Mit Absicht habe ich für die erste Freitagsdiskussion die Form des Hüpfekästchens gewählt. Es ist eines der ältesten Schriftzeugnisse der Menschheit, über die Zeiten bewahrt und weiter gegeben von den Kindern vieler Generationen. Einiges zur Theorie des Hüpfekästchens lies hier: http://trithemius.twoday.net/stories/4856745/.
In den oberen Bereich, den Himmel des Hüpfekästchens, gelangt man nur durch Beharrlichkeit und Geschick. Aber hat man ihn erreicht, dann ist alles offen. Hier kann endlich spekuliert und phantasiert werden, hier können Konzepte für eine zukünftige Welt entstehen, indem einfach so in den offenen Himmel gedacht wird.
Stellen wir uns eine Welt ohne Schulen und Universitäten vor. Stellen wir uns vor, es gäbe keine Widerstände, sondern wir dürfen uns aussuchen, wie sich Menschen frei und unbefangen, ihren Anlagen und Interessen gemäß, in dieser Welt einen Platz suchen und lernen könnten. Zugang zur Bildung, Öffnung der hermetischen Zirkel. Freies Lernen, erfüllte Arbeit, Kunst und Kreativität. „Du hast Ideen wie ein Windvogel!“, sagte meine Mutter manchmal. In der Schule wurden diese Ideen aber nicht gebraucht. Bitte, hier können die Windvogel-Ideen geäußert werden. Die Welt kann sie gut gebrauchen.
Schaut man sich das Alphabetisierungsprogramm von Paulo Freire an, dann ist eigentlich klar was wir brauchen. Unterricht der sich an der Lebenswirklichkeit der Schüler (und Lehrer) orientiert. So ist von Anfang an gewährleistet, dass das erworbene Wissen anschlußfähig ist. Die Gesellschaft muss informell erwobene Fähigkeiten und Kompetenzen anerkennen und sich endlich vom Zeugnis- und Zertifikatewahn verabschieden.
Wir lernen mit- und voneinander und nicht gegen die Konkurrenz am Markt.
Freier Eintritt in allen Museen - wer will, bereitet ein Thema vor, veröffentlicht einen Termin, zu dem kommen kann, wer Interesse hat, um sich den Vortrag anzuhören. Danach gibt es die Möglichkeit, darüber zu diskutieren und Kontakte zu knüpfen. Es wird nicht (!) sofort ein Verein gegründet ;-). Das ist besser als jedes verblödende Fernsehprogramm.
Ich verabschiede mich für heute (und die nächsten drei Wochen). Das hat Spaß gemacht, ich hoffe auf eine/mehrere Wiederholungen.
Liebe Grüße,
Videbitis
Careca - 29. Mai, 12:00
Eine Welt ohne Schulen und Universitäten ist wie ein Leben im Dschungel bei den Stämmen fern ab einer geordneten Zivilisation, die von Menschen so sehr erwünscht ist.
Eine Welt ohne Schulen und Universitäten wäre eine Welt ohne Internet.
Eine Welt ohne schulen und Universitäten wäre eine Welt mit tausend Dogmas statt nur einem Dutzend. Das macht die Welt zwar auch nicht besser. Aber vielfältiger.
Inhaltlich gehört das, was du sagst, zum schwarzen Hut.
Grüner Hut: Eine Welt ohne Schulen und Universitäten wäre keine Welt ohne Bildung. Aber sie wäre ganz anders organisiert. Kinder und junge Menschen hätten schon früh Teil am gesellschaftlichen Leben, würden ernster und wichtiger genommen, dürften lernen, was in ihrer Lebenswelt Interessantes zu finden ist und darüber hinausgehen. Kinderparlamente würden Fragen diskutieren, die sie betreffen. Und sie hätten mit ihren Vorschlägen Einfluss. Junge Menschen würden sich selbst ihre Meister suchen, wären Meisterschüler in dem Sinne, dass sowohl sie vom Meister lernen und der Meister von ihnen. Es gäbe keine Noten, keine Zertifikate, keine akademischen Titel. Denn Noten messen nur, was messbar ist, und das ist das wenigste am menschlichen Geist. Es würde nur zählen, was jemand kann und darstellt. Kaum je müsste man Kinder zum Lernen antreiben, denn der Mensch ist von Natur wissbegierig. Das wird ihm aber in den Schulen gründlich ausgetrieben. In einer solchen Welt gäbe es keine Großkonzerne und keine Zentralisierung. Kleine Einheiten würden sich selbst verwalten und wären in der Lage, sich selbst zu helfen, denn alles, was sie erzeugen, können sie auch reparieren. Es wäre eine Welt, in der jeder Mensch sich seinen Anlagen gemäß vervollkommnen würde.
