An Handschrift gedacht und nur Tasten gedrückt

"Glauben Sie, dass irgendwann das Schreiben mit der Hand ganz verschwinden wird?", fragte mich heute am Telefon die Journalistin Constance Frey. Ich muss zugeben, dass ich so weit nicht gedacht hatte. Constance Frey recherchiert für einen Artikel über die Initiative des Grundschulverbands, die Ausgangsschriften abzuschaffen und nur noch Druckschrift zu lehren. Sie sagte, sie habe mit einem Didaktiker gesprochen, und er könne sich vorstellen, dass die Handschrift verschwindet.

Zunächst fiel mir eine ähnliche Entwicklung beim Zeichnen ein. Vor einigen Jahren besuchte ich eine Papierfabrik in Düren. Ihr Hauptgeschäft waren Jahrzehnte lang Transparentpapiere gewesen, also Entwurfpapier für Grafiker und Architekten. Ein Manager des Unternehmens sagte mir, der Markt sei völlig eingebrochen, denn Grafik-Designer oder Architekten würden nicht mehr mit der Hand zeichnen. Diese Entwicklung war schon in den 90ern abzusehen. In einer großen Werbeagentur, die ich besuchte, saßen alle Grafik-Designer an Rechnern, und der Firmenchef sagte stolz: „Sie finden hier im ganzen Haus keinen Bleistift mehr.“ An der Fachhochschule für Design in Aachen emeritierte im Jahr 2004 Klaus Endrikat, Professor für „Zeichnerische Darstellung und Gestaltung, insbesondere Figürliches Zeichnen.“ Mit Endrikat endete auch das Zeichnen an der Fachhochschule, das Fach wird nicht mehr angeboten. Seine letzten beiden Diplomanden hatten das Ende des Zeichnens ironisch überhöht. Sie waren als reisende Zeichner durch die Republik gezogen und hatten darüber ein zeichnerisches Fahrtenbuch geführt.

Im professionellen Bereich ist die Handzeichnung also schon exotisch und wird langfristig nur in der Bildenden Kunst überdauern. Letzlich droht ihr ein Schicksal wie der Kalligrafie – sie wird Kunsthandwerk, etwas für Weihnachts- oder Jahrmärkte bzw. den Volkshochschulkurs.

Könnte das Schreiben mit der Hand ebenso verkommen und allenfalls noch im Hinkritzeln einer Notiz und in der Unterschrift überleben? Wäre es ein Verlust? Schon jetzt ist der persönliche Brief seltener geworden. Dadurch gewinnt er natürlich an Wert, wie alles Seltene als wertvoll empfunden wird, abgesehen von einer seltenen Krankheit oder rarem Erfolg. Sehr verdächtig scheint mir der Prestigewert der teuren Füller. Wer auf sich hält, wer etwas darstellt in dieser Welt, will auch ein edles Schreibgerät besitzen, schreibt aber in der Regel kaum damit. Indem der Füllhalter zum Prestigeobjekt degeneriert, verweist er auf seine schwindende funktionale Bedeutung. Hinsichtlich der Kulturtechnik Schreiben sind solche Füllfederhalter ein Zeichen von Dekadenz. Natürlich lässt sich einwenden, dass viele Erwachsene noch ihre Handschrift pflegen und in Gebrauch nehmen. Ob die Enkelgeneration aber noch genauso empfindet, scheint fraglich.

Noch wird jeder bestätigen, das Schreiben mit der Hand habe einen Wert. Doch worin besteht er? Kaum ein Mensch schreibt heute noch getreulich einen Text ab, wie es die Kopisten des Mittelalters getan haben. Wer mit der Hand schreibt, verfasst selber Texte. Er ordnet seine Gedankenkreise und formt sie zu Zeilen aus, das Denken bekommt eine Richtung, bei der Alphabetschrift von links nach rechts, von der Emotion (dem Antrieb zu schreiben) zur Logik (der wirkungsvollen Ausformulierung) hin. Das geschieht auch beim Schreiben mittels Tastatur. Aber in der Handschrift ist Langsamkeit, Auseinandersetzung mit Material, sie erfordert und trainiert die Feinmotorik. Handschreiben ist ein im besten Sinne ganzheitlicher Vorgang, denn es fordert und fördert gleichermaßen Herz, Hand und Verstand.

