Radfahren ohne Kette - Mein surrealer Alltag (17)
von Trithemius - 28. Jul, 05:31
Vor Monaten bekam ich ein Fahrradschloss geschenkt, nicht so ein dünnes Kabel, auf das ein Fahrraddieb nur spucken würde, sondern eine schwere ummantelte Kette mit einem mächtigen Verschluss. Wenn der einrastet, dann für die Ewigkeit. Kette und Schloss könnten einen Elefanten tragen, aber das habe ich natürlich nicht ausprobiert. Mein Vermieter regt sich sowieso schon auf, dass der ganze Hof mit Fahrrädern zugestellt ist. Vermutlich bekäme er einen neuen Anfall, wenn ich auch noch einen Elefanten mittenrein hänge.
Manchmal dachte ich beim Radfahren, ich hätte ein dickes Kind auf dem Gepäckständer oder einen Kasten Bier. Aber da hing nur mein Fahrradschloss. Und die Leute erst, die haben, wenn ich vorbeifuhr, bestimmt gedacht, da kommt wieder der Mann auf dem Fahrrad, das wie ein mächtiges Fahrradschloss aussieht. Da hatte ich oft den Impuls zu sagen: He, Leute, was ihr seht, das ist nicht mein Fahrrad, sondern nur das Fahrradschloss. Das Fahrrad befindet sich darunter und ist von klassischer Bauart.
Man kann sich denken, dass ich dieses übermächtige Fahrradschloss nicht immer mitnehme. Manchmal will ich meine Freiheit und einigermaßen unbelastet sein. Glücklicherweise bekam ich einen beleuchteten Schlüssel für das Schloss und einen Ersatzschlüssel. Da habe ich es manchmal einfach im Hof angeschlossen, vielmehr den Hof an mein Schloss. Seither ist der Hof noch nie gestohlen worden, denn selbst ausgemachte Haus- und Hofdiebe würden vor dem Anblick meines Fahrradschlosses erblassen. Das könnte mein Hausbesitzer mir ruhig danken, statt sich über ein paar läppische Fahrräder aufzuregen.
Jedenfalls war ich gestern ohne mein schweres Schloss unterwegs. Und als ich an einem Supermarkt auf der Limmer Straße vorbeikam, dachte ich, wenn ich mal wieder essen soll, dann könnte ich hier einkaufen. Vor dem Eingang stand ein Berber und hielt der ein- und ausströmenden Kundschaft einen Plastikbecher hin. Ich stellte mein Fahrrad neben ihn und sagte: „Hallo, könnten Sie mal eine Weile auf mein Fahrrad aufpassen?“ Dabei legte ich ihm einen Euro in den Becher. „Aber ja“, sagte er. „Ich stelle mich direkt daneben!“ und stellte sich direkt daneben.
Nach dem Einkauf holte ich beim Bäcker vor den Kassen noch zwei Stück Kuchen in getrennten Tüten. Der Rheinländer kauft ja nichts, er holt es, bezahlt aber dafür. Draußen stand der Berber schützend vor meinem Fahrrad. Er hatte es parallel zum Schaufenster geparkt und sagte: „Ich habe Ihr Rad zur Seite gestellt. Ein Platz wurde frei, da habe ich es dahin gestellt.“
Ich dankte ihm, hielt die Tüten hoch und sagte: „Kirschstreusel oder Walnussplunder?“
„Ach, nein, danke“, sagte er. „Ich habe ja keine Zähne mehr und hab es nicht so mit Kuchen.“ Da gab ich ihm noch mal Geld, versäumte aber zu fragen, was er denn überhaupt noch essen kann. Vermutlich nur Suppe. Jedenfalls dachte ich, es ist gar nicht so einfach, jemandem eine Freude zu machen, wenn man nicht mal weiß, dass er keine Zähne mehr hat. Also, wenn Hilfe zu weit oben ansetzt und den anderen zu sehr festlegt, dann ist’s keine Hilfe. Er hat mir meine Ungeschicklichkeit aber nicht verübelt, sondern rief mir noch so was wie „Gehabt euch wohl!“ hinterher.
Zu Hause schloss ich den Hof an meinem Rad fest und war ziemlich froh, dass ich mal wieder ohne Schloss unterwegs gewesen war. Mitte August werde ich eine Lesereise von Hannover nach Aachen machen, ähnlich wie er hier. Headphones für unterwegs habe ich mir letztens schon geholt.
Trithemius liest aus pataphysischen Geheimpapieren
ist der Arbeitstitel. Für dieses Abenteuer hole ich mir ein neues Fahrrad. Mein altes ist ein bisschen müde von den vielen Anstrengungen und ruht dann in meinem Fahrradschloss so bequem und sicher wie in einer Hängematte.
Vorankündigung in anderen Blogs:
Eugene Faust: Blogger zwischen Hannover und Aachen aufgepasst!
Heinrich: Wer mit dem Teppich fliegt, braucht kein Kettenschloss
videbitis: Aushang rechts neben der U-Bahnstation am Neumarkt
Einhard: Wichtiger Hinweis - "Was zum Henker ist pataphysisch?"
...
Vielen Dank,
Trithemius
Mehr über den Leseort Kerstensche Pavillon
3202 mal gelesen
Manchmal dachte ich beim Radfahren, ich hätte ein dickes Kind auf dem Gepäckständer oder einen Kasten Bier. Aber da hing nur mein Fahrradschloss. Und die Leute erst, die haben, wenn ich vorbeifuhr, bestimmt gedacht, da kommt wieder der Mann auf dem Fahrrad, das wie ein mächtiges Fahrradschloss aussieht. Da hatte ich oft den Impuls zu sagen: He, Leute, was ihr seht, das ist nicht mein Fahrrad, sondern nur das Fahrradschloss. Das Fahrrad befindet sich darunter und ist von klassischer Bauart.