(Illich hat, was das betrifft, eine Reihe von Vorschlägen gemacht. Ich kann das hier nicht darlegen, aber bei dem Wikipedia-Artikel Deschooling ist es unter "Alternativen" kurz umrissen.) http://de.wikipedia.org/wiki/Deschooling
Careca - 29. Mai, 14:47
Auch wenn's dich irritiert, das war grüner Hut. Du musst die Betonungen in grüner Richtung legen, dann isses nicht mehr schwarze Hut-Geschichte.
Grad wollte ich meinen Satz da oben löschen, weil meine Irritation sich langsam aufgelöst hatte. Vielleicht hatten mich auch die 1000 neuen Dogmen gestört, denn ich dachte, es ist eigentlich umgekehrt, wir akzeptieren in dieser Gesellschaft unzählige Dogmen, aber viele sind uns gar nicht bewusst.
Erst jüngst hat uns Frau Merkel verkauft mit der Behauptung, die Entscheidungen seien "alternativlos". Das enthält gleich zwei Dogmen: 1) Die Verhältnisse zwingen uns, das Volksvermögen zu verschleudern und 2) Über Alternativen braucht ihr nicht nachzudenken, denn wir haben schon für euch gedacht.
@ Videbitis: Desgleichen das gemeinsame kreative Schaffen, zu dem man sich verabredet, aber über das Künstlerische und Hobbybasteln hinausgehend, wie es Joseph Beuys mit seiner "sozialen Plastik" gemeint hat. http://de.wikipedia.org/wiki/Soziale_Plastik
Unser Projekt hier ist in diesem Sinne auch eine soziale Plastik.
Grundsätzlich sollten wir hier eine Unterscheidung zwischen dem Ist und dem Soll machen.
Das was Sie befürchten, lieber Careca, betrifft wohl den Ist-Zustand und hat nichts mit den Vorstellungen Illichs zu tun. Wenn man von heute auf morgen die Bildungsinstitutionen abschaffen würde, hätte das vermutlich verheerende Folgen. In eine so stark von Globalisierung und Zentralisierung betroffene Welt, in der die Menschen 'gelernt' haben in Abhängigkeit von anderen und/oder Institionen zu lernen, kann man sich Illichs Vorstellungen sicher nur schwer hineindenken.
Widmen wir uns also dem Soll-Zustand, dem was wünschenswert ist. Illich beschreibt die Merkmale neuer Bildungseinrichtungen wie folgt:
- Es sollte allen, die lernen wollen, zu jedem Zeitpunkt ihres Lebens Zugang zu vorhandenen Möglichkeiten gewähren
- Es sollte alle, die ihr Wissen mit anderen teilen wollen, ermächtigen, diejenigen zu finden, die von ihnen lernen wollen
- Es sollte allen, die der Öffentlichkeit ein Problem vorlegen wollen, Gelegenheit verschaffen, ihre Sache vorzutragen.
Die Freiwilligkeit und das interessegeleitete Lernen bilden die Basis. Dadurch hat jeder Bürger eine größere Entscheidungsfreiheit und neue Lernchancen, wie Illich es sagt. Das ist eine logische Konsequenz. Wenn wir also mit Illich einer Meinung sind, würden wir sagen, dass sich die Bürger nun selbst Führung suchen.