Wenn das zeichnende und schreibende Handwerk an Bedeutung verlieren, so deutet sich an, dass der Mensch des Computerzeitalters das praktische Handgeschick aufzugeben bereit ist. Das handwerkliche Geschick wird museal, weil der postmoderne Mensch sich immer seltener als ganzheitlich erlebt, wie auch die ganzheitliche Bildung aus Schulen und Universitäten verschwindet. Zudem ist er kein Handelnder mehr, sondern ein Getriebener unter Zeitdruck.

SchreibmalwiederHätte ich mich hingesetzt und diese Überlegungen mit der Hand geschrieben, wäre der Text anders geraten. Ob er besser oder schlechter wäre, lässt sich nicht sagen. Aber es ist ein Risiko, eine Fertigkeit zu vernachlässigen, deren Wert man erst erkennt, wenn sie verloren ist. Trotzdem: Der ungenannte Didaktiker wird Recht behalten. Letztlich wird die kulturelle Bildung immer von ökonomischen Überlegungen geprägt.

Abgelegt unter: Schriftwelt im Abendrot
Mehr: Die Handschrift hat Schwindsucht
3141 mal gelesen
romeomikezulu - 26. Jan, 20:58

Handschreiben ist ein ganzheitlicher Vorgang? Das stimmt genau!
Natürlich hat sich der hand-geschriebene Text als Träger
gelagerten Wissens überlebt, keine Frage. Das ist auch gut so.

Aber als Ausdruck der Individualität meiner Selbst mag ich (noch) nicht
auf ihn verzichten.

So ganz sicher bin ich mir dabei aber nicht mehr, daher habe
ich meine Handschrift kürzlich -vorsichtshalber- zu einem Schriftfont
verwurstet (und online gestellt).

Irgendwie gefiel mir der Gedanke, dass wenn ich morgen überfahren
werde (ich bin nun in einem Alter, wo ich so denken darf ;-), ein Teil
meiner Individualität in Form von Worten übrig bleiben könnte,
die "in meiner Handschrift" erstellt wurden :-).

Trithemius - 26. Jan, 21:09

So rettet sich nicht nur der Ausdruck Ihrer Persönlichkeit ins Digitale, sondern die Handschrift selbst. Durch die Digitalisierung treten sie dereinst den Nachweis an, dass es Sie und sie in der fassbaren Realität gab. Und schon ist die Handschrift wieder Wissensspeicher, birgt Wissen über Sie und Wissen über den Schriftgebrauch.
schreiben wie atmen - 27. Jan, 12:25

Der Verlust der Handschrift

liefe auf den Verlust eines direkten Zuganges zu den Inhalten unseres Halb- und Unbewußten. Früher wendete ich bei vielen meiner Klienten das Schreiben als effektives Therapiemittel an. Auch in meinen Schreibkursen erlebe ich immer wieder diese besondere Dimension des Schreibens mit der Hand. Oft sind Menschen, die diese Erfahrung machen, sehr überrascht und sehen das Schreiben als Ausdrucksmittel danach in einem anderen Licht.
Genau wie wir uns mit der verschwindenden alltäglichen Bewegung unter freiem Himmel und der immer seltener werdenden direkten und ausführlichen Kommunikation mit Menschen, die uns leibhaftig gegenübersitzen zweier unersetzlicher Mittel zur Gesunderhaltung berauben, nähmen wir uns mit der fließenden Handschrift ein Mittel das uns die Kommunikation mit uns selbst leichter machen kann.
Geschwurbel hin, Geschwurbel her - ich fände es jedenfalls jammerschade.

Trithemius - 27. Jan, 18:21

Weil ich es auch jammerschade fände, habe ich auch bislang nicht wahrhaben wollen, dass die Handschrift eine versinkende Kulturtechnik ist. Bei mir selbst kann ich beobachten, dass mir der Umweg über die Handschrift oft zu lästig ist. Dabei habe ich bis vor zehn Jahren noch sehr viel mit der Hand geschrieben, beruflich und privat (Tagebuch).

Als therapeutisches Mittel der Kommunikation mit sich selbst kenne ich das Schreiben nicht. Wie meinen Sie das? Die Surreralisten glaubten ja, man könne mit dem "Automatischen Schreiben" das Unbewusste aufschließen.
schreiben wie atmen - 27. Jan, 19:17

Genau das.
Wobei das längst nicht nur die Surrealisten glauben ;o)
Trithemius - 27. Jan, 19:20

webgeselle - 27. Jan, 20:25

... mindestens interessant,...

