Virtueller Kaffeeplausch mit Frau Nettesheim
Frau Nettesheim
Wenn Sie sich mal nicht in den Keller schreiben mit dem PentAgrion-Projekt.
Trithemius
Fallen Sie mir etwa in den Rücken?
Frau Nettesheim
Ganz und gar nicht. Aber ich fürchte, Sie verschrecken Ihre Leser, wenn Sie aus der Rolle fallen wie im 3. Kapitel.
Trithemius
Ich habe nur thematisiert, dass im Internet der Ich-Erzähler und der Autor sich unentwirrbar vermischen. Im gedruckten Buch ist der Unterschied klar: Hier der Autor, da sein Ich-Erzähler. Im Blog scheint diese Trennung aufgehoben zu sein. Autor und Icherzähler tauschen beliebig ihre Rollen.
Frau Nettesheim
Das ginge auch im gedruckten Buch, wenn der Autor es darauf anlegt.
Trithemius
Ja, aber hier geschieht es absichtslos. Selbst wenn die Trennung klar ist, spätestens in den Kommentaren scheint der Ich-Erzähler sich zu äußern.
Frau Nettesheim
Das haben Sie sich selbst eingebrockt, weil Sie zwei Namen verwenden,
mal als van der Ley auftreten, mal als Trithemius.
Trithemius
Und manchmal sogar als Frau Nettesheim.
Frau Nettesheim
Laufen Sie etwa in meiner Abwesenheit in Frauenkleidern herum?
Trithemius
Das brauche ich doch gar nicht, Frau Nettesheim. Hier ist alles virtuell. Theoretisch könnte sogar die ganze Plattform ein Fake sein. Man hat den Stil und den Wortschatz verschiedener Menschen analysiert, Blogidentitäten erzeugt, und ein Zufallsgenerator bestimmt, wann diese Identitäten aktiv werden. Dann erzeugt ein anderes Programm aus Textbausteinen neue Blogeinträge oder Kommentare.
Frau Nettesheim
Ach ja? Sie unterhalten sich mit virtuellen Personen, deren Äußerungen von einem Textautomaten kommen, derweil Sie eigentlich etwas anderes machen müssten, mal wieder abwaschen und Ihre Wohnung aufräumen?
Trithemius
Nö, wenn alles nur eine Computerillusion ist, dann wären Sie und ich ja auch nur Produkte dieses automatischen Schreibens. Und während wir uns scheinbar unterhalten, stehe ich in Wahrheit in der Küche und wasche ab.
Frau Nettesheim
Dann sind Sie schon eher ein Seehund und balancieren einen bunten Ball
auf der Schnauze.
Mir gelingt es weder da noch dort, obwohl ja Frauen nachgesagt wird, sie seien voller Wandelbarkeit und Empathie. Natuerlich koennte ich mich in Sie als Mann - van der Ley und auch Trithemius - blitzartig hineinfuehlen wollen. Doch ich habe eine solche Abscheu vor dem Abwaschen, dass ich es vorziehe, diese Taetigkeit oft bis nach Mitternacht aufzuschieben und danach lieber ein Sudoku zu loesen als ans Waschbecken zu gehen. Vom Aufraeumen ganz zu schweigen! Die Konsequenzen werden Ihnen nicht unbekannt sein.
Cordialement ! Audrii
PS: Ja, und ich haette noch eine Frage zum Thema "automatisches Schreiben" ...
In der Tat ist es recht hübsch, dass man im Internet viele verschiedene Identitäten annehmen kann, was gewiss auch die Fähigkeit trainiert, sich in andere Rollen hineinzudenken.
Oft teile ich Ihre Abneigung gegen den Abwasch, aber habe ich mich einmal rangemacht und komme voran, macht es sogar Spaß. Immerhin sieht man am Ende, was man geleistet hat. Bei mir steigert das Ergebnis von Aufräumen, Abwaschen und dergl. das Wohlbefinden. Hab mal gelesen, dass das Prokrastinieren weit mehr Energie fordert als das Erledigen. Allein es will einfach nicht richtig in meinen Kopf. ;)
PS: Automatisches Schreiben ist ja eigentlich was anderes, wie im letzten Abschnitt dieses Textes beschrieben.
http://trithemius.twoday.net/stories/mein-surrealer-alltag-zeit-fuer-automatisches-schreiben/