Ein Jahr schwarz-gelb - Stefanie Hauer und ich bilanzieren, und ich bekomme einen 5er BMW

Frau Stefanie Hauer, Verlagsleiterin der Wochenzeitung DIE ZEIT hat mir heute eine E-Mail geschickt. Die schwarz-gelbe Koalition wäre nun ein Jahr im Amt. Und darum wolle Frau Hauer eine Zwischenbilanz mit mir ziehen. Wenn ich mir zwei Minuten Zeit nehmen würde, um die bisherige Arbeit der Regierung zu bewerten, bekäme ich einen neuen 5er BMW Touring oder einen 5000 Euro dicken Möbelgutschein. Außerdem die praktische Sporttasche »Active« oder die limitierte ZEIT-Uhr.

Zeit-Umfrage

Legen Sie los, Frau Hauer, bilanzieren wir!

Frage 1
„Seit die neue Bundesregierung im Amt ist, hat sich die Konjunktur in Deutschland deutlich erholt. Was denken Sie: Welchen Anteil hat die Regierung daran?
– Einen wesentlichen Anteil.
– Einen mittelgroßen Anteil.
– Einen geringen Anteil.
Die Fragestellung zu viel zu eng, Frau Hauer. Wenn ich für zwei Minuten Bilanzieren mit Ihnen einen 5-er-BMW bekomme, dann muss die Konjunktur brummen wie Sau. Das gibt eine 1 Doppelplus für schwarz-gelb, denn so etwas hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben. Brüderle wird ja quasi von der Konjunkturkurbel rumgeschleudert. Und es regnet 5er BMWs, Möbel, Sporttaschen und Uhren. „Einen alles überragenden Anteil.“ - würde ich da gerne ankreuzen.

Frage 2
Die Bundesregierung hält an einem Engagement in Afghanistan fest.
Sind Sie damit einverstanden?
- Ja.
- Nein.
- Ich bin unentschieden.
Ja! Ja! Ein festes Engagement ist immer erfreulich, das wird Ihnen jede Clownstruppe bestätigen. Endlich mal die Koffer auspacken und ein bisschen heimisch werden, sich mal in Ruhe die Stadt angucken, herrlich. Ich bin froh, dass die Bundesregierung in Afghanistan so gut ankommt. Wahrscheinlich hat sie jeden Tag volle Säle, und die Eintrittskarten sind auf Jahre ausverkauft. Und wenn der schmucke Baron zum Guttenberg mit Kristina (Nenn mich deutsche Schlampe! Gib mir Tiernamen!) Schröder jongliert, dann kann ich mir denken, fällt der Afghane vor Begeisterung vom Glauben ab.

Frage 3
Wie beurteilen Sie den Einsatz der Bundesregierung
für die Stabilität des Euros?
- Gut, die Regierung hat sich erfolgreich für eine weiterhin
stabile Währung eingesetzt.
- Nicht gut genug, die Stabilität bleibt gefährdet.
- Kann ich nicht beurteilen.
Erfolgreicher und weiterhin stabiler Einsatz beim Kohleschaufeln von unten nach oben. Keinesfalls dürfen die Preise für die Eintrittskarten gesenkt werden, das schwächt den Euro am Hindukusch.

Frage 4
Wie bewerten Sie die bisherige Arbeit der Bundesregierung insgesamt?
- Gut.
- Durchschnittlich.
- Schlecht.
- Kann ich nicht beurteilen.
Toll, schon alleine wegen der feuerfesten Frisuren bei den diversen Auftritten in Afghanistan. Also Kreuzchen für Schwarz-Gelb, wie Sie es schon vorgemacht haben.

Frage 5
Die Redakteure der ZEIT haben unterschiedliche politische Ansichten.
Wie finden Sie das?
- Gut, denn ich möchte verschiedene Sichtweisen kennenlernen,
bevor ich mir selbst eine Meinung bilde.
- Nicht so gut, ich hätte lieber eine einheitliche
politische Ausrichtung der Redakteure.