 
... dass ausgerechnet Singer fast wörtlich dasselbe sagt wie Th. Mann...

(... ich stehe nach wie vor im Wettbewerb um den Titel "unpassendster Kommentar"... chch... sorry...)

Aber im Ernst: ich habe einen "extra" Kommentar unterlassen, weil dieser Satz "liefe auf den Verlust eines direkten Zuganges zu den Inhalten unseres Halb- und Unbewußten" ins Schwarze trifft; da laufen ja eingeübte verwickelte Abläufe von der Grübelkugel bis zu den Fingerkuppen ab, nicht nur "Mitteilung"... und es hat was zu bedeuten, dass ich ein paar Hand geschriebene Tagebücher selbst nicht mehr lesen kann...

(... häff fann...)
 
 
Trithemius - 27. Jan, 21:16

Das Zitat des Tages bei Zitate.de:

„Das ist curios! Ich soll etwas gescheutes schreiben und mir fällt nichts gescheides ein.“ (Wolfgang Amadeus Mozart)

(Wettbewerb: Unpassender Kommentar)

Dein Zitat stammt vom wem und was liefe auf den Verlust hinaus?

Dass beim Handschreiben anders gedacht wird als beim Tasten, ist mir klar. Nur, wie wirkt es sich auf Texte aus? Vorab: Dieser zeitnahe Gedankenaustausch zwischen dir und mir wäre in Handschrift ja überhaupt nicht möglich. Was wir hier schreiben, ist kein Erzeugnis eines Bleistifts.
Ich glaube, der Wechsel vom Stift zur Taste hat auch eine inhaltliche Verschiebung des Schriftlichen mit sich gebracht.

Wenn die Inhalte in deiner Handschrift begraben sind, da hast du ein Gegenbeispiel. Das wäre z.B. im Internet nur durch radikales Löschen möglich. Aber die Handschrift ist noch da, die Botschaft auch, man muss zum Entziffern nur mehr Zeit und Mühe aufbringen als zuvor. Zudem haben deine Tagebücher als Exemplare eine Geschichte, die man ihnen auch ansieht, mal ein Knick, hier ein Kaffeefleck, da ein Riss, alles Hinweise auf dich als Person. Davon hat das Internet fast nichts.
webgeselle - 28. Jan, 12:48

Und ist denn das Alter furchtbar fürwahr!!!

 
...das Zitat ist auf der Startseite der Homepage (früher hieß die Startseite einer Website "Homepage", ach) von Herrn Waldscheidt, zu dem ein Link vom Blog der Alten Säckin führt, welche hier selbst eben oben kommentierte, und hatte ich denn in meinem manischem magischem Denken wieder einmal gedacht, man könne und wolle mir ohne Weiteres folgen, ach...

Das dortige Zitat aber lautet: "'Schließlich, was ist denn ein Schriftsteller? Nur seine Werke.' (Isaac Bashevis Singer)"; ich lese nämlich gerade - wieder einmal - Singer (und unterlasse es an dieser Stelle ganz ausnahmsweise, auf "mystische Zufälle" hinzuweisen, obwohl sich das gerade bei Singer anbieten würde), und ich habe aber "vergessen", den unter meinen Lieblings-Schriftstellern im Gesichtsbuch an zu führen (ebenso wie Malamud – und "malamut" ist wörtlich "Lehrer", ha! - , dessen Kurzgeschichten-Band "Das Zauberfass" ich bestimmt ein Dutzend Male gelesen habe), was natürlich wieder ein höllisch finsteres Licht auf mein so genanntes Unbewusstes werfen muss...

