR) solche angeblichen Umfragewerte verbreitet. Erst kürzlich machte Bundeskanzlerin Merkel ihren ehemaligen Pressesprecher Ulrich Wilhelm zum Intendanten des BR.
Merkel braucht diesen Verteidigungsminister noch, denn er soll die Bundeswehr zu einer Söldnerarmee umbauen. Fragt sich niemand, was das bedeutet? Die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik nach dem 2. Weltkrieg war nur mit dem Grundgesetz in Einklang zu bringen durch das Konstrukt des Bürgers in Uniform. Der wehrpflichtige Soldat sollte nicht einem Kadavergehorsam unterworfen sein, wie er in der Wehrmacht gefordert war, sondern nach dem Prinzip der Inneren Führung immer auch seinem Gewissen verantwortlich sein. Befehle, die offen gegen die Gesetze der Menschlichkeit und des Völkerrechts verstoßen, durfte er mit Recht verweigern. Der Wehrpflichtige kam aus der Zivilgesellschaft und kehrte wieder dorthin zurück. Damit war ein Band geschaffen, mit dem sichergestellt war, dass sich die Armee nicht zum Staat im Staate entwickelt und sich von unseren Grundwerten entfernt. Dieses Band wird durch die Abschaffung der Wehrpflicht zerschnitten. Warum?
Man kann Wehrpflichtige nicht in grundgesetzwidrige Angriffskriege schicken, die reinen Wirtschaftsinteressen dienen. Unter den Wehrpflichtigen waren und sind Söhne aus der besseren Gesellschaft, gut ausgebildet und manierlich. Solche wertvollen jungen Menschen kann man nicht unwidersprochen in Wirtschaftskriegen verheizen. Wer wird aber ihren Platz einnehmen in einer Söldnerarmee? Junge Männer ohne berufliche Perspektive, junge Männer aus der Unterschicht, deren Bindung an unsere Gesellschaft nur schwach entwickelt ist, weil man ihnen schon in der Schule gezeigt hat, dass sie nicht gebraucht werden. Junge Männer, deren Werte aus den Actionfilmen des Privatfernsehens stammen und denen man in Shows wie Dschungelcamp oder DSDS vorführt, dass Häme und Bosheit ein gesellschaftlich akzeptables Verhalten ist. Sie werden demnächst angeführt von einem Verteidigungsminister mit der Werthaltung eines Raubritters, von einem Heuchler und Blender, der lügt und betrügt, wenn es seinen Zwecken nutzt. Da mag man sich nicht ausdenken, was geschieht, wenn die Bundeswehr einmal im Inneren eingesetzt wird, wie manche Politiker schon jetzt fordern.
Zu Guttenbergs jüngerer Bruder Philipp hat diese Haltung in der gestrigen Ausstrahlung der unsäglichen Verleihung des Ordens wider den tierischen Ernst offen ironisiert. Er sagte, die zu Guttenberg würden alles raffen, was glänzt. Da waren selbst die versammelten Lackschuhkarnevalisten für einen Augenblick perplex, wie hier einer der Ihren offen bekundete, auf welche Weise man in dieser Gesellschaft zu Reichtum und Ansehen gelangen kann. Aber dann wurde wieder einvernehmlich geklatscht und gejubelt, denn zu Guttenberg, der ist doch wie sie, wie Ordensritter "Absahner" Wiedeking, wie Laudator "kauf mich" Rüttgers, wie der Vorsitzende der Atlantikbrücke Friedrich Merz, der sich einst die Büttenrede zu seiner Ordensverleihung aus dem Internet geklaut hat. Zu Guttenberg verkörpert die geistige und moralische Verfassung unserer Eliten - im Zirkus des schlechten Geschmacks.
Schon vergessen
Guttenbergs Aufritt von Freitag vor ausgewählten Medienvertretern:
Meine von mir in mühevollster Kleinarbeit verfasste Dissertation ist kein Plagiat (Bildquelle: ZDF, Mash-up-Gif: Trithemius).
Selbst
Dadurch, dass er nun seinen Doktortitel zurückgeben will, hofft er, weiteren Nachforschungen zu entgehen, damit es nicht noch dicker kommt. Ghostwriter für eine Doktorarbeit zu beschäftigen ist nämlich etwas mehr als "Blödsinn".
Ich bin gespannt, was aus den beiden Strafanzeigen wird. Denn eigentlich ist doch die Erklärung am Schluss der Dissertion so etwas wie eidesstattlich. Die Vermutung, ein Ghostwriter habe die Arbeit verfasst, liegt nahe, denn offenbar wusst KT am vergangenen Freitag noch nicht, welches Ei ihm da ins Nest gelegt wurde.