Äh, Frau Hauer? Die Frage verstehe ich nicht. Wir bilanzieren doch die Arbeit der Bundesregierung, oder? Gehören die Redakteure der ZEIT auch dazu? Dann ist klar, dass da welche schwarz und welche gelb sind. Aber unterm Strich ist's glücklich ein Verein.

Frage 6
Zum Schluss noch eine persönliche Frage:
Wie häufig lesen Sie momentan DIE ZEIT?

Jeden Tag dreimal, denn man muss sich über die Verlautbarungen der Bundesregierung auf dem Laufenden halten.

zirkus schlechten GeschmacksUff, das hat jetzt ein bisschen länger gedauert als zwei Minuten. Ich hätte dann gern den BMW, die Tasche, die ZEIT-Uhr UND den Möbelgutschein. Persönliche Bemerkung: Wenn ich nicht von Ihnen gelernt hätte, Frau Hauer, dass DIE ZEIT ein Organ der Bundesregierung ist, würde ich sagen, so eine verschmockte Umfrage, zusammengeschustert aus Suggestivfragen, Euphemismen und wertenden Attributen, habe ich noch nie gesehen. Aber passt schon. Nur das Layout der ZEIT-Umfrage wirkt, ich muss es leider sagen, ein bisschen schmuddelig. Na ja, Sie können nichts dafür. Schwarz und Gelb gibt leider immer nur ein fieses Grau.
2020 mal gelesen
pathologe - 3. Nov, 23:21

Eine

limitierte ZEIT-Uhr, laesst das nicht etwa auch auf eine limitierte Regierungszeit hoffen, deren ZEIT bald abgelaufen ist?

Trithemius - 3. Nov, 23:26

Oja, dieser witzige Bezug war mir entgangen. Wird Zeit für eine richtige Zeitumstellung, aber eine, die sich gewaschen hat.
Heinrich.Sch - 4. Nov, 04:33

Lieber Trithemius,
ich beneide Sie um Ihre Jugend und Ihren gesellschaftlichen Stellenwert. Sie sind gefragt, Sie werden gefragt. Ich bin schon so alt und unbedeutend, dass ich nicht einmal mehr von Straßendemoskopen angesprochen werde. Im März habe ich mich noch darüber gefreut: http://heinrich11.wordpress.com/2010/03/18/endlich/
Aber nun, nach über 7 zielgruppenfreien Monaten spüre ich die hochkriechende Leere, meine Randzone wird immer unschärfer. Ich muss schon durch die Blogs der Nation ziehen, um ungefragt meine sich aufstauende Meinung abzuladen. Einzig ein paar fehlgeschaltete Telefonumfragen geben mir noch ein klitzekleines Gefühl der Zugehörigkeit und dass man auf meine Meinung Wert legt. Vielleicht habe ich an einigen Stellen ein falsches Geburtsdatum angegeben, oder die wollten eigentlich fragen, ob meine Enkel zuhause sind und haben mich aus Mitleid gefragt, ob ich nicht einen neuen Telekommunikationsvertrag haben möchte, um besser kommunizieren zu können?!

Gegen die ZEIT habe ich nichts (mehr). Früher habe ich ich mir die Zeitung nur gekauft, weil das Rätsel http://spiele.zeit.de/ecke/ nicht online zur Verfügung stand. Nun spare ich pro Rätsel €3,80 - das rechne ich denen hoch an!

Für das restliche ZEITgeschehen genügt Ihre Zwischenbilanz völlig! Die ist analytisch informativ, umfassend und mit angemessenem resignativen Realismus versehen. Da weiß man, woran man ist!

Gruß Heinrich

;)

Trithemius - 4. Nov, 10:16

Lieber Heinrich,

zu beneiden sind wir alle nicht, denn unsere schöne Repubik ist leider auf den Hund gekommen. Wenn Bundesregierungen uns und unsere Nachkommen wegen der Bankenrettung bis aufs Blut verschulden und die Entscheidung dafür mit Herrn Ackermann aushandeln, das Parlament aber umgehen, das Verfahren anschließend "alternativlos" nennen, befinden wir uns nicht mehr in einer Demokratie, sondern in der Diktatur des Geldes.

