Schreiben wie blöd - FAZ.net auf Bauernfang
von Trithemius - 13. Okt, 09:05
Am Sonntag, dem 10. Oktober 2010, saß der US-amerikanische Soul- und Rhythm-and-Blues-Sänger Solomon Burke in einem Flugzeug aus Los Angeles mit Ziel Amsterdam. Während der Landung auf dem Amsterdamer Flughafen Schiphol verstarb er an einem Herzanfall.
Nachdem der flämische Musiksender Studio Brussel den tragischen Todesfall zeitnah gemeldet hatte, sang Solomon Burke den von ihm komponierten Titel „Everybody Needs Somebody to Love“, eine beachtliche Leistung für einen Toten. Er wird wohl noch nicht ganz kalt gewesen sein.
Weil die Medien über gottgleiche Fähigkeiten verfügen, weil sie über den Tod hinaus jeden noch einmal auf die Bühne zerren können sooft sie wollen, wunderte ich mich kaum, als ich im Blog von Mimiotschka die Titelzeile las: „Kafka schreibt bei BILD“. Irgendwie werden die Halunken ihn reanimiert haben, dachte ich, haben ihm Blatt und Feder in die Hand gedrückt, und schon brachte der fügsame Franz seine kafkaesken Sätze zu Papier. Es war aber anders. Mimiotschka hatte einen Text aus BILD von einem Programm testen lassen, das man bei Faz.net finden kann. Faz.net wirbt:
Was haben sich die Redakteure von Faz.net dabei gedacht, ein derart lachhaftes Tool bereitzustellen? Sie rechnen mit der Eitelkeit der Internetnutzer, und ein Blick in die Blogosphäre zeigt, dass dieser Test sich großer Beliebtheit erfreut. Blogger vermelden, sie würden wie Rainald Goetz schreiben, wie Nietzsche, Charlotte Roche oder wie der unsägliche Maxim Biller. Mal abgesehen davon, dass dieses Programm nicht kann, was FAZ.net vollmundig verspricht, seit wann ist ein nachgemachter Schreibstil ein Qualitätsmerkmal? Offenbar handelt es sich um eine versteckte Werbeaktion für den Buchhandel, denn wer erfahren hat, in wessen Stil er angeblich schreibt, wird auf die entsprechenden Buchrezensionen in der FAZ hingewiesen. So geht Qualitätsjournalismus.
Das Testprogramm ist eine Adaption des englischen "I Write Like" von Coding Robots und stammt in der deutschen Fassung von Scribando, einem Literatur-Marketingunternehmen mit Sitz in Wien. Scribando preist seine Leistungen an mit den ulkigen Worten: „Kung Fu für eine neue Schriftstellergeneration“. Kung Fu beim Schreiben? Wie geht das? Muss man einen Stapel Dachziegel mit dem Kopf zerdeppern, um Mitglied dieser neuen Schriftstellergeneration zu werden? Ich wollte deren Hirnriss nicht lesen.
Abgelegt unter: Zirkus des schlechten Geschmacks
Ich schreibe wie Rainald Goetz an den Presserat
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Nachdem der flämische Musiksender Studio Brussel den tragischen Todesfall zeitnah gemeldet hatte, sang Solomon Burke den von ihm komponierten Titel „Everybody Needs Somebody to Love“, eine beachtliche Leistung für einen Toten. Er wird wohl noch nicht ganz kalt gewesen sein.
Weil die Medien über gottgleiche Fähigkeiten verfügen, weil sie über den Tod hinaus jeden noch einmal auf die Bühne zerren können sooft sie wollen, wunderte ich mich kaum, als ich im Blog von Mimiotschka die Titelzeile las: „Kafka schreibt bei BILD“. Irgendwie werden die Halunken ihn reanimiert haben, dachte ich, haben ihm Blatt und Feder in die Hand gedrückt, und schon brachte der fügsame Franz seine kafkaesken Sätze zu Papier. Es war aber anders. Mimiotschka hatte einen Text aus BILD von einem Programm testen lassen, das man bei Faz.net finden kann. Faz.net wirbt:
„Ich schreibe wie … Franz Kafka? Oder eher wie Ildiko von Kürthy, Ingeborg Bachmann, Maxim Biller? Oder schreibe ich wie Goethe? Wenn Sie wissen wollen, ob Sie Stil haben und wenn ja: welchen - dann gibt es jetzt endlich eine absolut sichere und unbestechliche Messmethode. (…)“Mit dieser absolut sicheren und unbestechlichen Messmethode hat das Testprogramm also Franz Kafkas würdige Nachfolger gefunden: die verschmockten BILD-Schreiberknechte. Bei einem Test, den der Kollege Noemix anschließend mit Schillers „Lied von der Glocke“ machte, kam an den Tag, die Ballade stammt eigentlich von Goethe.
Was haben sich die Redakteure von Faz.net dabei gedacht, ein derart lachhaftes Tool bereitzustellen? Sie rechnen mit der Eitelkeit der Internetnutzer, und ein Blick in die Blogosphäre zeigt, dass dieser Test sich großer Beliebtheit erfreut. Blogger vermelden, sie würden wie Rainald Goetz schreiben, wie Nietzsche, Charlotte Roche oder wie der unsägliche Maxim Biller. Mal abgesehen davon, dass dieses Programm nicht kann, was FAZ.net vollmundig verspricht, seit wann ist ein nachgemachter Schreibstil ein Qualitätsmerkmal? Offenbar handelt es sich um eine versteckte Werbeaktion für den Buchhandel, denn wer erfahren hat, in wessen Stil er angeblich schreibt, wird auf die entsprechenden Buchrezensionen in der FAZ hingewiesen. So geht Qualitätsjournalismus.
Das Testprogramm ist eine Adaption des englischen "I Write Like" von Coding Robots und stammt in der deutschen Fassung von Scribando, einem Literatur-Marketingunternehmen mit Sitz in Wien. Scribando preist seine Leistungen an mit den ulkigen Worten: „Kung Fu für eine neue Schriftstellergeneration“. Kung Fu beim Schreiben? Wie geht das? Muss man einen Stapel Dachziegel mit dem Kopf zerdeppern, um Mitglied dieser neuen Schriftstellergeneration zu werden? Ich wollte deren Hirnriss nicht lesen.
Abgelegt unter: Zirkus des schlechten Geschmacks
Ich schreibe wie Rainald Goetz an den Presserat
Danke für den schönen Zirkus, Verehrtester.
Gerne