Man kann sich denken, dass ich dieses übermächtige Fahrradschloss nicht immer mitnehme. Manchmal will ich meine Freiheit und einigermaßen unbelastet sein. Glücklicherweise bekam ich einen beleuchteten Schlüssel für das Schloss und einen Ersatzschlüssel. Da habe ich es manchmal einfach im Hof angeschlossen, vielmehr den Hof an mein Schloss. Seither ist der Hof noch nie gestohlen worden, denn selbst ausgemachte Haus- und Hofdiebe würden vor dem Anblick meines Fahrradschlosses erblassen. Das könnte mein Hausbesitzer mir ruhig danken, statt sich über ein paar läppische Fahrräder aufzuregen.
Jedenfalls war ich gestern ohne mein schweres Schloss unterwegs. Und als ich an einem Supermarkt auf der Limmer Straße vorbeikam, dachte ich, wenn ich mal wieder essen soll, dann könnte ich hier einkaufen. Vor dem Eingang stand ein Berber und hielt der ein- und ausströmenden Kundschaft einen Plastikbecher hin. Ich stellte mein Fahrrad neben ihn und sagte: „Hallo, könnten Sie mal eine Weile auf mein Fahrrad aufpassen?“ Dabei legte ich ihm einen Euro in den Becher. „Aber ja“, sagte er. „Ich stelle mich direkt daneben!“ und stellte sich direkt daneben.
Nach dem Einkauf holte ich beim Bäcker vor den Kassen noch zwei Stück Kuchen in getrennten Tüten. Der Rheinländer kauft ja nichts, er holt es, bezahlt aber dafür. Draußen stand der Berber schützend vor meinem Fahrrad. Er hatte es parallel zum Schaufenster geparkt und sagte: „Ich habe Ihr Rad zur Seite gestellt. Ein Platz wurde frei, da habe ich es dahin gestellt.“
Ich dankte ihm, hielt die Tüten hoch und sagte: „Kirschstreusel oder Walnussplunder?“
„Ach, nein, danke“, sagte er. „Ich habe ja keine Zähne mehr und hab es nicht so mit Kuchen.“ Da gab ich ihm noch mal Geld, versäumte aber zu fragen, was er denn überhaupt noch essen kann. Vermutlich nur Suppe. Jedenfalls dachte ich, es ist gar nicht so einfach, jemandem eine Freude zu machen, wenn man nicht mal weiß, dass er keine Zähne mehr hat. Also, wenn Hilfe zu weit oben ansetzt und den anderen zu sehr festlegt, dann ist’s keine Hilfe. Er hat mir meine Ungeschicklichkeit aber nicht verübelt, sondern rief mir noch so was wie „Gehabt euch wohl!“ hinterher.
Zu Hause schloss ich den Hof an meinem Rad fest und war ziemlich froh, dass ich mal wieder ohne Schloss unterwegs gewesen war. Mitte August werde ich eine Lesereise von Hannover nach Aachen machen, ähnlich wie er hier. Headphones für unterwegs habe ich mir letztens schon geholt.
Trithemius liest aus pataphysischen Geheimpapieren
ist der Arbeitstitel. Für dieses Abenteuer hole ich mir ein neues Fahrrad. Mein altes ist ein bisschen müde von den vielen Anstrengungen und ruht dann in meinem Fahrradschloss so bequem und sicher wie in einer Hängematte.
Vorankündigung in anderen Blogs:
Eugene Faust: Blogger zwischen Hannover und Aachen aufgepasst!
Heinrich: Wer mit dem Teppich fliegt, braucht kein Kettenschloss
videbitis: Aushang rechts neben der U-Bahnstation am Neumarkt
Einhard: Wichtiger Hinweis - "Was zum Henker ist pataphysisch?"
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Vielen Dank,
Trithemius
Mehr über den Leseort Kerstensche Pavillon
Zwischen Bielefeld und Aachen....
Oder man konstruiert direkt ein Schloß, welches auch als Fahrgelegenheit zu nutzen ist.
Also da Essen - wie bereits erwähnt - sich doch quasi auf ihrer Lesungstour befindet....wie wäre es.....Quartier gäbs genug...und Lesungsräume auch...;-)??? Gruß! Klara
http://abcypsilon777.blog.de/2005/11/27/uber_junge_menschen_mit_eisen_im_gesicht~340841/
Sobald ich Konkretes weiß, melde ich mich bei Ihnen, liebe Klara. Sie könnten ja zu dieser Lesung auch Freunde einladen.
Viele Grüße
Trithemius
Freuen würde es mich in jedem Fall ;-) Viele Grüße! Klara
Da höre ich aber bald etwas. Zwei Orte so dicht beisammen, das würde die Teilstücke ziemlich ungleich machen, die ich zu fahren habe. Das spricht dann ohnhin gegen Mülheim.
Ihr Angebot war zuerst da. Würde mich freuen, wenn's klappt. Der Termin dann voraussichtlich Donnerstag, 19. August. Der Termin am 22. in Aachen steht schon fest. Es wird eine Matinee am Sonntagmorgen in der Galerie Perplies. Am Abend zuvor eventuell ein Lokal in der Pontstraße.
Viele Grüße
Trithemius