Die Umfrage der ZEIT spiegelt diese Verhältnisse. Nicht Redakteure fragen Bürger nach ihrer Einschätzung, sondern Verlagskaufleute. Die haben nämlich inzwischen das Sagen bei den Zeitungen. Die ZEIT gehört ganz nebenbei zum Bertelsmann-Konzern, und die da das Sagen hat, Liz Mohn, ist eine gute "Freundin" von Angela Merkel. Wenn die Verlagsleiterin der ZEIT uns erzählt, die Redakteure der ZEIT hätten unterschiedliche politische Ansichten, dann ist das Realsatire. Ihre Ansichten spielen nämlich bei der politischen Ausrichtung der ZEIT nur noch eine marginale Rolle. Man muss sich nur einmal die Sprache dieser angeblichen Umfrage ansehen, die in Wahrheit Verlagswerbung ist und PR für die Bundesregierung. Der schändliche Krieg in Afghanistan unter Beteiligung der Bundeswehr heißt in der Umfrage: "Engagement in Afghanistan" und die Bundesregierung "hält" daran "fest". Die Bundesbürger lehnen diesen Kriegseinsatz mehrheitlich ab. Aber das ist der Bundesregierung egal. Sie gibt sich nicht einmal mehr den Anschein, demokratisch zu denken und handeln. In Frage 1 wird behauptet: „Seit die neue Bundesregierung im Amt ist, hat sich die Konjunktur in Deutschland deutlich erholt." Damit ist die Verbindung zwischen der Arbeit der Bundesregierung und der angeblichen Konjunkturerholung bereits hergestellt, obwohl sie auf keine Weise zu belegen ist, ganz offenbar auch an den realen Lebensverhältnissen der meisten vorbeigeht.

Der erbärmliche Zustand unserer Demokratie hat sehr viel mit dem Versagen der Medien zu tun, die sich, wie hier auch zu sehen, immer stärker an die Mächtigen heranwanzen, und es wird bald die Zeit kommen, da ist freier, kritischer Journalismus etwas für die Spiele-Ecke.

Ehrlich gesagt bin ich dankbar und froh, wenn mich die vereinten Schmockmedien nicht mehr zur Zielgruppe zählen.

Resignativ-realistische Grüße
Ihr Trithemius
Careca - 4. Nov, 08:23

was mir bei jener Umfrage fehlt, ist eindeutig der Telefonjoker. Abrufbar wäre mit dem Joker die Merkel, der Westerwilli und das Verbrüderle.

Trithemius - 4. Nov, 14:17

"Frau Merkel, wie soll ich ihre Politik finden?"
"Herr Westerwelle, mein Hüfthalter juckt, wie denkt das Ausland darüber?"
"Herr Brüderle, soll ich sagen, Sie hätten einen Aufschwung herbeigeführt? Es wäre dann freilich gelogen."
Videbitis (Gast) - 4. Nov, 11:37

Himmel! Redakteure mit unterschiedlichen Ansichten!! Das darf ja wohl nicht wahr sein, tut denn keiner was dagegen!? Polizei! Bundeskriminalamt!! Verfassungsschutz!!! Buchtet die Redakteure ein - und Frau Hauer gleich mit! Was? Dummheit ist nicht strafbar? Schade.

Ich nehm dann auch den BMW.

Trithemius - 4. Nov, 14:14

Nicht wahr, ganz schön kess die Journalisten der Zeit, erlauben sich sogar unterschiedliche Ansichten. Wirtschaftlich ist das gewiss nicht, denn sowas gibt nur Reibungsverluste. Man muss halt bei der Einstellung solcher Leute genauer hinschauen, dann braucht sich Frau Hauer nicht nachträglich zu wundern, dass da immer wieder welche auf dem Redaktions-Klosett weinen.
Heinrich.Sch - 4. Nov, 17:07

Ok, und was machen wir nun dagegen?

