Bothfelder Zahlenmagie - Fahrt mit der Linie 9 (8)
von Trithemius - 14. Jan, 16:30
1) Die Uhr wird geputzt
2) Rein in die Wassersenke
3) Dosenpfand und kleine Finger
4) Grüß mir den Kartoffelbrei
5) Lange Straße - Dauerbrot
6) Grau in den Speckgürtel
7) Verlust der Sieben
Wir steigen in Bothfeld an der Nicolai-Kirche aus. Eine Theatergruppe plakatiert am Kirchturm „Arsen und Spitzenhäubchen“. „Die Kirche wird auch für Aufführungen genutzt“, sagt mein Bothfelder Gewährsmann. „Und manchmal treten da solche Promis auf, die man nicht mal mehr beim Privat-Fernsehen haben will. Demnächst kommen die Don-Kosaken.“ Er will im Gemeindeamt Karten kaufen, ein Don-Kosaken-Geburtstagsgeschenk für seine Mutter. Wir verabschieden uns, und ich bedanke mich. „Da nicht für!“, ruft er freundlich und hastet davon. Ich bummle einmal rund um die Kirche und begegne ihm wieder, wie er aus dem Gemeindeamt kommt. „Da drinnen sitzen drei ältere Damen“, sagt er, „die können Ihnen gewiss mehr erzählen.“
In Wahrheit ist nur eine der Damen älter. Sie hat ein weißes Pflaster auf der Schläfe und trägt es wirklich wie eine Dame. Ich will wissen, warum die Bothfelder sich über den Linientausch geärgert haben. Sie kann es mir nicht so recht erklären, obwohl sie durchaus der Sprache mächtig ist. Die ÜSTRA habe den Linientausch auf dem Platz vor der Nicolai-Kirche groß feiern wollen. „Ich bin Kirchenvorsteherin, daher weiß ich es. Aber wir hatten dort schon eine andere Veranstaltung.“ Dabei lächelt sie süffisant. Dieser subtile, kaum noch christlich zu nennende Protest gegen die feierselige ÜSTRA wegen eines Nummertauschs? Faktisch hat sich für die Bothfelder nichts verändert, nur die Nummer an der Straßenbahn. Zum Fasanenkrug fährt nicht mehr die Sieben, sondern die Neun. Stadtbahn.de erklärt:
Die technokratischen Heiden von der ÜSTRA hätten sich denken können, dass die Bothfelder ihre heilige Sieben nicht missen wollten. Sie hat offenbar das Lebensgefühl der Bothfelder positiv geprägt, bis hin zum Überschwang. Es gibt sogar eine Bothfeld-Hymne: "Bothfeld hat alles", nur keine Sieben mehr. Man reimt "keine Berge" auf "keine Zwerge" - und bleibt "Bothfeld treu für alle Zeit."
Das hätte der Student Benno Ohnesorg beherzigen sollen, statt in das kalte Berlin zu gehen. Da konnte ihm die Sieben kein Glück bringen. Er wurde am 9. Juni 1967 auf dem Bothfelder Stadtfriedhof begraben. Immerhin verbindet die Linie 9 jetzt die nach ihm benannte Brücke und seine letzte Ruhestätte.
Die Kirchenvorsteherin verweist mich noch auf einen Artikel in der HAZ zum Thema Linientausch. Lesenswert sind auch die Kommentare. "Wettberger" behauptet, regelmäßig würden Fahrgäste mit Migrationshintergrund sich wegen des Linientauschs verfahren, wenn sie in "keine Berge" wollen, sondern zum Fasanenkrug.