Dazu als Beispiel: Als ich anfing zu studieren, wusste ich beinahe nichts über die Organisation meines Studiums. Ich hatte einen Plan der die Anzahl der Semesterwochenstunden in den einzelnen Fächern vorgab und ich hatte die Prüfungsordnung. Alles blieb mir selbst überlassen. Ich suchte mir also jemanden der sich besser damit auskannte als ich und profitierte von seiner Erfahrung. Das kostete nichts und ich habe auf diese Weise viel Unterstützung erfahren die mir auch im weiteren Studium sehr viel gebracht hat.
In einer stark verschulten Universität mit festen Stundenplänen sind solche Erfahrungen nicht zu machen. Auch bin ich der Überzeugung, dass es nur im kleinen funktioniert. Je größer der Peronenkreis ist, beispielsweise einer Stadt wie Hannover, und je stärker die Anonymisierung desto geringer wird die Unterstützung ausfallen. Auch das ist eine logische Konsequenz.
Illichs Ideen umzusetzen ist sicher ein großer Schritt, der viele kleine Schritte voraussetzt. Aber es würde keinesfalls im Dschungel enden!
Grüner Hut
Mit Absicht habe ich für die erste Freitagsdiskussion die Form des Hüpfekästchens gewählt. Es ist eines der ältesten Schriftzeugnisse der Menschheit, über die Zeiten bewahrt und weiter gegeben von den Kindern vieler Generationen. Einiges zur Theorie des Hüpfekästchens lies hier: http://trithemius.twoday.net/stories/4856745/.
In den oberen Bereich, den Himmel des Hüpfekästchens, gelangt man nur durch Beharrlichkeit und Geschick. Aber hat man ihn erreicht, dann ist alles offen. Hier kann endlich spekuliert und phantasiert werden, hier können Konzepte für eine zukünftige Welt entstehen, indem einfach so in den offenen Himmel gedacht wird.
Stellen wir uns eine Welt ohne Schulen und Universitäten vor. Stellen wir uns vor, es gäbe keine Widerstände, sondern wir dürfen uns aussuchen, wie sich Menschen frei und unbefangen, ihren Anlagen und Interessen gemäß, in dieser Welt einen Platz suchen und lernen könnten. Zugang zur Bildung, Öffnung der hermetischen Zirkel. Freies Lernen, erfüllte Arbeit, Kunst und Kreativität. „Du hast Ideen wie ein Windvogel!“, sagte meine Mutter manchmal. In der Schule wurden diese Ideen aber nicht gebraucht. Bitte, hier können die Windvogel-Ideen geäußert werden. Die Welt kann sie gut gebrauchen.
Tretet dAdA rein!
Wir lernen mit- und voneinander und nicht gegen die Konkurrenz am Markt.
Ich verabschiede mich für heute (und die nächsten drei Wochen). Das hat Spaß gemacht, ich hoffe auf eine/mehrere Wiederholungen.
Liebe Grüße,
Videbitis
Eine Welt ohne Schulen und Universitäten wäre eine Welt ohne Internet.
Eine Welt ohne schulen und Universitäten wäre eine Welt mit tausend Dogmas statt nur einem Dutzend. Das macht die Welt zwar auch nicht besser. Aber vielfältiger.
Hier darf gesponnen werden.
Grüner Hut: Eine Welt ohne Schulen und Universitäten wäre keine Welt ohne Bildung. Aber sie wäre ganz anders organisiert. Kinder und junge Menschen hätten schon früh Teil am gesellschaftlichen Leben, würden ernster und wichtiger genommen, dürften lernen, was in ihrer Lebenswelt Interessantes zu finden ist und darüber hinausgehen. Kinderparlamente würden Fragen diskutieren, die sie betreffen. Und sie hätten mit ihren Vorschlägen Einfluss. Junge Menschen würden sich selbst ihre Meister suchen, wären Meisterschüler in dem Sinne, dass sowohl sie vom Meister lernen und der Meister von ihnen. Es gäbe keine Noten, keine Zertifikate, keine akademischen Titel. Denn Noten messen nur, was messbar ist, und das ist das wenigste am menschlichen Geist. Es würde nur zählen, was jemand kann und darstellt. Kaum je müsste man Kinder zum Lernen antreiben, denn der Mensch ist von Natur wissbegierig. Das wird ihm aber in den Schulen gründlich ausgetrieben. In einer solchen Welt gäbe es keine Großkonzerne und keine Zentralisierung. Kleine Einheiten würden sich selbst verwalten und wären in der Lage, sich selbst zu helfen, denn alles, was sie erzeugen, können sie auch reparieren. Es wäre eine Welt, in der jeder Mensch sich seinen Anlagen gemäß vervollkommnen würde.