Sage bitte niemand, eine andere Zeitung abonnieren oder gar eine andere Regierung wählen. Das hatten wir alles schon mehrfach - das bringt es nicht!
Auch eine Zeitreise bringt nur partielle Linderung und dafür wieder andere Qualen, Folter, Seuchen oder einen ausgestorbenen Planeten.

Ich habe mich wirklich bemüht, die Resignation nicht als Mittel gegen die Realität einzusetzen, aber die Realität gewinnt immer, legt sich wie dicker Nebel über die politische Landschaft und erstickt sogar die Ohnmachtsschreie.

Ich wähle Trithemius und Frau Nettesheim zum Königspaar und plädiere für eine Monarchie. Oder brauchen wir einen Kaiser?

Salomon der Weise spricht, weiser bin ich leider nicht. Wär ich etwas weiser, wär ich sicher Kaiser. So bin ich nur König - mir ist's nicht zu wönig. (Quelle: Werner Pirchner)

Also König genügt. Ein weiser König regiert uns sicher schon viel besser, als eine korrupte Horde von Regierungsmarionetten.

Aber woher bekommen wir für den König einen unendlich großen Schatz, damit er wirtschaftlich unabhängig ist und die Wirtschaftsbosse zum Teufel jagen kann?

Es bleibt immer eine Frage offen - das ist die Crux. :(
Trithemius - 4. Nov, 21:12

Zeitung abbestellen. Erst wenn sich die Printmedien wieder auf ihre Wächterfunktion besinnen, sind sie ihr Geld wert. Zur Zeit betreiben sie Volksverdummung im großen Stil und verspielen alle Reputation, die sie einmal hatten. Es tut mir leid um die vielen Journalisten, die sich aus Angst um ihren Arbeitsplatz vor den Karren spannen lassen. Aber viele haben sich auch korrumpieren lassen und viele strotzen vor Arroganz. Und die ist die schlimmste Sünde wider die Intelligenz.

Ich möchte nicht König von Deutschland werden. Das ist mir eine Nummer zu groß. Vor allem wäre ich ein König ohne Volk. Sie wollen lieber Günther Jauch und Carmen Nebel.

Vielleicht wäre ein guter König tatsächlich besser als ständig neue Gurken in der Bundesregierung. Aber, lieber Heinrich, wenn wir auch nicht wissen, wie diese Misere zu beenden wäre, wachsam zu sein und zu schauen, was die Mächtigen tun, ist das Mindeste.
Heinrich.Sch - 5. Nov, 00:59

Das stimmt! Selbst mein Hund stiehlt nicht die Wurst, wenn er merkt, dass er beobachtet wird.
Erdge Schoss (Gast) - 7. Nov, 17:53

Den BMW und den Möbelgutschein

werter Herr Trithemius, können Sie vergessen.
Beides hat mir Fräuein Hauer bereits am 3. versprochen.

Nichts für ungut
Ihr Erdge Schoss

Trithemius - 7. Nov, 18:40

Möglicherweise, werter Herr Erdge Schoss, verspricht die Dame mehr als sie zu halten gewillt ist.

Schönen Gruß
Trithemius
Erdge Schoss (Gast) - 8. Nov, 19:28

Sollte das

werter Herr Trithemius, so sein, wären das noch schlimmere Zustände als auf dem deutsch-tschechischen Straßenstrich.

Herzlich
Ihr Erdge Schoss
Trithemius - 8. Nov, 22:32

Ich fürchte, da haben Sie recht, lieber Herr Erdge Schoss, auch wenn das Ihr Weltbild erschüttern dürfte. Zwischen Frau Hauer und den von Ihnen gemeinten Damen könnte es eine heimliche Seelenverwandtschaft geben.

Tröstliche Grüße
Ihr
Trithemius

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