Thomas Mann nun aber schreibt Sinn gemäß (ich bin jetzt zu faul, die Stellen zu suchen, obwohl ich gerade immer einmal wieder ein Büchlein von ihm besitze; das schwankt je nach Bestand von Tüten-Suppen usw.; z. B. die "Buddenbrooks" hatte ich schon dreimal, allein, wenn ich in so ein Modernes Antiquariat schleiche, bin ich ja wenigstens ein bisschen an der frischen Luft, chch), ein Künstler wäre wer, der nur in seiner Kunst zu leben suche, und ansonsten – jetzt zitiere ich, glaube ich, wörtlich - "grau und abgeschminkt" einher schleichen täte als wie ein Schauspieler ohne Rolle usw.; ich weiß noch genau, dass es das war, was irgend eine Saite in mir anschlug, ach, als ich mit 14 irrsinniger Weise Thomas Mann zu rezipieren begann, immerhin beginnend mit "Tonio Kröger", was natürlich ein glücklicher Griff war (und viel interessanter wäre, weil nämlich sicherlich über meinen Bauchnabel hinaus von einigem Belang, wie es kommen konnte, wenn nicht musste, dass ich in der "ersten sozialistischen Stadt" usw. es für notwendig hielt, eine derartige Insel bürgerlichen Welt-Empfindens zu etablieren, ach, schöner Schmerz)...

… ich habe auch "mit Hand" derart "kariert gequatscht" wie ich es jetzt tue, da ich krampfig in die Tasten taste... wieder mal so Laien-Autoexplorationen... blander Insult, daraus resultierend die "Doktorschrift" sowohl als auch dieser Mangel an Konzentration usw.; einfach ignorieren, Herr Dino spinnt...

(… Mozart hat gut reden, der hat ja "eigentlich" gar ergetzlich Klangwerk arrangieret… wir haben mal "Die Zauberflöte", igitt, "behandelt"... um was es da geht... äh... um Blasinstrumente? - peinlich...)

Gestatten Sie, lieber Herr Text-Teppich-Direktor, ein – what a wortwitz – ersprießliches Saugen zu wünschen, und zwar hiermit!

Das Fossil
 
Trithemius - 28. Jan, 13:44

Hab deinen Schlusssatz beherzigt und zuerst mal Staub gesaugt.

Den Satz von Singer (und ähnlich bei Thomas Mann) verstehe ich gar nicht. Darin steckt soviel Bitterkeit. Ich halte es für sehr bedenklich, wenn ein Autor sich nur über seine Texte definiert. Aber gestatte mir, dass ich beim Thema Handschrift bleibe.

Frau SWA hat ja die These aufgestellt, mit dem Verlust der Handschrift gehe ein Zugriff auf das Unbewusste verloren, was du bekräftigst. Es "liefe auf den Verlust eines direkten Zuganges zu den Inhalten unseres Halb- und Unbewußten" hinaus. Ich hoffe sehr, weder sie meint noch du meinst die Graphologie. Denn mir ist keine seriöse Therapie bekannt, in der Graphologie angewandt wird, um dem Patienten zu helfen, sich selbst besser zu verstehen. Graphologie dient überwiegend irgendwelchen Autraggebern, die sich ein Bild etwa von einem Bewerber machen wollen.
Mehr dazu: http://trithemius.twoday.net/stories/vorsicht-graphologen/

Die Handschrift als Schlüssel zur Seele, das taugt allenfalls für die Illustrierte als Zeitvertreib, ist eigentlich Hokuspokus. Jedenfalls können wir darin nicht die Qualität das Schreibens mit der Hand festmachen.

Schönes Wochenende wünscht,

Dein Trittenheim
webgeselle - 29. Jan, 12:40

Ha! Ich bewirke was!

 
... äh... bezieht sich aufs Saugen... hä-ähm...

Nee, nee, nee - das bezieht sich keineswegs auf Graphologie (ich habe gar nicht auf den Link geklickt, halte es aber für möglich, dass da was mit Klages und so kommt; mal sehen, ob ich richtig "geraten" habe), aber ich hatte den Gedanken schon vor 10 Jahren, als ich mir so Schreibcomputer geholt habe - einer hieß zum Beispiel "Sharp FW-700 Font Writer" und war ordentlich teuer, boah ejh -, dass da Zusammenhänge zwischen Abläufen im Kopf und dem schließlich auf dem Papier Erscheinendem wären, indem zum Beispiel von dem Augenblick, da ich im Fluss war, die Handschrift deutlich deutlicher wurde; "mit Maschine" war das dann alles "weg"... wahrscheinlich ist das 'ne Binsenweisheit, aber da ich sie in meinem verstörtem Busen barg, ach, deucht sie mich besonders... und Verlotterung des Schriftbildes war auch immer mit Verwilderung des Stils verbunden...

Aber wie gesagt: das ist alles Spekulatius... oder so...

Häff fann!

Das Fossil
 
 
Trithemius - 29. Jan, 22:46

Dieser dein Spekulatius ...