Fortsetzung Teurer Kaffeelöffel
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2) Rein in die Wassersenke
3) Dosenpfand und kleine Finger
4) Grüß mir den Kartoffelbrei
5) Lange Straße - Dauerbrot
6) Grau in den Speckgürtel
7) Verlust der Sieben
Wir steigen in Bothfeld an der Nicolai-Kirche aus. Eine Theatergruppe plakatiert am Kirchturm „Arsen und Spitzenhäubchen“. „Die Kirche wird auch für Aufführungen genutzt“, sagt mein Bothfelder Gewährsmann. „Und manchmal treten da solche Promis auf, die man nicht mal mehr beim Privat-Fernsehen haben will. Demnächst kommen die Don-Kosaken.“ Er will im Gemeindeamt Karten kaufen, ein Don-Kosaken-Geburtstagsgeschenk für seine Mutter. Wir verabschieden uns, und ich bedanke mich. „Da nicht für!“, ruft er freundlich und hastet davon. Ich bummle einmal rund um die Kirche und begegne ihm wieder, wie er aus dem Gemeindeamt kommt. „Da drinnen sitzen drei ältere Damen“, sagt er, „die können Ihnen gewiss mehr erzählen.“
In Wahrheit ist nur eine der Damen älter. Sie hat ein weißes Pflaster auf der Schläfe und trägt es wirklich wie eine Dame. Ich will wissen, warum die Bothfelder sich über den Linientausch geärgert haben. Sie kann es mir nicht so recht erklären, obwohl sie durchaus der Sprache mächtig ist. Die ÜSTRA habe den Linientausch auf dem Platz vor der Nicolai-Kirche groß feiern wollen. „Ich bin Kirchenvorsteherin, daher weiß ich es. Aber wir hatten dort schon eine andere Veranstaltung.“ Dabei lächelt sie süffisant. Dieser subtile, kaum noch christlich zu nennende Protest gegen die feierselige ÜSTRA wegen eines Nummertauschs? Faktisch hat sich für die Bothfelder nichts verändert, nur die Nummer an der Straßenbahn. Zum Fasanenkrug fährt nicht mehr die Sieben, sondern die Neun. Stadtbahn.de erklärt:
„Im Dezember 2009 werden die nördlichen Streckenäste der Linien 7 und 9 getauscht, um künftig auf den Strecken Wettbergen - Altwarmbüchen und Wettbergen - Misburg ausschließlich die neuen Wagen der Reihe 3000 fahren lassen zu können. Die Linie 7 fährt seitdem den ganzen Tag vorerst bis Lahe (jetzt Paracelsusweg) und wird in 2010 bis Misburg verlängert.“
Das Ärgernis ist offenbar ein Fall von Zahlenmagie, und sogar Frau Kirchenvorstand der Nicolai-Kirche macht mit. Die Sieben gilt als die heilige Zahl schlechthin und landläufig als Glückszahl, die Neun kommt in der biblischen Zahlenmystik nicht vor.Die technokratischen Heiden von der ÜSTRA hätten sich denken können, dass die Bothfelder ihre heilige Sieben nicht missen wollten. Sie hat offenbar das Lebensgefühl der Bothfelder positiv geprägt, bis hin zum Überschwang. Es gibt sogar eine Bothfeld-Hymne: "Bothfeld hat alles", nur keine Sieben mehr. Man reimt "keine Berge" auf "keine Zwerge" - und bleibt "Bothfeld treu für alle Zeit."
Das hätte der Student Benno Ohnesorg beherzigen sollen, statt in das kalte Berlin zu gehen. Da konnte ihm die Sieben kein Glück bringen. Er wurde am 9. Juni 1967 auf dem Bothfelder Stadtfriedhof begraben. Immerhin verbindet die Linie 9 jetzt die nach ihm benannte Brücke und seine letzte Ruhestätte.
Die Kirchenvorsteherin verweist mich noch auf einen Artikel in der HAZ zum Thema Linientausch. Lesenswert sind auch die Kommentare. "Wettberger" behauptet, regelmäßig würden Fahrgäste mit Migrationshintergrund sich wegen des Linientauschs verfahren, wenn sie in "keine Berge" wollen, sondern zum Fasanenkrug.
Fortsetzung Teurer Kaffeelöffel
Ich bin schon auf das Ende dieser wunderbaren Reise gespannt.