(Illich hat, was das betrifft, eine Reihe von Vorschlägen gemacht. Ich kann das hier nicht darlegen, aber bei dem Wikipedia-Artikel Deschooling ist es unter "Alternativen" kurz umrissen.)
http://de.wikipedia.org/wiki/Deschooling
Erst jüngst hat uns Frau Merkel verkauft mit der Behauptung, die Entscheidungen seien "alternativlos". Das enthält gleich zwei Dogmen: 1) Die Verhältnisse zwingen uns, das Volksvermögen zu verschleudern und 2) Über Alternativen braucht ihr nicht nachzudenken, denn wir haben schon für euch gedacht.
http://de.wikipedia.org/wiki/Soziale_Plastik
Unser Projekt hier ist in diesem Sinne auch eine soziale Plastik.
@Careca
Das was Sie befürchten, lieber Careca, betrifft wohl den Ist-Zustand und hat nichts mit den Vorstellungen Illichs zu tun. Wenn man von heute auf morgen die Bildungsinstitutionen abschaffen würde, hätte das vermutlich verheerende Folgen. In eine so stark von Globalisierung und Zentralisierung betroffene Welt, in der die Menschen 'gelernt' haben in Abhängigkeit von anderen und/oder Institionen zu lernen, kann man sich Illichs Vorstellungen sicher nur schwer hineindenken.
Widmen wir uns also dem Soll-Zustand, dem was wünschenswert ist. Illich beschreibt die Merkmale neuer Bildungseinrichtungen wie folgt:
- Es sollte allen, die lernen wollen, zu jedem Zeitpunkt ihres Lebens Zugang zu vorhandenen Möglichkeiten gewähren
- Es sollte alle, die ihr Wissen mit anderen teilen wollen, ermächtigen, diejenigen zu finden, die von ihnen lernen wollen
- Es sollte allen, die der Öffentlichkeit ein Problem vorlegen wollen, Gelegenheit verschaffen, ihre Sache vorzutragen.
Die Freiwilligkeit und das interessegeleitete Lernen bilden die Basis. Dadurch hat jeder Bürger eine größere Entscheidungsfreiheit und neue Lernchancen, wie Illich es sagt. Das ist eine logische Konsequenz. Wenn wir also mit Illich einer Meinung sind, würden wir sagen, dass sich die Bürger nun selbst Führung suchen.
Dazu als Beispiel: Als ich anfing zu studieren, wusste ich beinahe nichts über die Organisation meines Studiums. Ich hatte einen Plan der die Anzahl der Semesterwochenstunden in den einzelnen Fächern vorgab und ich hatte die Prüfungsordnung. Alles blieb mir selbst überlassen. Ich suchte mir also jemanden der sich besser damit auskannte als ich und profitierte von seiner Erfahrung. Das kostete nichts und ich habe auf diese Weise viel Unterstützung erfahren die mir auch im weiteren Studium sehr viel gebracht hat.
In einer stark verschulten Universität mit festen Stundenplänen sind solche Erfahrungen nicht zu machen. Auch bin ich der Überzeugung, dass es nur im kleinen funktioniert. Je größer der Peronenkreis ist, beispielsweise einer Stadt wie Hannover, und je stärker die Anonymisierung desto geringer wird die Unterstützung ausfallen. Auch das ist eine logische Konsequenz.
Illichs Ideen umzusetzen ist sicher ein großer Schritt, der viele kleine Schritte voraussetzt. Aber es würde keinesfalls im Dschungel enden!