... ist ein äußerst interessanter Hinweis, bin davon quasi hin und weg. Was du an dir selbst beobachtet hast, deckt sich mit meinen Korrekturerfahrung. Am besten waren meistens die Aufsätze und Klausuren von denen mit einer guten, klaren Handschrift. Ich weiß nicht, ob es dazu eine empirische Untersuchung gibt, aber es wäre lohnend sie zu machen.

Ungeachtet dieser anderen Form des Schreibens, der du dich bedient hast, ist dein Kommentar mal wieder durchsetzt von poetischen Momenten.

Viele Grüße
Dein Trittenheim
maranaz3 (Gast) - 27. Jan, 17:44

Es ist schon so, ...

... das Handschreiben ist für unsere Kinder schon eine Übung, die ihnen nicht mehr so selbstverständlich von der Hand geht, wie das Tastatur schreiben. Vor allem sind sie gewohnt, ganze Sätze oder sogar Absätze in einer Arbeit jederzeit zu verschieben oder umzustellen, so dass unser Sohn das kontinuierliche Schreiben, ohne wesentlich Verbesserungen vornehmen zu müssen, vor dem handschriftlichen Examen buchstäblich neu einübte. Und das ist ja auch schon einige Jährchen her.
So kann’s kommen.
:-)

Trithemius - 27. Jan, 18:24

Von solchen Schwierigkeiten habe ich bislang noch nichts gehört, liebe Marana, obwohl es naheliegend ist, dass der Gebrauch einer Textverarbeitung zurückwirken kann auf die Kulturtechnik Handschreiben.
Kannst du ein bisschen näher beschreiben, wie sich das bei eurem Sohn darstellte?
maranaZ3 (Gast) - 27. Jan, 19:06

Arbeitsbeispiele kann ich dir nicht liefern, aber ich habe das aus den Augenwinkeln so beobachtet. Wenn der junge Herr während des Studiums am Computer eine Arbeit erledigte, schrieb er Textbruchstücke je nach erarbeitetem Erkenntnisstand und gruppierte diese Texte dann erst im zweiten Schritt zu einem Ganzen zusammen. Bei der handschriftlichen Prüfung musste er sich zwingen, vorrangig ein Konzept der schriftlichen Arbeit zu skizzieren und dann erst fortlaufend zu schreiben, denn er konnte ja schlecht Schriftstückschnipsel ausschneiden und dann abschließend wieder zusammenkleben, und dieses Konzeptionieren, kurz, knackig, schnell, das hat er eingeübt.
Trithemius - 27. Jan, 19:26

Vielen Dank für die Information. Ich glaube auch, dass ein handschriftlicher Text dazu zwingt, dass man eine Sache gedanklich durchdringt, bevor man losschreibt. Wann etwa ist es umgekippt bei eurem Sohn, also wann hat er es gelernt, verlernt und musste sich erneut darauf besinnen?

Ich habe bei mir beobachtet, dass ich diese Durchdringung gedanklich mache. Ein schriftliches Konzept ist mir zu lästig. Freilich zwingt mich ja keiner, beim Thema zu bleiben. Im Gegenteil, das Drauflosschreiben ist auch ein kreativer Akt.
maranaZ3 (Gast) - 27. Jan, 20:02

Dem jungen Herrn ist es erst kurz vorm Examen bewusst geworden, und in der Schule musste, durfte, konnte man ja zuletzt mehr schlecht als recht Aufsätze handschriflich zusammenbasteln.
Trithemius - 27. Jan, 20:15

Ich finde deine Mitteilung sehr interessant. Diese Auswirkung des Computers kann es ja noch nicht lange geben. Was du beobachtet hast, ist demnach eine neue Erscheinung im Wechselspiel Handschrift-Tastatur.
Careca - 30. Jan, 13:39

Ich beobachte ebenfalls einen Wandel bei mir. Anfangs schrieb ich viel auf Papier. Mit dem Einzug des PCs wurde die eigenen händischen Notizen weniger. Auch Texte für meinen Blog schreibe ich inzwischen sehr häufig nur noch per PC.
Was mich hindert, auf Papier vorzuschreiben, ist der zu tätigende Aufwand, alles nochmals zu schreiben. Dabei entfällt aber immer mehr die eigene Korrekturtätigkeit. Momentan (fast seit einem Jahr dauert dieser Moment) arbeite ich an einem Manuskript. Ausgedruckt aus einer bereits von mir geschriebenen Rohfassung. In jenem Ausdruck wimmelt es von händischen Korrekturen, Querverweisen, Bezugspfeilen und Durchgestrichenem und Wiederhergestellten. Das ganze wird langsam unübersichtlich, da ich nicht kontinuierlich dran arbeite. Und jener "Moment" dauert auch schon so lange, weil die innerliche Hürde das ganze wieder in den PC reinzuhämmern mich schaudern lässt. Aufgrund dieser ganzen händischen Arbeit hatte ich parallel angefangen nach Tools zu suchen, die mir helfen könnten, das ganze am PC durchzuführen. Anfangs war ich fasziniert von bestimmten Tools, aber inzwischen fand ich sehr einfache Tools wie "Q10" oder "WriteMonkey Desktop". Der Gag: Sie simulieren im Vollbildmodus ein Blatt Papier, so dass man das Gefühl hat, man schreibt auf einer Schreibmaschine: Du und der Cursor. Reduced to the max.
Und jetzt kommt das Schockierende. Alle Tools schreiben nicht von alleine die Supergeschichte. Fast schon steigt wieder die Versuchung Papier und Bleistift zu bemühen.

Das händische Schreiben wird nie ganz aufgehoben werden. Auch wenn die Kiddies in Facebbok, Twitter, MySpace oder ShülerVIZ und so weiter schreiben. Im Studium oder in Projekten im Berufsleben jedoch wird das berühmte Schmierbuch (die "Kladde") weiterhin zu führen sein. Auch Journalisten werden nicht auf den klassischen Kugelschreiber verzichten werden. Allerdings gibt es auch hierbei schon Bestrebungen die eigene Schreibe mit dem Papier und dem PC zu vernetzen und die Transferarbeit von Papier auf PC erheblich zu vereinfachen. Bei Journalisten findet sich inzwischen immer häufiger der "Livescribe"-Kugelschreiber (einfach mal mit Google suchen), der gerade dieses ermöglicht. Dafür kostet er aber das mindestens das Zweihundertfache des normalen BIC-Kugelschreibers.
Selbst sprachumwandelnde Software, wie es in Hollywood-Filmen schon Jahrzehnte problemlos funktioniert, sind noch immer nicht so ausgereift, dass man beispielsweise seine Spontangedanken in sein Handy/Smartphone aufnimmt und zuhause dann die Speicherkarte in den PC schiebt und - voila - der Text ist fertig auf dem Monitor.

Die Kunst des Schreibens wird auch mit dem PC nicht papierlos werden. Der HB-Bleistift wird ebensowenig in Vergessenheit geraten wie die Kladde oder der Stapel Manuskripte oder das normale Buch. Sie haben den Vorteil, dass sie überall greifbar sind und Änderungen an dem eigenen Geschreibe gnadenlos dokumentieren und so dem Schreiber zur Reflektion eigener Gedanken hilft.
Und außerdem kann man problemlos in handgeschriebenen Texten zeichnen und rumkritzeln.

Trithemius - 30. Jan, 15:00

Herzlichen Dank für den Hinweis auf Livescribe. Habe mir mal bei YouTube einige Demos angesehen. Der Livescribe-Stift ist gewiss eine vielversprechende Weiterentwicklung.

Uns beiden ist damit aber nicht geholfen. Dein handschriftliches Manuskript müsstest du einscannen können, und eine Software wandelt es um in digitalen Text. So etwas suche ich auch für meine 40 Tagebücher, denn ich habe zwar ein Register dafür gemacht, finde es aber nicht mehr.

Gewiss gibt es Berufszweige, die auf das Schreiben mit der Hand nicht verzichten können, und Schüler, Studierende und Lehrkräfte sowieso nicht. Aber ob das junge Volk nach dem Abschluss noch in großer Zahl die Handschrift weiter benutzt, halte ich für fraglich. Jedenfalls beobachte ich bei mir, dass ich seltener mit der Hand schreibe, vor allem wegen der Arbeit, alles noch mal abzutippen.

Zum Bleistift:
http://medienkompetenzrevisited.files.wordpress.com/2010/07/bleistift.pdf
Für die Kulturtechnik Schreiben mit der Hand setzt sich auch der Lead Pencil Club ein, dessen Mitglieder den Computer ablehnen und über den im Internet daher wenig zu finden ist.

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